Homosexualität: Widerspruch aus Loyalität

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff hat der Frankfurter Rundschau ein bemerkenswertes Interview gegeben: Schwule Liebe »verdient Rückhalt« ist es überschrieben.

Endlich spricht einmal ein renommierter Moraltheologe offen und mit großer Sensibilität ein Thema an, das ich für eines der größten Probleme in meiner Kirche halte: Daß die Lehre der katholischen Kirche Homosexualität und damit die Liebe zwischen Menschen diffamiert und so die Würde dieser Menschen in den Dreck zieht.

Es freut mich besonders, daß dieser Vorstoß gerade durch Schockenhoff kam: Bei ihm habe ich vor einigen Semestern die Vorlesung zur Sexualmoral besucht. Auf einen hervorragenden ersten Teil zum Thema Empfängnisverhütung folgte ein katastrophal enttäuschender zum Thema Homosexualität. Der erste Teil war hervorragend humanwissenschaftlich grundiert, die biologischen Grundlagen der Fortpflanzung wurden differenziert diskutiert, um darauf dann moraltheologische Argumente aufzubauen. Naturrechtliche Argumentation im besten Sinn. Der zweite Teil war eine Zumutung: Kurz die Lehre der Kirche benannt, daß das Thema eines der heikelsten in der Theologie sei und schon manches nihil obstat daran scheiterte erzählt, ein grauselig unwissenschaftlicher Exkurs in die Psychoanalyse. In bestem Jargon der Eigentlichkeit wurde von Dynamiken des Nacheinander und des Miteinander gesprochen (hetero miteinander, homo nacheinander, warum auch immer), völlig enttäuschende Reaktion auf Anfragen aus dem Auditorium; ausweichend, lavierend.

Dieses Interview zeigt für mich einen Klimawandel in der Kirche: Schweigen aus Furcht weicht einem Widerspruch aus Loyalität zum christlichen Auftrag. Bisher war es so, daß man manche Themen einfach nicht angesprochen hat aus einer falschverstandenen Solidarität mit der Institution (kultiviert durch halbstarkes Einprügeln auf abweichende Meinungen), über die man die dringend nötige offen vertretene Solidarität mit Schwulen und Lesben unterlassen hat (aber praktisch durchaus gelebt hat). In den letzten Wochen nehme ich auch an ganz verschiedenen Orten war, daß etwas gärt. Ich glaube, daß in nächster Zeit noch einige eine christliche Lehre zur Homosexualität anstelle der geltenden katholischen einfordern werden.

Schockenhoff formuliert diplomatisch:

[I]ch bezweifle, dass es das letzte Wort der Kirche sein kann, alle homosexuellen Handlungen gleich zu beurteilen, unabhängig vom Kontext. Wenn homosexuell empfindende Menschen eine feste, auf Solidarität und Dauer angelegte Beziehung eingehen, dann ist das ethisch wertvoll. Ihr Bemühen verdient Rückhalt und ein positives Echo der Kirche. Ich denke, in solchen Fällen muss das Urteil über homosexuelle Handlungen in den Hintergrund treten.

Natürlich hängt daran noch mehr: Wer das vertritt, kann Homosexualität nicht als »in sich nicht in Ordnung« bewerten. Wenn dieser erste Schritt gemacht ist, dann ist klar, daß im Katechismus menschenverachtender Unsinn steht: »[Homosexuelle Handlungen] entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit«, heißt es da. Das ist pures Ressentiment und leugnet jede Erfahrung von Schwulen und Lesben.

Immer wieder wird angeführt, man solle die Sünder lieben, aber die Sünden hassen: Das trifft aber gerade bei Homosexualität nicht; wenn man Homosexualität als »objektiv ungeordnet« bezeichnet (wie es die Kirche tut), dann zeigt sich, daß die Verurteilung von Homosexualität eben niemals nur Haß gegen »die Sünde« sein kann: Damit wird das Unwerturteil über die gesamte Person gefällt – weil Homosexualität gerade eine Form der geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit ist, die den Menschen grundlegend ausmacht. (Das führt Patrick Cheng in der Huffington Post weiter aus.)

