Eigentlich bin ich ja ein langhaariger Bombenleger – immer aber, wenn ich etwas von Heiner Geißler lese, möchte ich gleich darauf in die CDU eintreten. Zum Beispiel nach dem wirklich hervorragenden Zeit-Interview (Tolle, lege!) mit dem schönen Titel »Die Würde des Menschen ist in Gott verankert«
zeit: Finden Sie nicht, dass der Anspruch Ihres Buches eine Anmaßung ist? Immerhin soll Jesus ja Gottes Sohn gewesen sein. Wie wollen Sie wissen, was der heute dächte?
Geissler: Ich halte mich an den Kern dessen, was er im Neuen Testament gesagt hat. Und Aufklärung im Sinne Kants bedeutet ja wohl auch, jederzeit selbstständig lesen zu können – auch das Evangelium.
zeit: Das nennt man auch Priestertum aller Gläubigen, und es ist eine zutiefst protestantische Haltung. Warum sind Sie eigentlich noch Katholik?
Geissler: Jeder intelligente Katholik ist im Inneren irgendwie auch Protestant. Die Nachfolgeorganisation der Inquisition, die Glaubenskongregation unter Kardinal Ratzinger, kann ja wohl nicht der Maßstab des Glaubens sein… Übrigens haben wir damals auch die Luthersche Rechtfertigungslehre mit ins CDU-Grundsatzprogramm gepackt: Die Würde des Menschen ist unabhängig vom Urteil anderer Menschen, weil sie in Gott verankert ist. Egal, ob du im Abitur durchgefallen oder straffällig geworden bist. Auf das Urteil anderer kommt’s nicht an. Das ist eine befreiende Botschaft.