Unser Dorf soll schöner werden.

Winfried Kretschmann sorgt sich um die öffentliche Ordnung. Es ist harmlos formuliert: Es geht um Alkoholmissbrauch und -Exzesse, um Ruhestörung und Pöbelei im öffentlichen Raum – das kann ja keins ernsthaft befürworten. Kretschmann will dafür eine Rechtsgrundlage, »die es den Kommunen ermöglichen würde, zeitlich und örtlich beschränkt ein Alkoholverbot zu erlassen« (Stuttgarter Zeitung). Bereits jetzt gibt es genügend rechtliche Handhabe gegen Ruhestörungen, gegen Gewalt, Nötigung und Sachbeschädigung sowieso. Ein Gesetz, wie es von Kretschmann gewollt ist, braucht es allein dafür nicht zusätzlich.

Unter dem Deckmalntel der öffentlichen Ordnung geht es (wie so oft) um eine Öffentlichkeit, die um Störelemente bereinigt ist. Es geht um den Ausschluß von Leuten aus dem öffentlichen Raum, die lieber nicht gesehen werden sollen. Solche Gesetze gehen nie gegen die wohlanständige Mitte der Gesellschaft. Von einem (zeitweisen) Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen wären nicht Weihnachtsmärkte und Schützenfeste betroffen, wo sich anständige Leute die Kante geben (auch wenn dort theoretisch solche Verbote ausgesprochen werden könnten) – so wie vom (schwarz-gelben) Alkoholverkaufsverbot ab 22 Uhr in Baden-Württemberg auch nicht die Stammtische und der Grappa in der Pizzeria betroffen sind. Der gepflegte Alkoholexzeß ist in Institutionen der bürgerlichen Mitte völlig akzeptiert und unsanktioniert. (Ich selber habe mit Kretschmann – mit dem ich in ein, zwei Gremien sitze – eben das ein-, zweimal abends praktiziert, vor seiner MP-Zeit.) Aber Jugendliche, Obdachlose, Leute, die sich keine Kneipen leisten können, Leute, die Innenstadtplätze auch außerhalb der Gastronomie sozial nutzen wollen – die sollen bitte weg. Unser Dorf soll schöner werden. Auch wenn’s eine Großstadt ist.

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Wo Sittlichkeit in Recht überschwappt

Staatlichkeit hat mit Ordnung zu tun; Recht und Gesetz sollen das Zusammenleben ordnen und Freiheit sichern. Falsch verstanden führt das dazu, daß private Sittlichkeit ins Recht überschwappt und eine Zwangsordnung die Freiheit beschneidet. Besonders gefährdet sind alle Formen von Freiheitsausübung, die »unsittlich«, maßlos, animalisch und körperlich scheinen. Früher regelte man am liebsten im Schlafzimmer. Heute geht es gegen Alkohol.
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Schnapsidee Alkoholverbot

Mittlerweile haben wir hier in Baden-Württemberg das Nachtalkoholverkaufsverbot für Tankstellen, das zum Exportschlager zu werden droht. Zum Schutz der Jugend vor Komasaufen und Alkoholexzessen, versteht sich. Tatsächlich ist es hauptsächlich Klientelpolitik für Gaststätten – und dennoch: Die Rhetorik vom Jugendschutz zieht. Und daran zeigt sich einiges darüber, was falsch läuft in der Politik.
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Traumberufung

Seit heute bin ich stolzer Besitzer eines Personalschematismus der Erzdiözese Freiburg von 1938. Damals gab es für Priester noch wirklich gute Stellungen! [Anm. d. Lektors: Missions-Kalauer gestrichen] Zum Beispiel die des Erzb. Geistl. Rates und Caritasdirektors Walter Baumeister: Er fungiert als »Leiter der Asozialen- und Trinkerfürsorge«. Ungerecht: Ich mache quasi im selben Geschäft, darf mich aber nichtmal Obergefreiter nennen.