Mein Artikel über die Debatte zur richtigen Rolle eines zurückgetretenen Papstes, der heute bei katholisch.de Aufmacher ist, ist ohnehin zu lang – ein interessantes Rechercheergebnis ist dort daher nur angedeutet. Im Wikipedia-Artikel zu Altbischöfen bin ich auf diese Passage gestoßen, leider unbelegt:
Der erste Bischof, der offiziell als Altbischof bezeichnet wurde, war der damalige Passauer Oberhirte Simon Konrad Landersdorfer nach seinem altersbedingten Rücktritt 1968.
Ist das so? Ich bin dem auf die Spur gegangen.
Der Eintrag zu Bischof Landersdorfer auf catholic-hierarchy.org sieht interessant aus: 1968 als Bischof von Passau zurückgetreten, gleichzeitig Titularbischof von Ulcinium. 1970 Rücktritt von seinem Titularbistum, gestorben 1971 als Emeritus von Passau. (Über den Macher von catholic-hierarchy.org habe ich diese Woche auch ein Stück geschrieben und ihn zusammen mit zwei anderen Nerds, die online private Rechercheinfrastruktur zur Verfügung stellen, porträtiert.)
Nach meinen Informationen verfügte Papst Paul VI. 1970 die Regel, daß zurückgetretene Bischöfe als Emeriti ihres Bistums bezeichnet werden und kein Titularbistum zugewiesen bekommen.
Freundlicherweise hat die Pressestelle des Bistums Passau für mich ins Archiv schauen lassen; ob Landersdorfer tatsächlich der erste Emeritus überhaupt war, konnte nicht ermittelt werden – dafür aber interessante Details aus einer Übergangszeit. Bereits am 24. September 1968, ein Monat vor der Annahme des Rücktritts, teilte Monsignore Granito Tavanti, der in Abwesenheit des Apostolischen Nuntius die Geschäfte führte, Landersdorfer mit, daß er den Titel »quondam Episcopus« (Altbischof, einstiger Bischof) führen dürfe, so wie Erzbischof Jean-Julien Weber von Straßburg, der 1966 zurückgetreten war (und dessen Eintrag in catholic-hierarchy.org kein Titularbistum aufführt).
Am 8. Oktober dann schrieb Kardinal Julius Döpfner (als Erzbischof von München und Freising Metropolit der Kirchenprovinz, zu der auch Passau gehört), er freue sich, daß Landersdorfer kein Titularbistum erhalten müsse und daß er hoffe, daß das Schule machen werde. Kurios ist dann, daß Bischof Landersdorfer laut Archiv erst 1969 erfährt, daß er doch ein Titularbistum hat – »allerdings als bloße Formalität ›wegen der Register‹«, schreibt das Archiv. 1970 dann (wohl nach der Einführung des regulären Emeritus-Status durch Paul VI.) tritt Bischof Landersdorfer von seinem Titularbistum zurück.
Ob die Wikipedia-Angabe tatsächlich ganz zutreffend ist, konnte ich leider noch nicht herausfinden – die Richtung stimmt aber.
Nachtrag, 5. Mai 2020: Der emeritierte Papst Benedikt XVI. erinnert sich in seinem Interview mit Peter Seewald an Landersdorfer, und zwar als denjenigen, der die Idee zum Emeritus-Status hatte: »Die Lösung hat meines Wissens der damalige Bischof von Passau Simon Konrad Landersdorfer gefunden, der ein sehr energischer und gelehrter Mann gewesen ist. Er sagte, er wolle nach seinem wirklichen Bischofssitz keinen fiktiven bekommen. Es müsse doch genügen, dass er ›emerito‹ von Passau war.« (Peter Seewald: Benedikt XVI. Ein Leben, München 2020, S. 1238.)