Jugendschutz statt Verbotspolitik

Anscheinend als Reaktion auf meinen Artikel zur Drogenfreigabe wurde auf formspring.me die Frage gestellt, wie ich das Jugendschutzgesetz ändern würde. Lösungen habe ich keine. Aber ich sehe einiges, was falsch läuft.

Als Kernprobleme sehe ich einen übertriebenen Glauben an Regulierbarkeit, zu viel Symbolpolitik und ein veraltetes Medienverständnis.
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Schnapsidee Alkoholverbot

Mittlerweile haben wir hier in Baden-Württemberg das Nachtalkoholverkaufsverbot für Tankstellen, das zum Exportschlager zu werden droht. Zum Schutz der Jugend vor Komasaufen und Alkoholexzessen, versteht sich. Tatsächlich ist es hauptsächlich Klientelpolitik für Gaststätten – und dennoch: Die Rhetorik vom Jugendschutz zieht. Und daran zeigt sich einiges darüber, was falsch läuft in der Politik.
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Jugendschutz, Familie und Paternalismus

Kann man seinen Willen nicht direkt anderen aufzwingen, weil die Einmischung in anderer Leute Angelegenheiten gar zu unverfroren wirkt, gibt es ein Patentrezept: Die Familie und ihr Schutz. Ein besonders apartes Beispiel gab es vor 30 Jahren im Spiegel zu bewundern anläßlich der Diskussion um die Genehmigung von Privatfernsehen:

Justizminister Vogel hat eine mögliche Verfassungsänderung schon vorbedacht. Seiner Ansicht nach ist die nach Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Informationsfreiheit “eingeschränkt” durch den Artikel 6, der die Familie schützt. Vogel: “Wir können doch nicht zulassen, daß durch Informationsüberflutung die Privatheit der Familie zerstört wird.” (Der Spiegel 40/1979 vom 1. 10. 1979, Seite 21, via Holgi)

Diese Argumentation ist freilich besonders perfide: Um die Privatheit der Familie zu schützen, mischt man sich in ihre Angelegenheit ein.
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Schule auf Taufschein

Der SPon-Artikel Staatliche Bekenntnisschulen: Andersgläubige müssen draußen bleiben zieht weite Kreise. Die Reaktionen sind einhellig entsetzt. Zurecht: Früher war dafür der Streit zwischen Kirche und Staat um die Oberhoheit über die Erziehung verantwortlich, heute hält man so Migranten aus den Klassen.
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Sorgerecht: Eltern vs. Staat

Laura Dekker, 13, will allein den Atlantik überqueren. Ihre Eltern wollen ihr das erlauben, der niederländische Staat in Gestalt u.a. des Utrechter Familiengerichts nicht. Dekkers Eltern wurde partiell das Sorgerecht entzogen, sie wird zwei Monate amtspsychologisch beobachtet, ob sie reif genug für ihr Vorhaben ist.

Heribert Prantl kommentiert das in der Süddeutschen: »Kinder brauchen Abenteuer«, aber bitte nicht dieses, das die Eltern vernünftigerweise zu verbieten hätten, im übrigen sorgt sich der Staat nur um das Kindeswohl – durchaus nachvollziehbar.

Prantl betont, daß er den Staat nicht an die Stelle der Eltern setzen will und plädiert für staatliche Eingriffe ins Sorgerecht mit Augenmaß und nur im äußersten Fall. Ein Satz paßt da aber nicht recht dazu:

Das Elternrecht, wie es in den Verfassungen fast aller Staaten garantiert wird, beruht auf dem Grundsatz, dass in aller Regel den Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution.

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Gebärmaschinen

Eurostat meldet Geburtenzahlen. Deutschland schneidet nicht so gut ab, wie Ursula von der Leyen das gerne behauptet. (Etwas viel Pech in letzter Zeit mit Zahlen und Fakten.)

Wozu überhaupt eine Steigerung der Geburtenrate? Wir haben doch weiß Gott genug Menschen auf der Welt. Unser Volk stirbt aus? Deutschland wird überfremdet? Beides reichlich alarmistische Argumente, die man zwar auch wunderbar politisch nutzen kann (»Kinder statt Inder«), die aber nicht den Kern treffen. Der Kern: Kinder kriegen fürs Sozialsystem. Rente im Umlageverfahren braucht Kinder.

Das ist pervers: Sind es aus freiheitlicher Sicht schon die völkischen Argumente, weil sie Kollektive (die noch dazu reichlich kontingent sind) als Zweck und Ziel setzen, ist das rundweg menschenverachtend: Kinder nicht (wie jeder Mensch) als Zweck an sich, sondern instrumentalisiert für ein defektes politisches System. (»Strukturen der Sünde« heißt das in der Befreiungstheologie, wenn ein System die Instrumentalisierung von Menschen nicht nur begünstigt, sondern erzwingt.)

Traurig, daß eine Partei, die behauptet, christlich zu sein, die Verzweckung von Kindern zum Leitmotiv ihrer Kinder- und Familienpolitik macht. (Die populistische Internetsperrkampagne folgt natürlich ebenso diesem Muster.)

(Und ebenso natürlich: Die sich noch christlicher gerierenden Alarmisten (via Gay West) spießen nicht das auf, sondern nutzen es als eine willkommene Gelegenheit, ihre feuchten Tugendterrorträume zum n+1ten Mal aufzukochen.)

»Schlüsselkinder – ein Drama.«

Erster Akt. Exposition. Unser Kellerschlüssel paßt auch ins Haustürschloß. Bzw. umgekehrt. Nun hängt links über der Kellertür eben so ein Schlüssel, damit man vom Keller immer schnell in den Garten kann. (Nicht jedoch umgekehrt; er hängt ja innen.)

Vor wenigen Wochen war dieser Schlüssel plötzlich weg und wilde Spekulationen brachen aus: Meine Schwester? Oder doch eher meine Oma? Oder gar ich?

Zweiter Akt. Erregendes Moment. Konflikt.Nun war es so, daß ihn (ich nehme das vorweg) meine Schwester hatte. Sie leugnete das (Zitat: »Das ist jetzt überhaupt kein Thema, ich will nur mein Geld holen.«), obgleich meine Oma den Schlüssel in ihrem Zimmer gesehen haben wollte (Wie der da hinkomme. »Den hat Felix bestimmt reingelegt.«). Nun ging meine Schwester ins Landschulheim, meine Oma hatte keine Ruhe und fand den Schlüssel in meiner Schwester Bett, und schließlich wurde ich auch noch involviert und sollte ihn – mittlerweile hinter dem Bett – hervorholen.

Jetzt was tun: riskieren, daß keiner den Fund glaubt? (Zwischenfrage: bin ich kein glaubwürdiger Zeuge?) Nein. Also: kunstvolles Deponieren unter der Bettdecke.

Dritter Akt. Klimax. Peripetie. Wenig später finden meine Eltern den Schlüssel ebenfalls. Was tun? Man handelt salomonisch, hängt den Schlüssel einfach zurück an seinen Platz und harret der Dinge, die da kommen. Erfolg: meine Oma glaubt an Hexenwerk, ist aufgeregt (man erinnere sich: dritter Akt, Klimax) und wird schließlich aufgeklärt.

Vierter Akt. Retardierendes Moment. Spannend wird es erst wieder, sobald meine Schwester aus dem Landschulheim zurück ist und ihr vehementes Leugnen und den tatsächlichen Hergang erleutern kann.

Man wird sehen.