Der SPon-Artikel Staatliche Bekenntnisschulen: Andersgläubige müssen draußen bleiben zieht weite Kreise. Die Reaktionen sind einhellig entsetzt. Zurecht: Früher war dafür der Streit zwischen Kirche und Staat um die Oberhoheit über die Erziehung verantwortlich, heute hält man so Migranten aus den Klassen.
Die theologische Argumentation für eine Bekenntnisschule ist deutlich antimodernistisch; erst mit der Weimarer Reichsverfassung wurde das Schulwesen wirklich säkularisiert (auch wenn es vorher schon solche Bestrebungen gab), die Gemeinschaftsschule Regelschule. Der Corpus Iuris Canonici von 1917 legte in Canon 1374 fest, daß katholische Schüler keine gemischten oder neutralen Schulen besuchen dürfen. Die theologische Begründung dazu findet sich etwa in der Enzyklika Divini illius magistri von 1929. Die Kirche trägt Sorge für das Seelenheil, legt also die Grundsätze der Erziehung als Teil des Heilsdienstes fest. Die Eltern, deren Erziehungsrecht naturrechtliche begründet ist, haben sich also an die kirchlichen Gebote zu halten. Die Kirche und die Eltern haben Vorrang vor dem Staat, der Staat hat nur subsidiär Erziehungsaufgaben wahrzunehmen. Wesentlich geändert wurde diese Lehre erst mit dem Konzilsdokument Gravissimum Educationis, das die Erziehungsaufgabe von der Würde des Kindes und seinem Recht auf Erziehung her begründet. Auch dort ist noch das Ideal einer christlichen Schulbildung zu finden, das aber dadurch gesichert werden soll, daß den Eltern eine freie Schulwahl ermöglicht werden soll.
Mir ist es unverständlich, warum heute noch die Kirche auf den staatlichen Bekenntnisschulen (so etwa im Bistum Münster) beharrt. Natürlich hat man sich in Niedersachsen mit dem Konkordat ein Bein gestellt, da dort die Eltern mit Zwei-Drittel-Mehrheit entscheiden müssen, daß eine Bekenntnisschule aufgehoben wird. Konkordate kann man aber ändern.
Die Situtation, daß es staatliche Bekenntnisschulen gibt, die zur Ghettobildung an den staatlichen Restschulen führen, halte ich für unerträglich: Was ist das für ein Zeugnis der Kirche, wenn sie konfessionelle Reinheit über die Option für die Armen stellt? Was heißt das für ihr ansonsten sehr deutliches Plädoyer für die Religionsfreiheit, wenn die Kirche sich selbst solche Monopole einrichtet? Und schließlich: Was ist das für ein katholisches Schulwesen, das sich in einem heterogenen Wohlfühlklima einigelt? Wenn die Bekenntnisschule nicht einmal mehr aus religiösen Gründen gewählt wird, sondern wegen ihres geringen Anteils an Ausländern – gilt für sie dann noch das, was Gravissimum Educationis für einen Maßstab anlegt?
Ihre [der kath. Schule] besondere Aufgabe aber ist es, einen Lebensraum zu schaffen, in dem der Geist der Freiheit und der Liebe des Evangeliums lebendig ist. Sie hilft dem jungen Menschen, seine Persönlichkeit zu entfalten und zugleich der neuen Schöpfung nach zu wachsen, die er durch die Taufe geworden ist. […] So erzieht die katholische Schule, indem sie sich den Anforderungen der Zeit gebührend aufschließt, ihre Schüler dazu, das Wohl der irdischen Gemeinschaft wirksam zu fördern, und bereitet sie zum Dienst an der Ausbreitung des Reiches Gottes, damit sie in einem vorbildhaften und apostolischen Leben gleichsam zum Sauerteig des Heils für die menschliche Gemeinschaft werden. (GE 8)
Gravissimum Educationis hat auch ein anderes Bild als die staatliche Bekenntnisschule: Dort wurde ein freies Schulwesen propagiert, das durch verschiedene Schulträger pluralistisch aufgestellt ist. In ihrem Plädoyer für einen Wettbewerb der Schulen, der sich daran mißt, ob die Eltern ihre Kinder gut in der Schule aufgehoben wissen, ist die Kirche zur Abwechslung sogar liberal.
Auch wenn GE noch das Ideal einer katholischen Schule hochhält – es werden auch katholische Schulen erwähnt, die sich an nichtkatholische Schüler richten. (GE 9) Gerade da scheint mir in der heutigen Zeit die Kirche am nötigsten. (Aus dieser Perspektive ist es auch unverständlich, daß es so wenige freie katholische Hauptschulen gibt.) Und in der Tat: Gerade die katholischen Schulen in freier Trägerschaft leisten viel: Wie ein wirklich christlich verantwortetes Schulwesen aussehen kann, zeigen etwa die Jesuiten mit ihrem Loyola-Gymnasium im Kosovo, wo auch muslimische Schüler aufgenommen werden und insbesondere Mädchen gefördert werden.
So kann’s doch auch gehen. Dann wird auch die Presse besser.