Die Furcht der alten Männer

Neben Jubelpersern wird in der Kirche etwas Neues üblich: Klagerömer. Mit sprungbereiter Feindseligkeit schlagen sie auf bestimmte Schlagwörter an. Zölibat ist eins davon. Alois Glück, neugewählter ZdK-Präsident, zur BILD (zitiert nach einem Bericht des BR):

Die Frage des Pflichtzölibats kann nur innerhalb der Weltkirche gelöst werden. Ich würde es begrüßen, wenn bewährte, verheiratete Diakone mit einer entsprechenden Fortbildung zur Priesterweihe zugelassen würden.

So weit, so unspektakulär referiert Glück die Lage und seine Einschätzung dazu. Bischof Mixa von Augsburg dagegen kann es nicht leiden; auf der Agenda stünden vielmehr »aggressiver Atheismus« und die »Verdunstung menschlicher Werte«.

Die Heftigkeit wundert mich, mit der bestimmte Kreise immer wieder reagieren, wenn eine theologische Binsenweisheit ausgesprochen wird wie die, daß der Zölibat eben kein Dogma ist. (Das passierte schon, als Erzbischof Zollitsch im Spiegel seine Dissertation noch einmal referierte, in der es um Amt und Funktion des Priesters in den ersten beiden Jahrhunderten geht.) Immer dazu gehört die Unterstellung, daß es den Kritikern des Pflichtzölibats darum ginge, den Zölibat ganz abzuschaffen und damit das Charisma des Zölibats geringzuschätzen. Tatsächlich geht es ja nur darum, was Joseph Ratzinger 1970 in Glaube und Zukunft benannt hat:

Die Kirche der Zukunft wird neue Formen des Amtes kennen und bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen.

Niemand will doch ernsthaft darauf verzichten, daß Ordensleute (Männer wie Frauen!) und auch Weltpriester (und Laien) dieses unverzichtbare geistliche Zeichen leben. Nur bedingen Zölibat und Priestertum sich eben nicht wechselweise; nicht einmal in der Praxis, wie die unierten Ostkirchen zeigen und sogar einige geweihte und verheiratete Konvertiten.

Besonders bizarr ist, daß die Vorschläge, verheiratete Männer zu weihen (oder einen fakultativen Zölibat einzuführen), ja nicht um ihrer selbst willen geschehen: Zu den Zielen gehört nicht nur, Männer in ihrer Berufung zum Priestertum anzuerkennen, die nicht zum Zölibat berufen sind. Das erste Argument ist die Sorge um die Gemeinden und speziell um die Sakramente. Der Jesuit Stefan Kiechle spricht in der Herder-Korrespondenz vom November davon, daß eine Verweigerung der Debatte den Zölibat gegen die Eucharistie ausspielen würde – und dabei die Eucharistie (was ja eigentlich das Wichtigere ist) zurückstecken müsse. (Ich selbst teile übrigens Mixas Sicht – nur ziehe ich daraus nicht den Schluß, daß deshalb Priestertum nur mit Pflichtzölibat zu denken sei.)

Glück wie Mixa haben beide völlig recht mit dem, was sie über den Zölibat sagen – eigentlich kann es also gar nicht um den Zölibat gehen. Um was dann?

Die Argumentation ist paternalistisch: Mixa dekretiert, daß die Kirche jetzt andere Sorgen als den Zölibat hat. Das ist eine Denkweise einer vergangenen Zeit. Das funktioniert aber nicht in einer Kirche, in der beständig alles diskutiert werden kann und alles diskutiert wird. Wir leben als Kirche unter den Bedingungen von Öffentlichkeit, von allgemeiner Bildung und – durch unsere Sozialisierung und Erziehung hin zum mündigen (Staats-)Bürger – der Bereitschaft und der Fähigkeit zu Kritik und Diskussion. Unter diesen Bedingungen können Debatten nicht wegdekretiert werden. Debatten sind gerade wichtig, da sie heute die Form sind, unter denen Glauben sich als rational, tragfähig und damit glaubbar ausweisen kann.

Trotz Dekret: Die Debatte findet statt. In den Leserbriefspalten der Kirchenzeitungen, in den Räten und Verbänden, auf Pfarrfesten und auf Kirchplätzen nach der Sonntagsmesse. Gesamtgesellschaftlich sowieso, wie die Reaktionen der Presse auf Glücks weiß Gott harmloses Interview zeigen. Der Papst hat das Thema schließlich selbst auf die Agenda gesetzt, da er im neuzugründenden anglikanischen Personalordinariat verheiratete Priester zuläßt. (Wenn auch wohl nicht dauerhaft.)

(Das Muster findet sich etwa auch im päpstlichen Basta in Sachen Frauenordination in Ordinatio Sacerdotalis. Das Traditionsargument wird ins Feld geführt, Argumente angeführt, warum die Kirche nicht die Vollmacht hat, Frauen zu ordinieren. Der Schluß ist bemerkenswert: Nachdem das Fehlen der Vollmacht festgestellt wurde, wird festgelegt, daß sich »alle Gläubigen endgültig an diese Entscheidung zu halten haben«, nachdem es zuvor schon als falsch angesehen wurde, daß die Frage »diskutierbar« scheint. Man vertraut nicht auf die Kraft der Argumente, das Thema wird kraft Autorität aus der Diskutierbarkeit herausgenommen.)

Das Festhalten an einem Öffentlichkeitsverständnis, das nur Verlautbarungen von Autoritäten kennt und jede Diskussion schon als spaltend auffaßt, trägt auch dazu bei, daß »Werte verdunsten«. Solche Basta-Stile senden ein Signal: Furcht vor der Diskussion, und eine diffuse Angst vor der Postmoderne. Furcht weist auf Schwäche hin. Wenn das Argument so stark wäre, wie behauptet, dann bräuchte man eine Debatte gar nicht fürchten. Wenn eine Debatte aber nur gewonnen werden kann, indem Geschlossenheit und Einigkeit nach außen gezeigt werden, und sei es durch ein Diskussionsverbot, dann ist die Debatte schon verloren. Dann hat man den Anspruch, daß Glaube und Verstehen zusammengehören, aufgegeben.

Full disclosure: Ich selbst bin ZdK-Mitglied und war damit an der Wahl Alois Glücks beteiligt.

3 Gedanken zu „Die Furcht der alten Männer“

  1. Ich gebe zu, dass mir das ZdK ziemlich egal ist. Dein Artikel ist aber sehr gut. Ich kann diesen Beißreflex beim Thema Zölibat nicht nachvollziehen. Dabei geht es nicht mal um ein Dogma.

  2. Ich finde es merkwürdig, wie du eine Debatte einforderst, als ob Jesus Christus gesagt hätte: Wenn ihr nur heftig diskutiert und breitestens debattiert, seid ihr bei mir und im Himmelreich. Hat er das gesagt?

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