Nicht Mann und Frau

In meinem letzten Artikel, »Der Papst der Moderne«, habe ich reichlich theoretisch darüber gesprochen, daß Kategorien immer fragwürdiger werden und dadurch – praktisch wie theoretisch – kirchliches Handeln, das auf ganz klaren richtig–falsch, schwarz–weiß-Kontrasten aufbaut, immer problematischer wird. Zwei Texte sind mir seither untergekommen, die das noch einmal gut illustrieren. Norbert Lammert zu »Wahrheiten und Mehrheiten«, und ein Artikel von Marian Ronan in Religious Dispatches zur gar nicht so einfachen Definition der Homoehe.

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Non assumptum, non sanatum: Zu Sex and the City II

Gestern habe ich »Sex and the City II« gesehen. Den Film einfach als flach, sexistisch und kulturell unsensibel, mindestens aber als nicht feministisch abzutun, reicht nicht weit genug. Drüben bei Gay West nimmt Adrian diese einfachen Interpretationen sehr treffend auseinander, und ich kann seiner Schlußfolgerung nur zustimmen. (Auch wenn mir Markus Zierke ziemlich egal ist; schon zu Serienzeiten war ich immer für Aidan – was allerdings auch an meiner verkorksten postmateriellen Sozialisation liegen mag.)

Es ist nämlich nicht so einfach. Einfach einen Feminismus als politisch korrekte Leitkultur aus dem bunten Strauß aus Feminismen auszuwählen, dessen Einstellung zu Sexualität, dessen Ästhetik, dessen Moral, dessen Moral der Ästhetik und dessen Ästhetik der Moral als Maß zu nehmen: Das muß scheitern. Zwischen Burka und Porno gibt es keine gesunde und objektiv bestimmbare Mitte.

Darum geht es nämlich eigentlich in diesem Film, und mir scheint das sehr gelungen zu sein.
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Bloggen und Gender

Yesterday I gave a talk on »Blogging and Gender« during the »Expert’s meeting ›Media and Gender equality‹«, organized by the spanish Ministry of Equality. Here you can download my slides with notes (in English).

Gestern habe ich in Madrid beim »Expert’s meeting ›Media and Gender equality‹«, veranstaltet vom spanischen Gleichstellungsministerium im Rahmen der spanischen Ratspräsidentschaft, einen kurzen Vortrag zum Thema »Blogging and Gender« gehalten. Die Folien (auf englisch mit Anmerkungen) sind hier zu finden, der ausformulierte Vortrag folgt unten. (Für die vermutete Zielgruppe meines Blogs sollte nichts allzu neues dabei sein; die meisten düften die Diskussion in der deutschen Blogosphäre mitverfolgt haben.)

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Mehr Lila für Magenta

Ich mag das Wort »Frauenquote« nicht. Von der »Frauenquote« ist es nicht weit bis zur »Quotenfrau«, und dann ist das Anliegen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, schnell delegitiermit: Das alte Problem der Reifizierung; Probleme werden verstärkt, indem sie benannt werden.

Die Telekom hat jetzt eine Frauenquote eingeführt; und abgesehen von dem Begriff und der unnötig defensiven Pressemeldung, die (nochmal Reifizierung) offensiv vermeintliche Gegenargumente selbst auf den Tisch bringt, finde ich das sehr gut.

(Den kalauernden Titel bitte ich zu enschuldigen; die Alternative wäre »Neue F-Klasse für Team T« gewesen.)
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Gegen den gesunden Menschenverstand

Gestern habe ich mich mit der Frage beschäftigt, ob Politik für die Piraten wertfrei funktioniert. Ein weiteres Thema gehört dazu: Die Frage nach dem immer wieder betonten gesunden Menschenverstand. Den halte ich nicht nur in der Piratenpartei für überbewertet.

Descartes beginnt den ersten Abschnitt seines Discours de la méthode so:

Der gesunde Verstand ist das, was in der Welt am besten vertheilt ist; denn Jedermann meint damit so gut versehen zu sein, dass selbst Personen, die in allen anderen Dingen schwer zu befriedigen sind, doch an Verstand nicht mehr, als sie haben, sich zu wünschen pflegen.

