Weihnachtsgeschenke – Warum nicht mal was aus Kinderarbeit?

Kinderarbeit muss verboten werden. Diese Position ist einfach, moralisch einwandfrei – und falsch.

Wer so etwas fordert, macht es sich sehr bequem: Verbote haben zwar eine Auswirkung auf die Wirklichkeit – aber nicht unbedingt die, die damit erreicht werden soll. In den Ländern, in denen Kinderarbeit kein Luxusproblem ist wie bei uns (sollten 13jährige Zeitungen austragen dürfen, damit sie sich schickere Kleidung kaufen können?), arbeiten Kinder und Jugendliche sowieso. Egal, was das Gesetz sagt. Sie müssen es, damit sie und ihre Familien überleben können.
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Ich will sie gläubig hören

Wieder einmal ein Quergedacht aus dem Krokant:

Schön, dass es den Papst und die Kirche gibt – aber auf den wunderlichen alten Mann in Rom mit seinen altmodischen Einstellungen müssen wir ja nun wirklich nicht hören, heutzutage.
Wer so denkt, hat nicht verstanden, um was es geht.
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Wetter? Wir auch! Wir auch?

Die ungekürzte Version meines Quergedacht fürs Krokant:

Vor 40 Jahren war eines der erfolgreichsten politischen Plakate eine Parodie eines Bahnplakats mit dem Slogan »Alle reden vom Wetter. Wir nicht«.

Mit so einem Slogan kann man heute keine Politik mehr machen. Klimaschutz scheint das wichtigste politische Thema zu sein. Kein Wunder, lässt sich doch mittlerweile kaum mehr leugnen, dass es den vom Menschen beeinflussten Klimawandel gibt. Ist das aber ein Grund, jedes Handeln zuerst unter diesem Aspekt zu bewerten? Wetter? Wir auch! Wir auch? weiterlesen

Leserbrief StudiVZ

Es ist natürlich etwas albern, an eine Zeitschrift einen Leserbrief zu schreiben, die man selbst herausgibt: Ich habe es auf Wunsch der Redaktion dennoch getan:

Das neue Medium ist irgendwie nicht echt. Es kommt zwar ziemlich persönlich daher, ist es aber nicht. Und überhaupt kann man sich nicht darauf verlassen, dass man wirklich die Wahrheit präsentiert bekommt. Und an den persönlichen Kontakt kommt es sowieso nicht ran.

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Quergedacht: Herzlichen Glückwunsch!

Quergedacht für’s nächste Krokant:

Herzlichen Glückwunsch!

Wer dieses Krokant liest, hat mit großer Wahrscheinlichkeit Glück gehabt. Wer dieses Krokant liest, ist statistisch gesehen eher weiblich als männlich (etwas mehr KjG-Mitglieder sind weiblich, und Jungs sind Bildungsverlierer), Christ und aus Deutschland (und damit mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf der Hauptschule), hat ein ordentliches Elternhaus (Pfarrgemeinderat statt Sozialamt) und engagiert sich (Gruppenleiterkurs statt an der Tanke rumhängen). Kurz: Aus Dir wird mal was. (Sozialpädagoge oder Juristin statt Hartz IV.)

Alles kein Problem, zumindest (wahrscheinlich) für Dich. Auf der Strecke bleibt dabei aber die Gerechtigkeit. Das ist offensichtlich.

Weniger offensichlich ist, was Gerechtigkeit eigentlich bedeutet. Ungerecht ist nicht, dass es Dir besser geht als anderen. Wenn heute von Gerechtigkeit gesprochen ist, dann wird aber meistens so gedacht: Da werden Mindestlöhne und ein Recht auf Arbeit gefordert, höhere Steuern, um höhere Sozialleistungen finanzieren zu können. Das sieht gerecht aus: Politik machen, die von den Erfolgreichen umverteilt zu den weniger Erfolgreichen. Das hilft kurzfristig natürlich den weniger Erfolgreichen. Wenn sich aber sonst nichts ändert, außer dass umverteilt wird, dann werden immer die gleichen nicht aus eigener Kraft leben können.

