Chasing Debenedetti – 4 Strategien gegen Twitter-Fakes

Heute war es Handke: Der Schriftsteller war nicht selbst auf Twitter, stattdessen gehört der Account in die lange Reihe an Fakes des selbsternannten Meisterfälschers Tommasso Debenedetti. Gestern tauchte @PHandkeOfficial auf Twitter auf, geadelt durch eine Begrüßung vom verifizierten Account der österreichischen Ex-Ministerin Karin Kneissl war dieser Fake einer der erfolgreicheren.

Mit etwas Debenedetti-Erfahrung sind die Fakes, die immer nach der gleichen Masche ablaufen, aber relativ leicht zu enttarnen. Der Fälscher ist seit 2011 dabei, ich verfolge ihn seit 2017, als er den Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki gefälscht hatte.

Da Debenedetti seine Masche quasi nicht verändert, habe ich in den letzten Jahren einige Strategien angewendet, mit der sich seine Fakes schnell aufdecken lassen – alle sind relativ trivial und schnell umzusetzen.

Außerdem ergänze ich diesen Artikel regelmäßig bei neuen Entwicklungen – nicht, um jeden einzelnen neuen Fake-Account zu dokumentieren: die Jagd macht müde, vor allem – siehe unten – da es immer mehr vom immer gleichen ist. Ein aktueller Blick auf das Medienphänomen Debenedetti bleibt aber interessant und lohnen – zumal er selbst an seiner Wirkung interessiert ist, ohne dabei allzu selbstkritisch zu sein.

Mehr Hintergründe dazu habe ich bei katholisch.de aufgeschrieben:

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Ecco Eco! Intertextuelle Ostereier im DSGVO-Kommentar


Spoilerwarnung: Der folgende Artikel verrät Pointen aus Kühling/Buchner ²2018.

Juristische Kommentare zu lesen ist in der Regel etwas trocken, aber dann doch gelegentlich nötig. (Mein Anlaß: Daß zur Zeit soviel in Sachen kirchlicher Datenschutz passiert.) Im DSGVO-Kommentar von Kühling/Buchner (2. Aufl. 2018, S. 1163, RN 23) im Kapitel über Art. 85 DSGVO, der sich mit Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit befaßt, bemerken die Autor_innen (Benedikt Buchner selbst kommentiert hier gemeinsam mit Marie-Theres Tinnefeld) ganz nebenbei und elegant sentenzenhaft:

Das Zitat, das Plagiat und die Parodie sind typisch für die künstlerisch-literarische Tradition.

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Ionescos Klingonen. Beobachtungen zu Star Trek: Discovery


Lycosthenes, Rhinoceros
By https://wellcomeimages.org/indexplus/obf_images/84/e7/fd14659fef2b32da3dcc45b96560.jpgGallery: http://wellcomeimages.org/indexplus/image/L0005344.html, CC BY 4.0, Link

Endlich wieder Star Trek in der eigentlichen Darreichungsform: Als Fernsehserie. Nach den ersten beiden Folgen bin ich optimistsch. Mit »Enterprise«, der seltsam aus der Zeit gefallenen Vorgängerserie (für mich fühlte sie sich immer an wie eine Kopie von TNG-Monster-of-the-week-Folgen, nur mit blasseren Charakteren), und den JJ-Abrams-Filmen (mit allzu glattgebügeltem Action-Reboot) konnte ich nichts anfangen. Discovery wirkt zunächst zeitgemäß: Story Arc statt Monster of the week, eine zeitgemäße Ästhetik, Zeit zum Erzählen. Discovery ist aber auch Star Trek: Ein wenig Vertrautheit mit dem Stoff hilft beim Verständnis (Kahless, Sarek, die vulkanische Kultur werden nicht eingeführt); kleine Details (die Geräusche in den Raumschiffen, die optisch überhaupt nichts mit den bekannten dieser Ära aus TOS und ENT zu tun haben; der Klappkommunikator; die pistolenförmigen Phaser) verankern auch die auf Stand gebrachte Ästhetik im Serienuniversum. Ionescos Klingonen. Beobachtungen zu Star Trek: Discovery weiterlesen

