Begriffsverwirrung

Zwei Artikel habe ich dieser Woche gelesen, in der mir eine seltsame Umdeutung von Begriffen aufgefallen ist: Liberal und christlich – beides Labels, mit denen ich auch verbandelt bin.

Das eine ist ein Portrait Mechthild Dyckmans, der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, FDP-MdB, das andere ein Artikel beim neuen katholisch-politischen Blog kreuz-und-quer.de.
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Wer besudelt hier wen?

Zum aktuellen Titanic-Titel habe ich noch nichts geschrieben; ich halte ihn für einen extrem zuspitzenden, aber guten Kommentar.

Norbert Geis hat nun in der Tagespost einen Artikel veröffentlicht, den ich für den eigentlichen Skandal halte: »Unüberbietbare Besudelung«.

Theologisch verwischt er die Kernbotschaft des Christentums, und politisch dehnt er den § 166 StGB (den alten »Gotteslästerungsparagraphen«) so weit, daß der Staat nur noch vordergründig ein säkularer bleibt (da muß man sich dann über die Außenwirkung des Christentums nicht wundern).

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Freiheit, Würde und Grenzüberschreitung

Bruder Paulus Terwitte OFMCap hat einen Text unter dem Titel »Karlsruher Ladenöffnungs-Urteil und Minarette« (Link auf die Startseite; einen Permalink scheint es nicht zu geben, mittlerweile ist er gar nicht mehr zu finden.) veröffentlicht: Er kreist darin um den Begriff »Grenze« und kommt zu einem seltsamen Schluß. Zentral ist dieser Satz, auf dem die gesamte Überlegung aufbaut:

Dass wir nicht Gott sind, ist der oberste Grundsatz aller Religionen. Deshalb haben Menschen für Gott sich selber Grenzen gesetzt.

Auf dieser Grundlage schafft es Bruder Paulus, aus christlicher Perspektive über »Grenzen« zu schreiben, ohne von Freiheit, Würde und dem Überschreiten von Grenzen zu handeln.
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Rückzugsgefecht gegen die Welt

Daß der europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegen Kreuze in italienischen Schulen entschieden hat, ist bekannt. Die unvermeidbaren Reaktionen folgten, gerne von Bischöfen. Der einhellige Tenor: So nicht. Vorhersehbar, aber kurzsichtig.

Die Argumente gegen das Urteil: Das Kreuz sei kulturelles Symbol, der christliche Glaube Wertfundament Europas, die Entscheidung sei undemokratisch, ein Ausdruck falschen Verständnisses von Religionsfreiheit. Keines dieser Argumente kann überzeugen; ein bloßes Rückzugsgefecht gegen die Welt – und ein intellektuelles Armutszeugnis unserer Bischöfe.
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Das Wort vom Kreuz ist kein Ponyhof

Τετέλεσται: Ich habe den Film gesehen. catholicismwow.de hat völlig recht: wer kann es sich erlauben, einen Film nicht gesehen zu haben, vor dem einhellig durch die katholische Bischofskonferenz, der EKD und dem Zentralrat der Juden in Deutschland gewarnt wird?

Am Wochenende auf der Diözesanratsvollversammlung war Domkapitular Sauers Stellungnahme heißes Thema: Wie kann er nur den Film loben? Mittlerweile weiß ich: mit recht. Ja, The Passion ist stellenweise übelstes Splatter-Kino (zum Beispiel, wenn nach dem Lanzenstich in Jesu Seite Springfluten aus ebender hervorbrechen), das mir fast schon ins Lächerliche überzeichnet schien – aber τὸ σκάνδαλον τοῦ σταυροῦ ist eben brutal. Die Intention des Filmes ist auch eindeutig nicht, Jesulein-mein-Herz-ist-klein – The motion picture zu drehen, sondern das Gottesknechtslied Jesajas, einen Kreuzweg zu verfilmen. Und wenn »Kreuzweg« gleich »problematische Verkürzung« ist, frage ich mich, ob dann in jeder Kirche problematische Verkürzungen zu finden sind und sogar ich regelmäßig problematisch verkürze.

Das dann gleich als filmische Meditation zu feiern, wie Sauer es tut, halte ich für übertrieben. Durch die Art der Gewaltdarstellung, durch die allzu hollywoodesque (und dazuerfundene) Figur des Satans (eine Idee, die interessanterweise von Sauer nur wegen der möglichen Verbindung zu Mysterienspielen gleich als besondere theologische Tiefe geadelt wird) und vor allem allgemein durch die doch deutlich dem B-Film-Genre entlehnte Bildsprache disqualifiziert sich The Passion in meinen Augen als anspruchsvolles Filmkunstwerk. Anspruch definiert sich auch nicht über Unverständlichkeit, wie Sauer zu meinen scheint, wenn er die – stellenweise historisch durchaus fragwürdige – aramäische und lateinische Sprache (Latinum lohnt sich wieder: die Geißelung ist nicht untertitelt, dafür ist das hier gesprochene Latein recht verständlich) erwähnt.

Aber.

Aber da gibt es Überraschendes: Am plakativsten ist eine der Rückblenden, in der Jesus mit Maria herumalbert – das paßt eigentlich nicht zur (sicherlich größtenteils gerechtfertigten) Kritik an Gibsons Theologie. (Nicht nur hier zeigt Gibson Humor: Maria Mariaque zitieren bei ihrem ersten Auftritt den Beginn der jüdischen Pessachliturgie.) Subtiler – und daher interessanter und gehaltvoller – sind die Frauenfiguren: der stille Protest der Frau von Pontius Pilatus, und vor allem: die beiden Mariä! Die Folterszenen (die übrigens gleich noch zeigen, daß der Film wenn überhaupt anti-, dann maximal antirömisch ist) mögen abgeschmackt sein – Mariä Mienenspiel (gerade noch konnte ich mir den unpassenden Kalauer »Mariä Gsichtstreß« verkneifen) ist es nicht. Zu den eindrücklichsten und besten Szenen gehört das stille Entsetzen, mit dem die beiden Jesu Blut mit Tüchern aufsammeln. Schließlich, am Schluß: die Pietà.

Wirklich schmerzhaft ist auch nur der Schmerz, der sich in den Reaktionen der Frauen spiegelt; die schmerzhafteste – und mit beste – Szene ist aber Simon von Kyrene vorbehalten: Ein kurzes Aufatmen auf dem Kreuzweg; Jesus scheint verschnaufen zu können. Ein Augenblick Ruhe – der brutal von den Römern auseinandergegeißelt wird.

Fazit: Die Passion Christi ist ein mittelmäßiger Jesusfilm – aber ein brillanter Marienfilm.

(Aber auch: Wer Life of Brian kennt, wird viele liebgewonnene Details wiedererkennen. Wer hat den Stein geworfen?)