Die kirchliche Lehre spielt ein allgemeines Sittengesetz, eine Behauptung über die menschliche Natur aus gegen das je einzigartige Wesen von konkreten Menschen. Eigentlich skandalös für eine Kirche, die aus gutem Grund aus ihrem Menschenbild heraus gegen jeden Kollektivismus stehen müßte. »Moralischer Relativismus« ist gerade, die Sexualität eines Menschen, also etwas, was elementar das Wesen ausmacht, zu relativieren vor einer vorgeblichen allgemeinen Natur. »Moralischer Relativismus« ist, Kontexte zu ignorieren: Moral nicht an der Würde von Menschen, die jeweils einzigartig sind, sondern an Kasuistiken zu messen, als könnte man die Komplexität des Lebens in ein Regelwerk pressen. Regina Quinn Ammicht schreibt dazu:

Der Neuentwurf einer Sexualmoral braucht als Basis eine Körper-Moral, die kritisch mit dem Begriff der »Natur« umgeht und die den »Eigen-Sinn« des Körpers achtet, fördert und kultiviert. […] Eine Sexualethik, die auf Vermeidungsimperative reduziert ist, […] ist einer theologischen Deutung des Phänomens Sexualität als Teil der guten Schöpfung unangemessen.

(Sexualität und Sünde. Moralische Körperfragen. In: Stefan Orth (Hg.): Eros – Körper – Christentum, Freiburg 2009, S. 75.)

Gut, daß Eberhard Schockenhoff den Mut hat, die wirklich christliche Position zu vertreten: Nämlich die Würde des Menschen dort zu verteidigen, wo es wirklich nötig ist. Umso besser, daß das ein allseits respektierter Wissenschaftler und Priester tut. Hier gilt, was Klaus Mertes SJ über Widerspruch aus Loyalität schreibt (im gleichnamigen Buch, Würzburg 2009, S. 74f.):

Die Kraft des loyalen Widerspruchs überwindet das mächtige Schweigen der »Finsternis« (Joh 1,15). […] Zur rechten Zeit ausgesprochen, entwickelt er seine Kraft, die vor allem konstruktiv ist. Er bringt Kirche, Kultur, Gesellschaft voran, gerade sofern sie noch in der Finsternis des Schweigens stehen. Widerspruch aus Loyalität ist ein Dienst an jeder Gemeinschaft, die lebendig bleiben will.

10 Gedanken zu „Homosexualität: Widerspruch aus Loyalität“

  1. »[Homosexuelle Handlungen] entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit«

    Sehr schön. Diese Figur ist für mich der umgekehrte naturalistische Fehlschluss. Statt aus einem Sein ein Sollen abzuleiten, wird das Sollen zum Sein.

    Ansonsten vielen Dank für Deinen Blog allgemein und diesen Post besonders. Erfrischend mal eine andere Perspektive auf die katholische Weltanschauung zu erhalten als die, die im Fernsehen und in den Zeitungen vorherrscht. Schade, dass liberalere Stimmen, wie jetzt auch zaghaft von Herrn Schockenhoff, sonst viel zu kurz kommen.

  2. Die homosexuelle Liebe mündet nun mal nicht in neuen Schäfchen. Einzig deswegen wird es unter Ratzinger keinen Wandel in der katholischen Kirche geben, denn ihr oberster Zweck ist Machterhalt und -Vermehrung.

  3. Ich finde das auch einen Schritt in die richtige Richtung, wenn er auch nicht weit genug geht. Aber eine Frage hätte ich da noch: Du schreibst: “[…]Auf einen hervorragenden ersten Teil zum Thema Empfängnisverhütung[…]” und weiter “Der erste Teil war hervorragend humanwissenschaftlich grundiert, die biologischen Grundlagen der Fortpflanzung wurden differenziert diskutiert, um darauf dann moraltheologische Argumente aufzubauen.”