Fun fact: Macs sind katholisch, Unix evangelisch


Computus-Tafel
Computus-Tafel und Ewiger Kalender als Kreisscheibe, gültig für den julianischen Kalender. (gemeinfrei)

Macs sind katholisch, DOS ist protestantisch – so argumentiert Umberto Eco. Dafür habe ich heute einen erstaunlichen Beleg gefunden bei der Recherche (für katholisch.de habe ich aus aktuellem Anlaß einen Artikel über die Geschichte und die Kontroversen ums Osterdatum geschrieben) – und zwar in Systemprogrammen von Mac und Unix.

Nicht umsonst heißt die Kunst der Osterberechnung auf lateinisch computus. Fun fact: Macs sind katholisch, Unix evangelisch weiterlesen

Versuch über Materie und Leiblichkeit


Zeichnung von Descartes
Descartes entwirft einen holographischen Arzt.
Descartes diagram” by René Descartes(?) – Scanned from Dagfinn Døhl Dybvig & Magne Dybvig (2003). Det tenkende mennesket. Oslo: Tapir akademisk forlag. ISBN 8251918642. Page 173. Which had it from Descartes: The World and Other Writings. Cambridge U.P. 1998.. Licensed under Public Domain via Wikimedia Commons.

Star Trek hat – im Rahmen der Erfordernisse des Plots – eine post-scarcity economy: Grundsätzlich gibt es dank Warp-Antrieb und Replikator weder Energie- noch Materie-Knappheit (außer wenn man die Ferengi als sekundärantisemitische Karikaturen aufbauen, Bajoraner in die Minen schicken oder Handelsverhandlungen führen will).

Weniger futuristisch dagegen: Die Materialität von Information. Wenn Voyager Briefe aus der Heimat empfängt, verteilt Neelix die Briefe einzeln per Padd an die Crew, und besonders frappierend: Es gibt ein virtuelles, missionskritisches Crewmitglied, den holographischen Arzt, und niemand macht eine Sicherungskopie, selbst wenn man ihn über dubiose Relays kurzzeitig in den Alphaquadranten schickt.

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Ba©h ist Bach: Das offene Wohltemperierte Klavier ist erschienen


Cover: Kimiko Ishizaka: Open Welltempered Clavier
Nicht nur im Netz, auch klassisch auf Trägermaterial zu erhalten.

Kimiko Ishizakas freie Aufnahme des ersten Buchs des Wohltemperierten Klaviers ist erschienen – und sie ist großartig geworden. Vor anderthalb Jahren habe ich zum crowdfunden aufgefordert, jetzt ist alles da: die freien Aufnahmen unter einer CC0-Lizenz, vom Urheberrecht befreite digitalisierte Notenblätter, die damit auch einen wichtigen Schritt in Richtung Barrierefreiheit machen.
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Hölderlins Roboterrobbe


Roboterrobbe Paro
Paro robot“ von Aaron Biggs, Flickr user ehjaybhttp://www.flickr.com/photos/ehjayb/21826369/. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons.

In der aktuellen Ausgabe des fiph-Journals ist ein lesenswertes Pro und Contra zur Frage des Einsatzes von Robotern in der Pflege: “Eine Therapie-Robbe für demenzkranke Menschen?”. Das Pro argumentiert vorsichtig mit dem Werkzeugcharakter der Robbe: Sie scheint zu helfen, Demenzkranke zu berühren und zu erreichen.
Das Contra schreibt der Hannoveraner Philosoph Jürgen Manemann. Er konzediert auch die positiven Effekte, deutet die Robbe dann aber als Verfallserscheinung einer fühllosen Gesellschaft, nicht »neue Form von Kommunikation«, sondern »Verlust von Kommunikation«, und er schließt: »Trost spenden können nur Menschen, Tiere und die übrige Natur.«
Ich finde es traurig, wie hier ein kulturpessimistischer Überbau und digitaler Dualismus (oder besser: »natürlicher« Dualismus oder, weniger sachlich: idealistischer Eigentlichkeitsfimmel) konkrete Pflege und Zuwendung entwerten.
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It goes way back.


