Glauben in der Digitalität: Netze knüpfen, Netze auswerfen

Für die Ausgabe 3/2019 der medienpädagogischen Zeitschrift merz habe ich einen Überblick über Glauben im Netz geschrieben. Die Ausgabe befasst sich mit dem Titelthema »Digitalität. Religion. Pluralismus« – mir ging es darum, einmal aufzuzeigen, wie die religiöse Landschaft im deutschsprachigen Netz aussieht – und ein kirchliches Engagement im Netz starkzumachen, das sich theologisch aus einer Betonung der Taufwürde aller Christ*innen und ihrer Verantwortung speist, anstatt nur Institutionen senden zu lassen.

Marijcke Visser, »Wonderbare visvangst« (Door Gouwenaar – Eigen werk, CC0)

Abstract: Die Digitalisierung wirkt sich auf viele Lebensbereiche aus und auch die Kirche versucht, sich digitalen Trends anzuschließen. Einige Bistümer und Pfarrer unterhalten eigene Twitter– oder Facebook-Accounts und Gläubige treffen sich online zum Beten. Wie lassen sich ‚Amen‘ und ‚Likes‘ vereinen? Dieser Beitrag befasst sich mit den Möglichkeiten, die die digitale Kirche mit sich bringt und beleuchtet die Sichtweise ihrer Gegnerinnen und Gegner sowie strukturelle Hindernisse.

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Natürlich auf der Höhe der Zeit?


Titelblatt der Ratio Studiorum von 1599
Die jesuitische Ratio Studiorum von 1599. (Gemeinfrei.)
Thomas Reese SJ hat im National Catholic Reporter einen differenzierten, wertschätzend-kritischen Blick auf das Erbe von Papst Benedikt geworfen. Kritisch ist er im Blick auf die sehr griechische Seite Joseph Ratzingers: Seine deduktive Methode, die von einem Wahren und Guten ausgeht und zwingend eins aus dem anderen folgert, und die zu seiner klaren Kante als Präfekt der Glaubenskongregation geführt hat. (Ich nenne diese Eigenart der ratzingerschen Theologie »griechisch« mit Blick auf Johann Baptist Metz’ Gegensatz von Athen und Jerusalem, mit dem Blick der griechischen Philosophie auf das zeitlose Wahre im Gegensatz zur jüdischen memoria passionis.)
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Nicht Mann und Frau


In meinem letzten Artikel, »Der Papst der Moderne«, habe ich reichlich theoretisch darüber gesprochen, daß Kategorien immer fragwürdiger werden und dadurch – praktisch wie theoretisch – kirchliches Handeln, das auf ganz klaren richtig–falsch, schwarz–weiß-Kontrasten aufbaut, immer problematischer wird. Zwei Texte sind mir seither untergekommen, die das noch einmal gut illustrieren. Norbert Lammert zu »Wahrheiten und Mehrheiten«, und ein Artikel von Marian Ronan in Religious Dispatches zur gar nicht so einfachen Definition der Homoehe.

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Der Papst der Moderne


Ist der Papst, ist der Vatikan, ist die Kirche in der Moderne angekommen? Es häufen sich die Artikel mit dieser Fragestellung (zuletzt etwa Jan-Heiner Tück in der NZZ); gemeint ist natürlich: Im Jetzt angekommen.

Wird die Frage nach der »Moderne« gestellt, verstellt das einen wichtigen Zug in der Theologie Benedikt XVI. und der Kirche überhaupt: Daß sie nämlich in ihrer Lehre und ihrem Handeln im geistesgeschichtlichen Sinn eine Institution der Moderne par excellence ist – und genau das ist das Problem. Während umgangssprachlich die Kirche nicht modern ist, ist der Kern der benannten Probleme ihr Ausblenden postmoderner Theorie, Praxis und Lebenswelten.

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Linktip: Religion Dispatches


Religion Dispatches ist ein Online-Magazin zu theologischen und kirchlichen Themen (»dedicated to the analysis and understanding of religious forces in the world today, highlighting a diversity of progressive voices and aimed at broadening and advancing the public conversation«), das viel öfter verlinkt werden sollte – etwa für Artikel wie den gestern unter dem Titel »Vatican: Gay Rights Opponents are Real Victims« erschienenen. Der trockene Titel steht über einem angenehm unaufgeregten, sachlichen Essay zum Thema Homosexualität aus theologischer Sicht, das unter anderem das prekäre Naturrechtsverständnis des Lehramts aufgreift, dem ich praktischerweise – ich habe das anderswo ausgeführt – sehr zustimmen kann:

There is an easy solution to the hierarchy’s increasing distance from the laity and ordinary clergy: just as the Church finally acknowledged slavery and racial segregation to be wrong and finally recognized full equality for black people, it can acknowledge that homophobia and sexual orientation discrimination and violence are wrong and recognize that sexual orientation and gender identity are social realities in our complex world. Otherwise, the Church lends legitimacy to violence based on sexual orientation and gender identity. The Church is not the victim.