Eine Sozialpolitik, die nur ans Umverteilen denkt, zementiert die Verhältnisse: Wer einen Job, die richtige Herkunft, das richtige Elternhaus hat, ist im System — wer nicht, fällt durch das Raster und landet im Sozialsystem. Das war’s dann mit Selbstverwirklichung. Keine Chance, selbst zu den Erfolgreichen zu gehören.

Der Gegenentwurf zu dieser Art »Gerechtigkeit« ist, nicht die Armut zu verwalten, sondern daran zu arbeiten, möglichst vielen Leuten ein Leben aus eigener Kraft zu ermöglichen. Das heißt einerseits, das Bildungssystem so zu gestalten, dass der schulische Erfolg von Motivation und Fähigkeiten und nicht von der Herkunft abhängt. Das heißt aber vor allem, die Menschen ernstzunehmen, ihnen ermöglichen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Wer dieses Krokant liest, kann das mit großer Wahrscheinlichkeit. Auch die männlichen Hauptschüler mit Migrationshintergrund und bildungsferner Herkunft könnten das. Alle anderen nur mit Almosen abzuspeisen, und seien sie auch noch so gut gemeint, nimmt diese anderen nicht ernst. Eine gerechte Gesellschaft traut auch den Schlechtergestellten viel zu. Auch wenn das auf den ersten Blick ungerecht aussieht.

Warum KjG?

Für unser Kinder-Krokant wurde die Frage gestellt, wie wir zur KjG kamen und warum wir geblieben sind. Mein Beitrag (Zielgruppe Kinder):

Als ich in der dritten Klasse war, stellten sich im Religionsunterricht zwei KjG-Gruppenleiterinnen vor. Ich fand das erstmal komisch, die anderen waren alle ziemlich begeistert. Am Ende der Stunde habe ich dann doch noch den Zettel mit den Terminen mitgenommen.

Und so kam ich in die Gruppenstunde. Zuerst bei diesen Gruppenleiterinnen, schließlich in Nadins Gruppe – eigentlich eine Mädchengruppenstunde. Mir gefiel’s trotzdem (oder deswegen). Klopapierralley, Filme drehen, Gruppenraum streichen, Wochenenden im Schwarzwald mit Müllsackrodeln: Langweilig wurde es da nie.

So wußte ich ziemlich früh: Ich will auch mal Gruppenleiter werden. Meine ersten Gruppenleiterinnen nervte ich damit noch regelmäßig (»Wann darf ich endlich auch in die Leiterrunde?«), bei Nadin war klar, daß sie bald zum Studieren wegziehen würde. Und weil Nadin damals die einzige Gruppenleiterin in meiner Heimatpfarrei war, mußten wir aus meiner Gruppenstunde bald ran. Unsere Gruppenstunde ging gemeinsam zum Gruppenleiterkurs, wir hatten unsere ersten Gruppen, unser erstes Lager.

Ganz spannend fand ich immer, daß es die KjG nicht nur bei uns gibt: Überall ist die KjG, und überall gibt’s ähnlich coole Leute wie meine Gruppenleiterin Nadin. So habe ich dann in vielen verschiedenen Ämtern Verantwortung für die KjG übernommen: Mir ist nämlich wichtig, daß auch andere Kinder in ihren Gruppenstunden so viel erleben können.

Die volle Wahrheit aus dem Krokant

Fürs Krokant mußten meine Antworten gekürzt werden, hier in voller Länge.

1. Welche Rolle spielt der Papst für mich und mein Leben? Warum?

Ich halte nichts von unreflektiertem Personenkult, ich hätte nicht »Giovanni Paolo« skandiert und »Benedikt vom Herrn geschickt« rufe ich auch nicht im Ernst. Und trotzdem ist mir der Papst wichtig. Er ist ein wichtiger Teil unserer Kirche: Er garantiert die Einheit in der Vielfalt. Er ist das Oberhaupt aller Katholiken, egal ob traditionell oder progressiv, Europäer oder Afrikanerin. Durch den Papst kann die Kirche mit einer Stimme sprechen, und damit verschafft sich die Kirche weltweit Gehör. Das Amt jedoch nur als Symbol und Aushängeschild, als schickes Etikett zu verstehen, greift aber zu kurz: Er ist eben nicht nur die mehr oder weniger beliebige Heftklammer, sondern auch ganz bewußt Ordner.

