Natürlich auf der Höhe der Zeit?

Titelblatt der Ratio Studiorum von 1599
Die jesuitische Ratio Studiorum von 1599. (Gemeinfrei.)
Thomas Reese SJ hat im National Catholic Reporter einen differenzierten, wertschätzend-kritischen Blick auf das Erbe von Papst Benedikt geworfen. Kritisch ist er im Blick auf die sehr griechische Seite Joseph Ratzingers: Seine deduktive Methode, die von einem Wahren und Guten ausgeht und zwingend eins aus dem anderen folgert, und die zu seiner klaren Kante als Präfekt der Glaubenskongregation geführt hat. (Ich nenne diese Eigenart der ratzingerschen Theologie »griechisch« mit Blick auf Johann Baptist Metz’ Gegensatz von Athen und Jerusalem, mit dem Blick der griechischen Philosophie auf das zeitlose Wahre im Gegensatz zur jüdischen memoria passionis.)
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Der post-private Übermensch

mspro entwickelt gerade eine Ethik des radikalen Rechts des Anderen; auf der Basis von Hannah Arendt und Emmanuel Levinas denkt er radikal durch, was Öffentlichkeit im Zeitalter des weitgehend transaktionskostenfreien Kopierens, Verknüpfens und Abfragens bedeutet: »Das radikale Recht des Anderen ist die Souveränität beim Filtern«, ist mspros Lösungsvorschlag.

Vorweg, wo ich mit mspro völlig einig bin: Das Konzept der digitalen Öffentlichkeit ist von grundsätzlicher Wichtigkeit, um überhaupt zielführend über Netzregulierungen und Urheberrecht zu diskutieren. (Ich habe das in meinem Artikel Der Öffentlichkeit nicht den Boden entziehen. Anforderungen an ein neues Urheberrecht diskutiert.) In der Analyse des Kontrollverlustes stimme ich ihm zu; das hergebrachte Datenschutz-Prinzip der »Zweckbindung« schränkt die Öffentlichkeit zu sehr ein, als daß es ein sinnvolles Prinzip für die Nutzung jeglicher Art von Daten wäre.

Problematisch finde ich nur die ethischen Implikationen, die er daraus zieht, denn mspros Ethik ist eine Ethik des Übermenschen.
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Homosexualität: Widerspruch aus Loyalität

Der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff hat der Frankfurter Rundschau ein bemerkenswertes Interview gegeben: Schwule Liebe »verdient Rückhalt« ist es überschrieben.

Endlich spricht einmal ein renommierter Moraltheologe offen und mit großer Sensibilität ein Thema an, das ich für eines der größten Probleme in meiner Kirche halte: Daß die Lehre der katholischen Kirche Homosexualität und damit die Liebe zwischen Menschen diffamiert und so die Würde dieser Menschen in den Dreck zieht.
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Sex mit Tieren – Netzpolitik über Bande

Ist Sex mit Tieren in Hessen ein drängendes Problem? Für eine kleine Anfrage einiger hessischer CDU-Abgeordneter »betreffend Strafbarkeit von Zoophilie« (Drucksache 18/1744) hat es jedenfalls gereicht, und das Thema ist bizarr genug, um es in die Zeitung zu schaffen. Die Anfrage zeigt aber mehr als vorgebliche dringende Probleme in den Wahlkreisen: Um Zoophilie geht es eigentlich gar nicht. Mittels einer Politik des Ekels wird eine netzpolitische Agenda vorangetrieben.
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Weihnachtsgeschenke – Warum nicht mal was aus Kinderarbeit?

Kinderarbeit muss verboten werden. Diese Position ist einfach, moralisch einwandfrei – und falsch.

Wer so etwas fordert, macht es sich sehr bequem: Verbote haben zwar eine Auswirkung auf die Wirklichkeit – aber nicht unbedingt die, die damit erreicht werden soll. In den Ländern, in denen Kinderarbeit kein Luxusproblem ist wie bei uns (sollten 13jährige Zeitungen austragen dürfen, damit sie sich schickere Kleidung kaufen können?), arbeiten Kinder und Jugendliche sowieso. Egal, was das Gesetz sagt. Sie müssen es, damit sie und ihre Familien überleben können.
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Meisners grobe Keile

Kardinal Meisner hat es mal wieder getan: Nazivergleiche in seiner Allerheiligenpredigt. Diesmal trifft es die »atheistische Wissenschaft«, und natürlich ist das Medienecho immens. Was hat er eigentlich gesagt? (Und warum bitteschön denn mal wieder so!)
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(k)no(w) god – Twitter-Theologie

