Hölderlins Roboterrobbe

Roboterrobbe Paro
Paro robot“ von Aaron Biggs, Flickr user ehjaybhttp://www.flickr.com/photos/ehjayb/21826369/. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons.

In der aktuellen Ausgabe des fiph-Journals ist ein lesenswertes Pro und Contra zur Frage des Einsatzes von Robotern in der Pflege: “Eine Therapie-Robbe für demenzkranke Menschen?”. Das Pro argumentiert vorsichtig mit dem Werkzeugcharakter der Robbe: Sie scheint zu helfen, Demenzkranke zu berühren und zu erreichen.
Das Contra schreibt der Hannoveraner Philosoph Jürgen Manemann. Er konzediert auch die positiven Effekte, deutet die Robbe dann aber als Verfallserscheinung einer fühllosen Gesellschaft, nicht »neue Form von Kommunikation«, sondern »Verlust von Kommunikation«, und er schließt: »Trost spenden können nur Menschen, Tiere und die übrige Natur.«
Ich finde es traurig, wie hier ein kulturpessimistischer Überbau und digitaler Dualismus (oder besser: »natürlicher« Dualismus oder, weniger sachlich: idealistischer Eigentlichkeitsfimmel) konkrete Pflege und Zuwendung entwerten.

Auch ohne Roboterrobbe stimmt die Diagnose ja nicht: Hat, wer nur in Menschen, Tieren und Natur Trost sehen kann, schon einmal etwas gelesen (Hölderlin vielleicht?), Kunst betrachtet, ein Foto besessen? Oder das Drama eines verlorenen Stofftiers oder einer verlorenen Kuscheldecke miterlebt? Trost spendet, was tröstet, zumal, wenn das abstrakte Räsonnieren nicht mehr will. Walter Jens fand den Gedanken zu klaren Zeiten furchtbar, ohne den Trost oder das Glück der Literatur auszukommen, das imaginierte Leben in der Demenz nicht lebenswert — und als er dement war, berichtet seine Frau, wie glücklich er über ein Wurstweckle sei.
Wo Gefahr ist, wächst das Rettende auch, ist der tröstende Kalenderspruch aller Bildungsbürger_innen, und manchmal ist das Rettende, was das Leben lebenswert macht, nicht Hölderlin, sondern das Wurstweckle – oder eben die Roboterrobbe. Wer sich anrühren und berühren läßt mit einer Roboterrobbe (oder Kuscheltieren oder Zeichentrickfilmen), dem ist genau damit mehr getan als mit einer Sozialphilosophie des Bindungsverfalls. Und wenn es einmal bei mir so weit ist: Ich habe ein paar gute Otter- und Eulen-Tumblr abonniert, die ich zu applizieren bitte.

Ein Gedanke zu „Hölderlins Roboterrobbe“

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