Nochmal Realpolitik

Mit dem Thema Realpolitik habe ich mich in den letzten Wochen in einigen Bereichen beschäftigt, auch hier im Blog – in ganz anderem Kontext, nämlich im Migrazine mit dem Titelthema Critical Whiteness habe ich dazu dieses schöne Zitat gefunden zu Realpolitik und Bündnisfähigkeit:

Ich habe viele linke Aktivist_innen erlebt, die einfach nicht in der Lage sind, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die nicht exakt ihre politischen Positionen teilen – sie erkennen nicht, wie ihre eigene ansozialisierte Verortung (inklusive race) ihre politische Position von Vornherein formt.

Außerdem scheinen viele Linke enttäuscht zu sein, wenn sich andere Gemeinschaften nicht der Radikalität ihrer Positionen anpassen. Sie sehen nicht, dass sie als privilegierte Menschen oft nicht um das Gewinnen kämpfen müssen, da sie es sich leisten können zu verlieren. Es mag einfacher sein, Strategien für allmähliche konkrete Veränderungen in der Realpolitik als “reformistisch” zu bezeichnen, wenn dein Überleben nicht von Veränderungen von Politik und Gesetzen abhängt, und du mit radikalen Positionen weniger riskierst als Menschen of color. All dies macht es schwieriger, Beziehungen aufzubauen, und Weiße bleiben isoliert in ihren Gemeinschaften.

Gilt natürlich nicht nur für Linke, und gilt besonders für Netzpolitik.

Bündnisnetzpolitik

pd
Gordon Browne (1858-1932), The Encounter, gemeinfrei

Für Carta habe ich einen Artikel über das hier ausführlich vorgestellte ZdK-Netzpolitik-Papier geschrieben: Netzpolitik auf katholisch · Hintergründe zum ZdK-Papier; am Schluß geht es auch um eine Perspektive für die Netzpolitik:

Das Positionspapier sehe ich vor allem als Chance für den sehr in Grabenkämpfen gefangenen netzpolitischen Diskurs. Die netzpolitische Bewegung ist in vielem ein Scheinriese: innerhalb der eigenen Filterblase wichtig und relevant, darüber hinaus marginalisiert, da wenig für Real- und Bündnispolitik zu begeistern. […] Im politischen Diskurs und besonders in den Koalitionsverhandlungen wird das Papier aber hoffentlich zur Kenntnis genommen und dazu beitragen, konservative Netzpolitik in eine bessere Richtung zu bewegen – und in der netzpolitischen Szene, den Blick zu weiten.

Diese Kritik an der netzpolitischen Szene und ihrer fehlenden Bündnisfähigkeit ist nichts neues (in meinem oben verlinkten Artikel nach der Re:publica habe ich das schon so geschrieben. Dazu paßt ganz gut aus der anderen politischen Ecke der Artikel »Aber bitte keine Extremisten. Beobachtungen zum Verhältnis von Netzbewegung und außerparlamentarischer Linken« von John F. Nebel in der aktuellen Analyse und Kritik. Darin heißt es:

Sowohl Netzbewegung als auch Linke erkennen ihr Gegenüber nicht als heterogenen politischen Player und verpassen damit zahlreiche Anknüpfungspunkte für gemeinsame politische Arbeit. Diese politische Arbeit ist bitter nötig, da die Anzahl der Menschen, die in diesem Land für Grund- und Freiheitsrechte einstehen, erschreckend gering ist, wie das allgemeine Schulterzucken auf die Snowden-Enthüllungen gezeigt hat.

Das trifft so natürlich auch auf das liberale Lager und die netzpolitisch Progressiven in den Unionsparteien zu. Netzpolitik braucht mehr Pragmatismus (das heißt nicht ohnehin illusorische »Ideologiefreiheit«, sondern Kompromiß- und Bündnisfähigkeit) und Realpolitik.

Re:alnetzpolitik

Es gab noch andere Leitthemen der re:publica, neben den Kindern (und überhaupt sind diese gefühlten Leitthemen ja alle sehr subjektiv bei diesem enormen Programm). Die Frage, wie es strategisch mit Netzpolitik weitergeht, und Kirchentagsvergleiche. Beides läßt sich auch zusammenbringen: Die Netzpolitik kann von Kirchentagen dazulernen.
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