    Mir ist daraus das Ergebnis der Diskussion nicht ganz klar geworden, es sei denn es handle sich um den allgemein bekannten Standpunkt der (katholischen) Kirche zum Thema Verhütung. Wenn das tatsächlich so sein sollte frage ich mich wie man so etwas “moraltheologisch” begründen kann. Ist Masturbation dann etwa auch etwas “schlechtes” ?

    1. Die Vorlesung ist schon eine Weile her und ich habe außer der Gliederung und der Literaturliste keine Mitschriften, daher kann ich nicht den Anspruch erheben, die im Detail wiederzugeben.

      Schon als Humanae Vitae (die »Pillenenzyklika«, mit der das kategorische Verhütungsverbot fortgeschrieben wurde) beraten wurde, gab es Stimmen gegen die Position, jede Art von »künstlicher« Verhütung zu verbieten, während etwa »natürliche Familienplanung« erlaubt sei. (Das war auch die Mehrheitsmeinung der eingesetzten vatikanischen Studienkommission, und es scheint mir auch theologischer Konsens – wenn auch gegen die Lehrmeinung – zu sein, daß alle nicht-abortive Verhütungsmethoden im wesentlichen gleich zu bewerten sind.)

      Auf der Basis dieser Kritik hat Schockenhoff diskutiert, ob tatsächlich jede Form von Verhütung abzulehnen sei; dazu hat er die einzelnen Methoden auseinandergenommen. (Die Funktionsweise von Kondomen kann man ja noch nachvollziehen, die verschiedenen Arten der Pille sind da schon schwieriger zu verstehen.) Seine Position war im wesentlichen: Verhütung muß man von Abtreibung unterscheiden. Verhütungsmethoden, die vor einer Verschmelzung von Samen und Ei ansetzen, sind also anders zu bewerten als solche, die danach ansetzen. Die Unterscheidung zwischen erlaubten Methoden der »natürlichen« Familienplanung (etwa Temperatur- oder Kalendermethode) und verbotenen »künstlichen« Verhütungsmethoden ist selbst ziemlich künstlich und leuchtet nicht ein.

      Im nächsten Schritt wurde dann gefragt, was das im Kontext einer Ehetheologie heißt: Das generelle Verhütungsverbot würde dazu führen, daß das moralische Gelingen oder Scheitern an einem einzigen Akt hängt: Selbst wenn die Ehe gut katholisch offen für Kinder ist, wird über sie generell ein Unwerturteil gefällt, wenn etwa die Familienplanung abgeschlossen ist und dann »künstlich« verhütet wird; verbunden mit der aus einem falschen Verständnis von »Natur« gespeisten Unterscheidung zwischen »künstlicher« und »natürlicher« Methode wird das dann vollends absurd.

      Über Masturbation wurde nicht gesprochen. Zurecht. Etwas so offensichtlich harmloses fände ich, wäre ich Ethiker oder Moraltheologe, auch ziemlich langweilig als Forschungsgegenstand.

      1. Danke Felix für die ausführliche Antwort. Ja diese Positionen erscheinen mir einleuchtend, auch wenn ich selbst sogar Abtreibung als zulässig erachte. Freut mich zu hören, dass es auch in der katholischen Kirche differenzierte Positionen gibt 🙂

  4. Schockenhoff hat sich ja bereits unlängst, etwa im SWR3-Nachtcafé, ähnlich geäußert (allerdings in etwas unglücklicher Lage zwischen einem illiberalen Katholiken, Jürgen Liminski, einem illiberalen Atheisten, Beda Stadler, und einem Moderator, Wieland Backes, dem es ohnehin zuwider ist, seine Gäste ausreden zu lassen): In Sachen Homosexualität sei bei der katholischen Kirche noch nicht das letzte Wort gesprochen.
    Allerdings sollte man ehrlicher Weise sagen, dass etwa die Anerkennung des Wertes auf Treue und Liebe basierender homosexueller Partnerschaften auch in der Logik Schockenhoffs keiner Gleichstellung mit der sakramentalen Ehe gleichkommt. Es liefe doch darauf hinaus jenseits der katholischerseits zum Ideal stilisierten heterosexuellen, ehelichen, nicht auf Lustgewinn, dafür aber auf Fortpflanzung ausgerichteten und also nicht verhütend praktizierten Sexualität eine etwas differenzierte Sicht auf die Vielfalt menschlicher Sexualität zu entwickeln, als sie gegenwärtig vertreten wird. Möglicherweise würde man auch von diesem dumpfen Fortpflanzungs-Naturalismus weg kommen, den man bisher praktiziert (und der einem naturalistischen Evolutionsbiologen besser zu Gesicht stünde als der Kirche). Von einem Einerlei ist man aber auch dann noch – glücklicherweise – weit entfernt.

