Leserbrief StudiVZ

Es ist natürlich etwas albern, an eine Zeitschrift einen Leserbrief zu schreiben, die man selbst herausgibt: Ich habe es auf Wunsch der Redaktion dennoch getan:

Das neue Medium ist irgendwie nicht echt. Es kommt zwar ziemlich persönlich daher, ist es aber nicht. Und überhaupt kann man sich nicht darauf verlassen, dass man wirklich die Wahrheit präsentiert bekommt. Und an den persönlichen Kontakt kommt es sowieso nicht ran.

So kritisiert Matthias Dufner im letzten Krokant das StudiVZ. Neu ist diese Kritik nicht; fast mit den selben Argumenten konnte man diese Kritik schon vor fast zweieinhalbtausend Jahren bei Platon nachlesen: In seinem Dialog »Phaidros« nämlich kritisiert Sokrates so die Schrift, die im Gegensatz zur Rede nur scheinbar einen Fortschritt darstellen und tatsächlich einen Rückschritt bedeuten würde.

Matthias benennt zwei Kritikpunkte: Im StudiVZ konstruiere man seine Erscheinung, und die Form des Kontaktes sei nicht echt, »nur« virtuell. Beiden Kritikpunkten kann ich nicht zustimmen.

Ist es denn so schlimm, dass man sein Profil im Internet so gestaltet, dass es eine gute Außenwirkung hat? Man konstruiert sich ständig selbst, ständig stellt man sich dar: in der Sprechstunde bei der Professorin anders als in der Disko, bei alten Schulfreunden anders als im Theater. Das ist kein unehrliches Theater, das gehört zum Menschen. Zu meiner Identität gehört auch, mich so darzustellen, wie ich dastehen will. Das echte, wahre, eigentliche Ich, das geht nur mich und den lieben Gott an. Alle anderen stecken nicht drin.

Dass virtuelle Kontakte weniger wert sein sollen als »echte«, will mir auch nicht einleuchten. Oberflächliche Kontakte hängen nicht vom Medium ab. Small talk gibt’s im »richtigen« Leben auch, und ob ich nun meinen Kommilitonen gruschle oder mich mit der alten Dame an der Bushaltestelle über das Wetter unterhalte, macht keinen wesentlichen Unterschied. Soziale Probleme lassen sich nicht mit Technik lösen. Umgekehrt kann man die Technik auch nicht für soziale Probleme verantwortlich machen. Virtuelle Netzwerke vernetzen echte Menschen. Was ich daraus mache, ist mir überlassen. Das kann eine echte Freundschaft sein oder eine belanglose Unterhaltung.

Auch wenn’s in den letzten 2500 Jahren immer wieder bezweifelt wurde: Nicht trotz, sondern wegen Schrift, Buchdruck, Telefon, Radio, Chat und allerhand anderer neuer Medien gibt’s immer mehr »echte« menschliche Kontakte. Jedes neue Medium bereichert unsere Kontaktmöglichkeiten. Auch wenn Platons Kritik immer wieder neu aufgewärmt wird.

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