Von Automatik zu Autonomie

De Anima, Titelblatt einer Inkunabel aus dem 15. Jahrhundert
De anima (CC by 2.0, Penn Provenance Project)
Zu den heftigeren Debatten meines Philosophiestudiums gehörte die im De-anima-Seminar von Professor Figal über die Frage, ob es künstliches Leben geben könne. Heftig vor allem deshalb, weil schon die Prämisse der Frage nicht zu vermitteln war: Wenn für Aristoteles Leben über die Seele bestimmt ist, und die grundlegende Funktion der vegetativen Seele Ernährung und Fortpflanzung ist, Leben also auf die Erhaltung der Art zielt – läßt sich dann eine (natürlich künstliche) Maschine bauen, die diese äußeren Merkmale nachahmt – also etwa selbst-replizierende Roboter –, die dann tatsächlich lebt? Warum das laut meinem Professor nicht der Fall sein soll, habe ich nicht verstanden, zumal von einem Phänomenologen: Wenn es sich in den relevanten Merkmalen wie Lebendiges verhält, was unterscheidet es dann von Lebendigem? Die alte Aristoteles-Debatte: Ist sein Lebensbegriff materialistisch-funktionalistisch oder vitalistisch? Ist das Lebensprinzip, das Aristoteles Seele nennt, eine eigene und spezielle Lebenskraft (das ist der Vitalismus), oder ist es eine phänomenologische Beschreibung davon, wie sich etwas zeigt, das lebendig genannt wird?

An diese Debatte aus meinen Studienzeiten hat mich gestern ein Tweet von Christoph Kappes erinnert, der sich dann doch nicht auf den Artikel zur Ethik autonomer Systeme bezogen hat:

(Wobei ich anderer Meinung bin: Ethik gilt für Lebewesen, Automaten “handeln” nicht, “Handeln”=>Menschen.)

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White and nerdy

Ein Fall von ganz schlimmem Nerdtum ist wohl, wenn man bei Nerdcore (!) das hier liest:

[…] genauso wie wir im Grunde niemals etwas wirklich berühren, sondern es lediglich die Elektronen-Orbitale sind, die sich gegenseitig abstoßen […]

Und der erste Gedanke ist: Da hat der Heidegger wieder mal recht (sort of …), und man die Stelle in »Sein und Zeit« auf Anhieb findet (§ 12, S. 55):

Von einem »Berühren« kann streng genommen nie die Rede sein und zwar nicht deshalb, weil am Ende immer bei genauer Nachprüfung sich ein Zwischenraum zwischen Stuhl und Wand feststellen läßt, sondern weil der Stuhl grundsätzlich nicht, und wäre der Zwischenraum gleich Null, die Wand berühren kann. Voraussetzung dafür wäre, daß die Wand »für« den Stuhl begegnen könnte. Seiendes kann ein innerhalb der Welt vorhandenes Seiendes nur berühren, wenn es von Hause aus die Seinsart des In-Seins hat – wenn mit seinem Da-sein schon so etwas wie Welt ihm entdeckt ist, aus der her Seiendes in der Berührung sich offenbaren kann, um so in seinem Vorhandensein zugänglich zu werden. Zwei Seiende, die innerhalb der Welt vorhanden und überdies an ihnen selbst weltlos sind, können sich nie »berühren«, keines kann »bei« dem andern »sein«. Der Zusatz: »die überdies weltlos sind«, darf nicht fehlen, weil auch Seiendes, das nicht weltlos ist, z. B. das Dasein selbst, »in« der Welt vorhanden ist, genauer gesprochen: mit einem gewissen Recht in gewissen Grenzen als nur Vorhandenes aufgefaßt werden kann.

»Φ«

Bei meinem Abiball habe ich ja mit vielem gerechnet: Daß ich als einziger keinen Anzug trage (eingetroffen), wegen meiner Scheffelpreisrede gewaltsam vom Pult entfernt zu werden (nicht eingetroffen), daß ohnehin alles schief geht (auch nicht eingetroffen) – aber das: Seit diesem Monat bin ich aufgrund meiner »besonderen Leistungen im Fach Physik« ein Jahr lang Mitglied in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft – und das nur, weil mein Naturphilosophie-Referat meinen Schnitt hochgezogen hat. Anetschlecht.