»Schlüsselkinder – ein Drama.«

Erster Akt. Exposition. Unser Kellerschlüssel paßt auch ins Haustürschloß. Bzw. umgekehrt. Nun hängt links über der Kellertür eben so ein Schlüssel, damit man vom Keller immer schnell in den Garten kann. (Nicht jedoch umgekehrt; er hängt ja innen.)

Vor wenigen Wochen war dieser Schlüssel plötzlich weg und wilde Spekulationen brachen aus: Meine Schwester? Oder doch eher meine Oma? Oder gar ich?

Zweiter Akt. Erregendes Moment. Konflikt.Nun war es so, daß ihn (ich nehme das vorweg) meine Schwester hatte. Sie leugnete das (Zitat: »Das ist jetzt überhaupt kein Thema, ich will nur mein Geld holen.«), obgleich meine Oma den Schlüssel in ihrem Zimmer gesehen haben wollte (Wie der da hinkomme. »Den hat Felix bestimmt reingelegt.«). Nun ging meine Schwester ins Landschulheim, meine Oma hatte keine Ruhe und fand den Schlüssel in meiner Schwester Bett, und schließlich wurde ich auch noch involviert und sollte ihn – mittlerweile hinter dem Bett – hervorholen.

Jetzt was tun: riskieren, daß keiner den Fund glaubt? (Zwischenfrage: bin ich kein glaubwürdiger Zeuge?) Nein. Also: kunstvolles Deponieren unter der Bettdecke.

Dritter Akt. Klimax. Peripetie. Wenig später finden meine Eltern den Schlüssel ebenfalls. Was tun? Man handelt salomonisch, hängt den Schlüssel einfach zurück an seinen Platz und harret der Dinge, die da kommen. Erfolg: meine Oma glaubt an Hexenwerk, ist aufgeregt (man erinnere sich: dritter Akt, Klimax) und wird schließlich aufgeklärt.

Vierter Akt. Retardierendes Moment. Spannend wird es erst wieder, sobald meine Schwester aus dem Landschulheim zurück ist und ihr vehementes Leugnen und den tatsächlichen Hergang erleutern kann.

Man wird sehen.

»Deutschnationale Possen«

Jetzt ist sie also vorbei, die Fußballweltmeisterschaft. Nicht vorbei ist die neue Selbstverständlichkeit, mit der die deutsche Fahne überall herumgetragen wird. Ich gebe es ja zu: als ich in Berlin vor dem Reichstag stand und im Wind die großen Fahnen majestätisch wehten, fand ich das auch ziemlich erhebend.

Lächerlich dagegen, was jetzt passiert:

Ich hatte letzte Woche mit meinen Gruppenkindern vor, ein ziemlich großes Bild für die Gruppenraumwand zu malen. Als wir das geplant hatten, war das Finale noch in weiter Ferne und ich rechnete fest mit einem Ausscheiden Deutschlands. Frühzeitigst.

Nix war.

Also hat meine Gruppenkinder – allesamt Mädels, man höre und staune! – plötzlich der nationalistische Furor gepackt und ich habe ein prima 140 auf 110 großes Wandbild mit großer deutscher Fahne und einem euphorischen »Deutschland!!!« (sic!) im Gruppenraum liegen, das ich als aufgeklärter linksliberaler Kritiker eines neunzehntjahrhundrigen Nationalstolzes (cf. Guido »I’m proud to be a German« W.), gelinde gesagt, scheiße fand. Nun suche ich verzweifelt nach einer Möglichkeit, dieses Machwerk, das obendrein mit einem »Bro’sis«-Schriftzug geschmückt ist, zu entfernen, ohne meine Gruppenkinder zu düpieren und goutiere derweil Slimes Epos »Deutschland muß sterben«. Ich werde wohl anmerken, daß es eigentlich schade wäre, die »Mein schönstes Ferienerlebnis«-Plakate der Mittwochsgruppe abzuhängen.

Wo sonst noch überall schwarz-rot-gold prangt: darüber Schweigen.