In der aktuellen Ausgabe des fiph-Journals ist ein lesenswertes Pro und Contra zur Frage des Einsatzes von Robotern in der Pflege: “Eine Therapie-Robbe für demenzkranke Menschen?”. Das Pro argumentiert vorsichtig mit dem Werkzeugcharakter der Robbe: Sie scheint zu helfen, Demenzkranke zu berühren und zu erreichen.
Das Contra schreibt der Hannoveraner Philosoph Jürgen Manemann. Er konzediert auch die positiven Effekte, deutet die Robbe dann aber als Verfallserscheinung einer fühllosen Gesellschaft, nicht »neue Form von Kommunikation«, sondern »Verlust von Kommunikation«, und er schließt: »Trost spenden können nur Menschen, Tiere und die übrige Natur.«
Ich finde es traurig, wie hier ein kulturpessimistischer Überbau und digitaler Dualismus (oder besser: »natürlicher« Dualismus oder, weniger sachlich: idealistischer Eigentlichkeitsfimmel) konkrete Pflege und Zuwendung entwerten.
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Schlagwort: Hölderlin
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch
Formspring fragt mal wieder: »Glaubst du die ausufernden Kontrollversuche durch den Staat können abgewehrt werden? Hast du Angst vor der Zukunft?«
Weder mit Zukunftsangst noch mit der Verklärung von Vergangenheit kann ich etwas anfangen.
Ich stimme zu: Das Maß staatlicher Kontrolle und Bevormundung sieht man beständig steigen, für jede gewonnene Verfassungsbeschwerde taucht ein neuer ACTA-Vertrag, ein neuer Jugendmedienschutzstaatsvertrag, eine neue Zensurinfrastruktur auf. Musikindustrie, Verleger und Politik machen sich wechselweise zu nützlichen Idioten, um ihre jeweiligen Ziele zulasten der Freiheit zu verfolgen. Zu viele flüchten in die wohlige Illusion scheinbarer Sicherheit, die mit Paternalismus und Kontrolle erkauft wird.
Aber trotzdem: Wir haben ein relativ robustes System mit klaren, durch das Grundgesetz vorgegebenen Schranken und ein starkes Verfassungsgericht, das Grundrechte schützt und zumindest die schlimmsten Exzesse wieder kassiert. (Nicht, daß das gerade noch erlaubte Maß nicht schon schlimm genug wäre.) Es ist ja nicht so, daß wir etwa erst noch für gleiches Wahlrecht kämpfen müßten; wir sind in der komfortablen Situation, schon verbriefte Freiheiten zu verteidigen.
Bei vielem, was jetzt kritisiert wird und zum schlimmen Gesamteindruck beiträgt, glaube ich nicht, daß es schlimmer wird. Glaubt wirklich jemand, daß die Polizeigewalt steigt? Als ob es früher sanfter zugegangen wäre, wenn der vermummte und uniformierte Korpsgeist aufmarschiert ist. Als ob es früher nicht willkürliche Hausdurchsuchungen gegeben hätte. Als ob früher nicht jede Möglichkeit ergriffen worden wäre, Macht und Kontrolle auszubauen! Macht hat schon immer korrumpiert (Lord Acton) und alle irgendwie Herrschenden und Befehlenden waren schon immer Schufte (Arno Schmidt).
Nein, die Sichtbarkeit steigt: Nicht mehr nur Privilegierte können sich wehren, jeder kann bloggen und damit Öffentlichkeit erzeugen. Diese Sichtbarkeit ermöglicht ganz neue Formen von Widerstand und Koordination. Verhindern kann man das nur durch totalitäre Maßnahmen, und selbst dann glaube ich, daß es nicht möglich ist, die Öffentlichkeit ganz zu zerstören, selbst dann geht der Geist der Freiheit nicht mehr zurück in die Flasche.
Niemand hat behauptet, daß Freiheit von allein weiterbestehen würde: »Der Preis der Freiheit ist ewige Wachsamkeit.« Politik mit ihrer Kompetenzkompetenz tendiert immer zu mehr Kontrolle und mehr Regelung, und der 11. September mag ein Katalysator gewesen sein, daß das jetzt konsensfähiger und einfacher durchzusetzen wird. Aber gleichzeitig wächst auch die Sichtbarkeit dieser Maßnahmen, und gleichzeitig wachsen die Möglichkeiten, Widerstand und Mißtrauen gegen den Staat zu koordinieren: Die zunehmende Vernetzung sorgt für mehr Möglichkeiten der Überwachung, aber auch für mehr Möglichkeiten, Überwachung zu umgehen und sich zu koodinieren. Mit Hölderlin habe ich keine Angst vor der Zukunft: »Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.«