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Gender Mainstreaming

Ich habe einen Studienteil mit der Referentin für Geschlechtergerechtigkeit unseres Bundesverbandes zum Thema Gender Mainstreaming besucht, und das erste Mal habe ich den Eindruck, daß das Konzept sogar etwas taugen könnte, sogar diesen elenden Schwanz-ab-Feminismus der 70er abschaffen könnte. Das Problem ist nur, daß sich alle Leute »Gender Mainstreaming« auf die Fahnen schreiben und trotzdem genau die Arbeit machen, die sie vorher schon gemacht haben und sie das nun eben nicht mehr Frauen- und Männerarbeit (oder gar -förderung) nennen, sondern eben GM.

Der Ansatz, sich explizit überall anzuschauen (und eben nicht nur in speziellen Männer- und Frauen-Biotopen), wie Geschlechtergerechtigkeit verwirklicht wird und dabei zu versuchen zu verstehen, woran es liegt und ob und wie man eine Verbesserung der Situation erreichen kann (und ob das überhaupt notwendig ist), ist aber leider viel zu vernünftig und zu undogmatisch, um je eine Chance in Gremien zu bekommen, in denen bisher schon die Bereitschaft besteht, Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen – und in anderen sowieso nicht. (Andererseits: Gerade eine Kanzlerin Merkel wäre die ideale Person, um in ihrem Kabinett mal wirklich was zu bewegen. So wie Reformen der Sozialsysteme von der Linken kommen müßte, weil die Rechte sie nie durchsetzen könnte, müßten Initiativen zur Liberalisierung der Gesellschaft von der bürgerlichen Rechten kommen.)

Emanzipation bizarr.

Mit unserer Bundesebene haben wir Freiburger schon so manchen Strauß ausgefochten. Auch die diesjährige Bundeskonferenz war spannend: Neben einem inoffiziellen Studienteil zum Thema Heterogetucke (ausgerichtet von der neu gegründeten Kooperation Fulda–Freiburg) wurde auch geschlechtergetrenntes Fußballspielen in Vierteln beschlossen. Ein alberner Unsinn, der mich zu einer persönlichen Erklärung motivierte:

Die KjG ist ein Verband, in dem die Geschlechtergerechtigkeit in weiten Teilen in vorbildlicher Weise verwirklicht ist. Unsere Strukturen und unsere Traditionen ermöglichen die Partizipation aller Geschlechter. Nun haben wir ein sogenanntes »Gender-Mainstreaming-Leitbild« verabschiedet, das nichts neues sagen muß, weil wir bereits jetzt mehr verwirklicht haben, als gesamtgesellschaftlicher Stand ist. Die KjG ist in bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit unbedingt ein Vorbild.

Dennoch verweigert sich unser Verband der Auseinandersetzung mit dem Konzept »Gender« als soziales Geschlecht – in den geschlechtergetrennten Konferenzen, aber auch im Antrag »KönigIn Fußball« wird bloßes »sex mainstreaming«, also die völlige Fokussierung auf das biologische Geschlecht, betrieben.

Kritik an den bestehenden, allein das biologische Geschlecht betonenden, Strukturen wird abqualifiziert, die soziologische Theorie eines sozialen Geschlechts tauchte und taucht zu keiner Zeit auf.

Die Behauptung, die Methode »Gender Mainstreaming« werde in der KjG angewandt, ist schlicht und ergreifend falsch. Wenn wir unsere eigenen Beschlüsse ernstnehmen, müssen wir weg von der reinen Betrachtung des biologischen Geschlechts hin zu einer ernsthaften Beschäftigung mit dem sozialen Geschlecht.

Heterogetucke

Schon seit dem Wintersemester freue ich mich aufs Sommersemester. Genauer: Auf die SS-Ausgabe der hier schon erwähnten »Femme totale«, der Semesterbroschüre des Frauenbüros der Uni Mannheim. Nicht nur prima Büchergutscheine kann man dort gewinnen, man lernt auch wirklich etwas fürs Leben.

So wünschte ich als soziologisch interessierter und für Gender-Fragen aufgeschlossener Mensch mir schon immer eine saubere Definition von »Getucke«. Voilà:

Getucke ist ein komplexer Code aus Verhaltensweisen, körperlichen und psychologischen Haltungen, der gewöhnlicher Weise als ein Identitätszeichen schwuler Männer gilt. Getucke wird von weiten Teilen der heterosexuellen Welt als übertriebene Affektiertheit kritisiert, mit der Schwule die echten Männer belästigen wollen.

Soweit Javier Sáez in seinem auch sonst sehr lesenswerten Artikel »Heterogetucke«.