Der Papst der Moderne

Ist der Papst, ist der Vatikan, ist die Kirche in der Moderne angekommen? Es häufen sich die Artikel mit dieser Fragestellung (zuletzt etwa Jan-Heiner Tück in der NZZ); gemeint ist natürlich: Im Jetzt angekommen.

Wird die Frage nach der »Moderne« gestellt, verstellt das einen wichtigen Zug in der Theologie Benedikt XVI. und der Kirche überhaupt: Daß sie nämlich in ihrer Lehre und ihrem Handeln im geistesgeschichtlichen Sinn eine Institution der Moderne par excellence ist – und genau das ist das Problem. Während umgangssprachlich die Kirche nicht modern ist, ist der Kern der benannten Probleme ihr Ausblenden postmoderner Theorie, Praxis und Lebenswelten.

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Kunst kämpft um Anerkennung

Erst jetzt der Hinweis auf einen hervorragenden Text von Thierry Chervel im Perlentaucher zur Urheberrechts-Debatte im Literaturbetrieb: Die schöne Seite der Kostenlosmentalität.

Chervel analysiert klug den seltsamen Sachverhalt, daß ausgerechnet die noch am wenigsten betroffenen Urheber_innen aus der Literatur jetzt so lautstark aufschreien:

Das Problem dieser Autoren mit dem Netz ist weniger, dass es ihre Einnahmen als dass es ihr Selbstbild als Autor in Frage stellt.

Chervel spinnt das ein wenig polemisch (aber wohl zutreffend) weiter; der Literaturbetrieb verweigere sich dem Netz, neue Formen des Schreibens würden nicht ergriffen. Das Zitat enthält darüber hinaus eine sehr kluge Betrachtung: Urheberrecht hat im Begriff schon die Überhöhung angelegt – und die heftigen Reaktionen, die Urheberrechtsdebatten hervorrufen, haben ihren Grund im Auseinanderklaffen von idealisiertem Künstlerselbstbild und ökonomischer Realität.

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Der amputierte Prothesengott. Phänomenologische Betrachtung des »offline sein«

»Welche Bedeutung für Euer Leben hat ›offline sein‹?«, fragt tante in Formspring.

»Kein Netz« ist ein Mangel, den es zu beheben gilt. »Offline sein« ist keine Tugend, genauso wie »keine Brille« eine heilsame Bescheidenheit und Zurücknahme ist. Es ist ganz und gar sinnlos, bestenfalls alberne Koketterie, nicht die vergessene Brille möglichst schnell wieder aufzusetzen oder den Zustand, in dem es kein Netz gibt, wieder zu reparieren. »Der Mensch ist sozusagen eine Art Prothesengott geworden, recht großartig, wenn er alle seine Hilfsorgane anlegt, aber sie sind nicht mit ihm verwachsen und machen ihm gelegentlich noch viel zu schaffen.« (Freud, Das Unbehagen in der Kultur.)

»Offline sein« ist auch begrifflich aus der Welt gefallen.
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