Gestern durften wir einen neuen Evolutionssprung bei Twitter beobachten:

glad to see Twitter has moved from where we get our news to where we base our theology

Twitters trending topics wurden angeführt von »no god«. Dazu kam es, nachdem @RevRunWisdom einen Besinnungsspruch getwittert hatte: »Know God… Know Peace. No God.. No Peace!.« [sic!] Meine erste Reaktion war, das unter die beliebte Argumentationsfigur einzuordnen, daß es keine Moral ohne Gott gebe und damit den Sinnspruch als Kitsch zu verwerfen. (In einem anderen Artikel habe ich mich damit auseinandergesetzt.) Nach etwas längerem Nachdenken bin ich zu dem Schluß gekommen: Da steckt mehr dahinter.
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Moral ohne Gott? Anmerkungen zu Kolakowski

Unter dem Titel »Ich rechne nicht mit dem Tod Gottes« veröffentlicht die Welt postum ein Gespräch mit dem polnischen Philosophen Leszek Kolakowski, das Scipio zitiert. Kolakowski argumentiert ganz im Sinne Dostojewskis »Wenn es keinen Gott gibt, dann ist alles erlaubt.«. Er sieht Glauben als notwendig für die Moral an:

Was ist Menschwürde, wissenschaftlich gesehen? Aberglaube? Empirisch gesehen sind die Menschen ungleich.

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Vegetarier sein – Philosophisch.

Ich wurde gefragt, ob mein Philosophiestudium einen Einfluß darauf hatte, daß ich Vegetarier bin. Ethik, und noch dazu angewandte, war nie mein Fachgebiet. Ein bißchen was habe ich aber doch mitgenommen, auch auf Umwegen. Im wesentlichen waren das Kant, Peter Singer und Aristoteles.
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Habemus Papam!

Ich weiß, ich weiß. Panzerkardinal, Gottes Rottweiler, Großinquisitor. Eines muß klar sein: als Innenminister hat man Wadenbeißer zu sein. Jetzt geht der Job aber an einen anderen, so daß auf dem Petrusstuhl nicht die Inkarnation des illiberalen Feindbildes, sondern in erster Linie einer der ganz großen Theologen unserer Zeit sitzen. Die ultraliberale Front wird natürlich wieder Wünsche über Wünsche äußern – aber, so verständlich sie sind: allzu oft gehen sie am Ziel vorbei. (Oder warum treten die Protestanten, die ja irgendwie doch überall das verwirklicht haben, was uns angeblich fehlt, noch mehr aus?)

Zum Beispiel das Frauenpriestertum. Die Prämisse ist, daß Frauen gleiche Rechte bekommen sollen und eine gleiche Teilhabe an der Macht haben sollen. Das ist natürlich richtig. Die Frage ist nur: Müssen Frauen Priester werden, um das zu haben? Ich denke nein. Im Gegenteil: Damit wird der grundlegende Fehler der Emanzipationsbewegung nur wiederholt: Männliche Rollenbilder werden verabsolutiert und damit weibliche abgewertet. Was ist das für ein Frauenbild, das Frauen nur als vollwertig ansieht, wenn sie Männerrollen ausüben? (Übrigens möchte ich damit das Frauenpriestertum nicht ausschließen: Theologisch mag es rechtfertigbar sein; das ist nicht mein Fachgebiet. Nur der üblichen politisch korrekten Begründung des Frauenpriestertums möchte ich widersprechen. Das Amt muß theologisch begründet werden.)

Trotzdem erlaube ich mir, Wünsche für unsere Kirche zu äußern: den Umgang mit Geschiedenen ändern – gerade Menschen in existentiellen Notlagen brauchen die Kirche. Die Haltung zu Kondomen verändern – nicht einmal zur Sexualmoral, zur Verhütung im weiterne Sinne, schon gar nicht zu Abtreibung, PID und Sterbehilfe: Daß die Temparaturmethode erlaubt, Kondome aber verboten sind, ist auf allzu dünnem Eis. Orden und Verbände stärken: Unter Johannes Paul II. wurden die Geistlichen Bewegungen stark gefördert. Das ist wichtig. Nur hatte ich den Eindruck, daß in diesem Zug die Orden litten, und wir Verbände waren ohnehin selten gut gelitten. Die Kirche darf keine elitäre Kernkirche sein. Die Kirche muß missionarisch Kirche sein – und dorthin wirken besonders die Verbände. (Hand aufs Herz: Die Verbände, gerade wir Jugendverbände, sind nicht mehr die bösen antiklerikalen Revoluzzer von vor 30 Jahren.)