Ich mag nicht in jeder Frage mit unserem Papst übereinstimmen. Aber ich bin fest davon überzeugt, daß wir einen Papst brauchen. Der Papst ist der Nachfolger des Felses, auf dem die Kirche gebaut ist. Aber so fest und unbeweglich dieser Felsen auch aussieht; wir Christen wissen ganz genau, daß Felsen sich auch bewegen.

2. Was heißt für mich Kirche? Warum?

Früher habe ich beim Credo immer geschwiegen bei der Zeile »ich glaube an die katholische Kirche«: Was soll diese Arroganz im Credo? Mittlerweile ist mir diese Zeile besonders wichtig geworden: Gerade das Katholische macht unsere Kirche aus. Kat-holisch, das heißt allumfassend. Wir sind keine Sekte, kein elitärer Kreis gegen den Rest der Welt. Kirche, das sind wir in Europa, in Deutschland, in der KjG, in unserer Pfarrei, in unserer Gruppenstunde. Und Kirche ist überall, wo wir Christen zusammenkommen. Dafür steht die katholische Kirche: Sie führt ganz unterschiedliche Spiritualitäten, Hintergründe und politische Einstellungen zusammen.

Klar: das geht nicht immer ohne Spannungen. Allen recht machen kann man es nie, und was uns skandalös erscheint, ist anderswo normal und umgekehrt. Die Kirche ist aber für alle da und besteht aus all diesen verschiedenen Meinungen, die im Kern doch alle dasselbe Ziel haben: das Reich Gottes.

Und deshalb kann ich mittlerweile stolz sagen: Ich glaube an die katholische Kirche.

Eins hab ich noch

Einer meiner ersten Artikel im Krokant:

Eins hab ich noch!

Eins ist eigentlich eine langweilige Zahl: völlig eindimensional, einseitig und vielleicht sogar einfältig. Und unpraktisch: auf einem Bein kann man nicht stehen, einmal ist keinmal und als Artikel ist sie allzu unbestimmt. Und trotzdem beginnen mit der Eins die natürlichen Zahlen.

Irgendwie ungerecht.

Oder?

Gerade deswegen ist die Eins nämlich auch ziemlich einzigartig und einmalig. Alle denken an das eine, wollen eins mit dem Universum werden, Allah ist einer und unteilbar, die Kirche die eine heilige und so weiter, ein Mann, ein Wort, ein Ring, sie zu knechten.

Die scheinbar unscheinbare Eins ist also gar nicht so klein und unbedeutend, wie sie scheint für uns Menschen als Individuen, Un-Teilbare, Einzigartige.

Platon legt in seinem »Symposion« dem Dichter Aristophanes die Geschichte von den ursprünglichen Menschen in den Mund: sie seien »Kugelmenschen« gewesen, Doppelwesen. Doch ihre Einheit, ihre Vollkommenheit erregte Zeus’ Neid, der sie daraufhin in zwei Teile teilte, die beständig einander suchen. So erklärt Platon den eros, das Zueinander-Hingezogen-Fühlen der Menschen, oder, abstrakter: den Wunsch nach Einheit.

Und Platon hat recht: Einheit ist ein besonders emotionaler Begriff, für jeden, außerhalb aller philosophischen Spitzfindigkeit.
1989 war ich sechs Jahre alt; den neunten November habe ich also wenig bewußt miterlebt. Und trotzdem: daß diese »Ein-heit« etwas ganz besonderes ist, habe ich gespürt. Ich wußte nichts von DDR, SED, sowjetischer Besatzungszone – aber daß da etwas ganz besonderes passierte, das habe ich gefühlt – da ging es nicht um Politik oder gar um Großdeutschland (wie es in allzu linken Kreisen kolportiert wird), da ging es um ein ganz grundsätzliches Gefühl.

Einige Jahre später war ich in Taizé, wo ich das erste mal wirklich Glauben spürte: junge Menschen von überall auf der Welt, und trotzdem war da etwas, das alle gemeinsam hatten: eine Lebensmitte.

Und deshalb finde ich die Eins einmalig.