Dylan, Bologna 2005
Bob Dylan in Bologna, November 2005. Neuere Dylan-Konzerte sind allesamt Variationen über ein Thema, optisch wie musikalisch. CC-by 2.0, JKelly
Kaum etwas ist so unersprießlich wie die Urheberrechtsdebatte. Anstatt die Mühen der Ebene anzugehen und ins Kleinklein der praktischen und pragmatischen Fragen zu gehen, geht es ums Ganze in einer Freund-Feind-Rhetorik – seitens derer, die in ihren Augen »Urheberrechtsbefürworter_innen« sind, gegen die »Urheberrechtsgegner_innen«, die doch tatsächlich gar nicht soviel wollen. Hier ein bißchen Fair use, da ein, zwei Schranken zusätzlich eingebaut, Recht auf Remix, die Legalisierung von kleinen Zitaten und Anspielungen, und weg vom Privileg des Fotoauslöserknopfes. Hilft Dylan vielleicht?
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Von Automatik zu Autonomie


De Anima, Titelblatt einer Inkunabel aus dem 15. Jahrhundert
De anima (CC by 2.0, Penn Provenance Project)
Zu den heftigeren Debatten meines Philosophiestudiums gehörte die im De-anima-Seminar von Professor Figal über die Frage, ob es künstliches Leben geben könne. Heftig vor allem deshalb, weil schon die Prämisse der Frage nicht zu vermitteln war: Wenn für Aristoteles Leben über die Seele bestimmt ist, und die grundlegende Funktion der vegetativen Seele Ernährung und Fortpflanzung ist, Leben also auf die Erhaltung der Art zielt – läßt sich dann eine (natürlich künstliche) Maschine bauen, die diese äußeren Merkmale nachahmt – also etwa selbst-replizierende Roboter –, die dann tatsächlich lebt? Warum das laut meinem Professor nicht der Fall sein soll, habe ich nicht verstanden, zumal von einem Phänomenologen: Wenn es sich in den relevanten Merkmalen wie Lebendiges verhält, was unterscheidet es dann von Lebendigem? Die alte Aristoteles-Debatte: Ist sein Lebensbegriff materialistisch-funktionalistisch oder vitalistisch? Ist das Lebensprinzip, das Aristoteles Seele nennt, eine eigene und spezielle Lebenskraft (das ist der Vitalismus), oder ist es eine phänomenologische Beschreibung davon, wie sich etwas zeigt, das lebendig genannt wird?

An diese Debatte aus meinen Studienzeiten hat mich gestern ein Tweet von Christoph Kappes erinnert, der sich dann doch nicht auf den Artikel zur Ethik autonomer Systeme bezogen hat:

(Wobei ich anderer Meinung bin: Ethik gilt für Lebewesen, Automaten “handeln” nicht, “Handeln”=>Menschen.)

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Ethik autonomer Systeme


Robot Car (CC BY 2.0, Smoobs)
Robot Car (CC BY 2.0, Smoobs)
Einer der großen (Sponsoren-)Vorträge auf der vergangenen Re:publica war der von Dieter Zetsche, der viel über die Pläne von Mercedes zur Entwicklung selbstfahrender Autos erzählt hat – mit einer Lücke, die nicht überraschend ist, wenn ein Ingenieur solche PR betreibt: Welche ethischen Kalküle liegen der Steuersoftware selbstfahrender Autos zu Grunde? An diese Frage erinnerte mich wieder ein Artikel bei Heise zur Konferenz »Omnipräsenz ­ Leben und Handeln in der vernetzten Welt«.
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