Nur noch ein Gott kann uns retten


Formspring kann jetzt auch nach WordPress exportieren. Tolle Sache!

Kant hat eigentlich schon alles gesagt (»Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee«) – ich glaube nicht, daß sich die Theodizeefrage so beantworten läßt, daß man zu einer Antwort in der Form »Deshalb gibt es das Leid« kommen kann.

Es bleibt nur die Hoffnung auf Versöhnung.
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Leitkultur. Der Gott der Politiker


Aygül Özkan wurde als Ministerin vereidigt. Ganz Christdemokratin ergänzte sie ihren Eid mit »so wahr mir Gott helfe« und schickte eine Erklärung hinterher, daß sie die Formel nicht exklusiv-christlich, sondern inklusiv-monotheistisch verstanden haben will. Hält man sonst immer den universalen Charakter des Gottesbezugs in der Verfassung hoch (der sich, genauso wie das Kreuz in der Schule, natürlich und selbstverständlich nicht gegen andere Religionen als das Christentum richte), paßt das in der Praxis angewendet auch nicht. Die Bild fragt suggestiv »Welchen Gott meinten Sie Frau Özkan?«

Daraus wird dann in der Welt »Kirchen stört die Gottesformel«. Die Welt hat schon begriffen, worum es der Bild geht: Das Christentum als Leitkultur. Das ist schon theologisch Unsinn. Politisch zeigt sich die Fragwürdigkeit einer in ihrem Streben nach Macht, Deutungshoheit und Einfluß sich selbst ihrer Grundlagen entziehenden Kirche.
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Wer besudelt hier wen?


Zum aktuellen Titanic-Titel habe ich noch nichts geschrieben; ich halte ihn für einen extrem zuspitzenden, aber guten Kommentar.

Norbert Geis hat nun in der Tagespost einen Artikel veröffentlicht, den ich für den eigentlichen Skandal halte: »Unüberbietbare Besudelung«.

Theologisch verwischt er die Kernbotschaft des Christentums, und politisch dehnt er den § 166 StGB (den alten »Gotteslästerungsparagraphen«) so weit, daß der Staat nur noch vordergründig ein säkularer bleibt (da muß man sich dann über die Außenwirkung des Christentums nicht wundern).

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Freiheit, Würde und Grenzüberschreitung


Bruder Paulus Terwitte OFMCap hat einen Text unter dem Titel »Karlsruher Ladenöffnungs-Urteil und Minarette« (Link auf die Startseite; einen Permalink scheint es nicht zu geben, mittlerweile ist er gar nicht mehr zu finden.) veröffentlicht: Er kreist darin um den Begriff »Grenze« und kommt zu einem seltsamen Schluß. Zentral ist dieser Satz, auf dem die gesamte Überlegung aufbaut:

Dass wir nicht Gott sind, ist der oberste Grundsatz aller Religionen. Deshalb haben Menschen für Gott sich selber Grenzen gesetzt.

Auf dieser Grundlage schafft es Bruder Paulus, aus christlicher Perspektive über »Grenzen« zu schreiben, ohne von Freiheit, Würde und dem Überschreiten von Grenzen zu handeln.
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Die Furcht der alten Männer


Neben Jubelpersern wird in der Kirche etwas Neues üblich: Klagerömer. Mit sprungbereiter Feindseligkeit schlagen sie auf bestimmte Schlagwörter an. Zölibat ist eins davon. Alois Glück, neugewählter ZdK-Präsident, zur BILD (zitiert nach einem Bericht des BR):

Die Frage des Pflichtzölibats kann nur innerhalb der Weltkirche gelöst werden. Ich würde es begrüßen, wenn bewährte, verheiratete Diakone mit einer entsprechenden Fortbildung zur Priesterweihe zugelassen würden.

So weit, so unspektakulär referiert Glück die Lage und seine Einschätzung dazu. Bischof Mixa von Augsburg dagegen kann es nicht leiden; auf der Agenda stünden vielmehr »aggressiver Atheismus« und die »Verdunstung menschlicher Werte«.
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