    1. Zunächst muß ich die katholische Lehre doch ein wenig in Schutz nehmen: Sexualität darf natürlich lustvoll sein, und sie soll es auch. Daß Sex als notwendiges Übel gesehen wird, ist zwar in der Tradition oft vertreten worden: Für Augustinus wurde der an sich problematische Akt erst durch die Hinordnung zur Zeugung moralisch tragbar, und diese Lehre hat sich sehr lange gehalten. Aber schon Alfons von Liguori hat im 18. Jahrhundert festgestellt, daß Sex in der Ehe in sich »gut und ehrbar« ist. Allerspätestens mit Johannes Pauls II. »Theologie des Leibes« (aber auch schon mit »Humanae Vitae«) sollte das theologischer Konsens sein.

      Ich sehe es genau wie Du so, daß die kirchliche Lehre extrem verengt. Ammicht Quinn (oben schon zitiert) hält an den Prinzipien christlicher Morallehre fest, unterzieht sie aber einer Relecture und einer differenzierten Sicht. Sie nimmt als Maßstäbe Ganzheitlichkeit, Endgültigkeit und Fruchtbarkeit, und füllt diese Begriffe so:

      Sexualität kann dort gelingen, […] wo sie ganzheitlich gelebt wird, wo sie nicht abgespalten wird in Teilbereiche des Menschseins, des Rollenrepertoirs. Sexualität kann dort gelingen, wo Endgültigkeit zu ihr gehört, wo sie nicht vorläufig gelebt wird – solange, bis die Einsamkeit vorbei ist, […] solange, bis ein Besserer oder eine Bessere vorbeikommt. […] Endgültigkeit ist keine dem Menschen verfügbare Kategorie und verweist darum auf die Notwendigkeit , mit Scheitern umzugehen und auch ein Ethos des Scheiterns zu entwickeln. Und Sexualität kann da gelingen, wo sie fruchtbar ist – im eigentlichen Sinn und Glück eines Lebens mit Kindern, aber genauso im übertragenen Sinn; Sexualität ist dort fruchtbar, wo sie nicht eigensüchtig ist, wo sie Menschen nicht gegen die Welt abschottet, sondern wo die Energie der Liebesbeziehung fruchtbar gemacht wird für die Welt.

      Diese Perspektive halte ich für sehr tragbar. (Ich jedenfalls würde das zur Maxime meiner Sexualerziehung machen, hätte ich Kinder.) Und diese Perspektive scheint mir auch ein Weg zu sein, um die Liebe von Homosexuellen auch als sakramental zu erkennen.

  5. Männerliebe war in der Kirche noch nie ein Problem. Aber genauso wie zwischen Mann und Frau, wird der Sexualakt vorgeschrieben/verboten, nämlich die anale Penetration. Frauen als penetrierte Wesen und Homosexuelle als “penetrierbare” Wesen, dürfen beide nicht vor den Altar/das Angesicht Gottes treten…
    Dabei verkennt die Kirche die Rolle der Prostata als passives Lustorgan des Mannes ebenso, wie sie beim Onan verschwiegen hat, dass der Beitrag der Frau zur Zeugung ebenso wichtig ist, wie das Sperma eines Mannes…
    Ein Gott weiss um diese Zusammenhänge, wieso verschweigt es eine Kirche, die historisch eine Männerorganisation ist?

