Der Papst der Moderne

Ist der Papst, ist der Vatikan, ist die Kirche in der Moderne angekommen? Es häufen sich die Artikel mit dieser Fragestellung (zuletzt etwa Jan-Heiner Tück in der NZZ); gemeint ist natürlich: Im Jetzt angekommen.

Wird die Frage nach der »Moderne« gestellt, verstellt das einen wichtigen Zug in der Theologie Benedikt XVI. und der Kirche überhaupt: Daß sie nämlich in ihrer Lehre und ihrem Handeln im geistesgeschichtlichen Sinn eine Institution der Moderne par excellence ist – und genau das ist das Problem. Während umgangssprachlich die Kirche nicht modern ist, ist der Kern der benannten Probleme ihr Ausblenden postmoderner Theorie, Praxis und Lebenswelten.

Der Papst der Moderne weiterlesen

Leserbrief: Kirchliches Diskussionsklima

Ein Artikel im Konradsblatt, der Wochenzeitung für das Erzbistum Freiburg, über die Vollversammlung des Diözesanrats und der dort erfolgten Reflexion über den Papstbesuch, hat für großen Aufruhr gesorgt. Ein Höhepunkt war, daß auf der Grundlage dieses Artikels Weihbischof Klug den Diözesanrat mit sehr deutlichen Worten in einem Leserbrief (Nr. 48, S. 32) in den Senkel gestellt hat. Auf diesen Leserbrief habe ich geantwortet, in der aktuellen Ausgabe wurde er gedruckt. Hier der Leserbrief:
Leserbrief: Kirchliches Diskussionsklima weiterlesen

Die Wahrheit wird euch freimachen

Gestern war ich im Kloster St. Peter im Schwarzwald. Der Diözesanpastoralrat (ein Beratungsorgan des Erzbischofs) tagte, und während es um eine Weiterentwicklung der pastoralen Leitlinien, um die Kirchenaustrittszahlen und den Mißbrauch in der Kirche ging, zog übers Telefon via Twitter der völlig berechtigte Shitstorm gegen das Bistum Regensburg, ausgelöst durch den Artikel Stefan Niggemeiers, der für eine bloße sachliche Darstellung des Vorgehens des Bistums abgemahnt wurde.

Das Bistum Regensburg stellt sich mit seiner Einschüchterungskampagne gegen freie Berichterstattung nicht nur gegen die Grundlage unserer Demokratie (Stefan Niggemeier führt das im verlinkten Artikel aus), es zieht auch die Kirche in den Schmutz: Die Theologie, die aus seinem Handeln folgt, ist eine Theologie der Ängstlichkeit und Enge. Aus ihr kann nur gefolgert werden kann, daß die angebliche Wahrheit, die die Kirche in Christus hat, so wahr nicht sein kann.
Die Wahrheit wird euch freimachen weiterlesen

Wahrheit ist keine Kategorie des Politischen

Direkte Demokratie ist kein Anwendungsfall der »Weisheit der Massen«, auch wenn das immer wieder gerne ins Feld geführt wird, wenn für direkte Demokratie argumentiert wird. (Jüngst etwa in den Kommentaren zu David Pachalis auch ansonsten lesenswertem Artikel Medienhype ums Minarett.)

Der Argumentation liegt eine Fehleinschätzung zugrunde: Die Weisheit der Massen und Politik beschäftigen sich mit unterschiedlichen Arten von Urteilen: Hier Sachurteile, dort Werturteile.
Wahrheit ist keine Kategorie des Politischen weiterlesen

Mehrheit und Wahrheit

Die Kritik an meinem Artikel zum Minarettverbot, das ich für illegitim halte, hebt darauf ab, daß meiner zentrale These widersprochen wird:

Wenn die Herrschaft des Rechts aber bestehen soll, dann darf es keine uneingeschränkte Herrschaft der Mehrheit geben.

Widersprochen wird etwa bei Spreeblick, ab Kommentar 196:

Wer entscheidet denn, was Recht und Unrecht sein soll in einer Gesellschaft ausser deren Mehrheit?

Mehrheit und Wahrheit weiterlesen

Fides sine ratione. Esoterik im Bayerischen Rundfunk

Am 16. November 2009 war das Thema der BR2-Sendung »Theo.Logik« Esoterik: Okkultes Schreckgespenst?. Ich weiß nicht, ob die Sendung allein vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk verantwortet wird oder ob sie von einer kirchlichen Redaktion getragen wird.

In beiden Fällen wäre die Sendung ein intellektuelles Armutszeugnis: Für eine öffentlich-rechtliche Redaktion, da sie weitgehend journalistische Distanz zu ihrem Thema vermissen läßt, für eine kirchliche, da sie völlig darin scheitert, das beschriebene Phänomen theologisch und philosophisch zureichend einzuordnen.
Fides sine ratione. Esoterik im Bayerischen Rundfunk weiterlesen

Ökologie? Der moderne Ersatz für Glauben

Klimawandel wird von einem britischen Gericht nun also wie eine Religion behandelt. Das fordert süffisante Kommentare geradezu heraus, und mit klammheimlicher Freude lese ich Überschriften wie »The Church of the Very Sad Polar Bears«.

So einfach ist es aber dann doch nicht. Klimawandel ist nicht zur Religion erklärt worden. Geprüft wurde, ob eine ökologische Einstellung analog zu Religion zu behandeln sei gemäß den britischen Employment Equality (Religion or Belief) Regulations. Die Entscheidung, den schwammigen Anwendungsbereich des Gesetzes (»›religion or belief‹ means any religion, religious belief, or similar philosophical belief.«) auf eine ökologische Grundhaltung auszudehnen, bringt Probleme mit sich – über die Probleme, die jeder Versuch einer gesetzlichen Regelung gegen Diskriminierung mit sich bringt.
Ökologie? Der moderne Ersatz für Glauben weiterlesen

Die EU-Maultasche kolonialisiert die Lebenswelt

Die Schwäbische (Suppen-)Maultasche ist nun offiziell als regionale Spezialität unter den Schutz der EU gestellt. Die Presse feiert das einhellig, gemeinsam mit dem baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium. Dabei ist der Sachverhalt hochproblematisch: Nicht nur der schwäbische Imperialismus, der überall mitklingt, auch eine zweifelhafte Ausweitung von künstlich geschaffenen Exklusivrechten und die Mentalität, die daraus spricht, sollte hinterfragt werden.
Die EU-Maultasche kolonialisiert die Lebenswelt weiterlesen