    1. Das Sexualitätsverständnis im Mittelalter beschreibt Ruth Mazo Karras in ihrer Studie Sexualität im Mittelalter; in der Tat war eine Fokussierung auf Penetration und eine Unterscheidung in aktiv und passiv Kern der Interpretation des Sexuellen.

      Daß Männerliebe nie ein Problem gewesen sei, ist allerdings auch eine Verkürzung, ebenso wie ein behauptetes Verschweigen von Prostata und der Rolle der Frau in der Fortpflanzung. Um das ganze von hinten aufzurollen:

      Bis ins 18. Jahrhundert war es kein allgemeines Wissen, daß zur Fortpflanzung Samen und Eizelle gehören; herrschende Meinung war die Theorie von den Homunculi im Sperma: Daß das Sperma also bereits den Menschen enthalte und in der Frau nur noch aufwachse. Mit dieser Ansicht war es folgerichtig, daß Coitus interruptus und Masturbation moralisch mit Abtreibung gleichgesetzt wurde. Alfons von Liguori hat aus dieser neuen humanwissenschaftliche Erkenntnis den moralischen Schluß gezogen, daß diese Gleichsetzung unzulässig ist. Vorher konnte also auch nichts in Bezug auf Onan verschwiegen werden. (Ob die Pointe der Onan-Geschichte – Gen 38, 8–10 – tatsächlich das Verbot von Masturbation oder Coitus interruptus ist, ist umstritten. Viel näher liegt es, die Strafe Gottes auf Onans Weigerung, die Leviratsehe zu vollziehen zu beziehen – und nicht auf die Methode, wie er das getan hat: Sonst wäre die Methode doch wohl etwas genauer beschrieben worden.)

      Über die Bekanntheit der Prostata als erogene Zone weiß ich wenig; mir scheint das im westlichen Kulturkreis ein eher neues Phänomen zu sein. In der Tat scheint es aber aus heutiger Perspektive als eine sehr verkürzte Sicht von Sexualität, wenn man so lange Lust und Erregung in der Bewertung ausgeblendet oder einfach nur negativ bewertet hat.

      Einfach ahistorisch »Männerliebe« als auch sozial akzeptiertes Phänomen in die Diskussion einzuführen, verkennt, daß unser neuzeitlicher Erkenntnishorizont nicht in allen Zeiten vorausgesetzt werden darf. Daß es überhaupt so etwas wie sexuelle Orientierungen gibt, ist eine relativ neue Erkenntnis. Sexualität zwischen Mann und Frau wurde als normal angesehen, alles andere als Abweichung von der Schöpfungsordnung. Es fehlte schlicht die Erkenntnis darüber, daß homosexuelle Akte nicht bloß eine frei gewählte Abweichung von der Norm waren, sondern in der Natur der jeweiligen Menschen liegen. Wo Ehe und Liebe nicht notwendig zusammengehörten (weil Ehen von den Familien arrangiert wurden) war das Problem auch nicht so virulent: Wenn die Ehe ohnehin aus (lästiger) Pflicht besteht, Liebe aber in Minne und schmachtenden Briefen (durchaus auch unter Männern, wie Karras schreibt) ausgedrückt wird, liegt ein Verständnis für das Konzept sexuelle Orientierung nicht auf der Hand.

      Kurz: Das Problem ist weniger Böswilligkeit einer Männerkirche. Das Problem verorte ich mit Thomas von Aquin (wenn ich mich recht erinnere in der Summa contra gentiles, wo er schreibt, das aus einer falschen Vorstellung von der Natur eine falsche Vorstellung von Gott folgt) eher in einer unzureichenden Rezeption humanwissenschaftlicher Forschung, sicherlich auch in der Hochschätzung der Tradition mit angelegt: Wenn erst im 18. Jahrhundert Fortpflanzung korrekt verstanden wird, wenn erst im 19. Jahrhundert die Existenz sexueller Orientierung erkannt wird, gibt es eine reiche Tradition an moraltheologischem Erkenntnisstand, der auf einem falsifizierten humanwissenschaftlichen beruht.

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