Gegen eine biologische Theorie des Politischen

In meinem Artikel zu Bloggen und Gender wurde eine interessante Frage gestellt, die ich etwas ausführlicher beantworten möchte. Christian fragt dort:

Könntest du dir vorstellen, dass ein Teil der Geschlechterunterschiede auch biologisch verankert ist?
Simon Cohen Baren, der an Autismus forscht, meint, dass sich Gehirne von typischen Männern und typischen Frauen stark unterscheiden (wobei Mischformen möglich sind).
„Die grundlegende Verschaltung des idealtypisch weiblichen Gehirns begünstigt empathische Analysen während im männlichen Gehirn die Netzwerke für das Verstehen und Bauen von Systemen die Fundamente bilden.”

Da wären dann Themen wie Politik eher was für Männer und Themen wie Beziehungen zu Bekannten, die eher emphatisch sind, eher was für Frauen. Die Ansichten von Cohen-Baron würden demnach auch diese Verteilungen erklären

Natürlich kann ich mir das vorstellen. Die Debatte um »nature or nurture« finde ich aber so spannend nicht; in Geschlechterfragen ist mein Interesse eher ein sozialwissenschaftliches als ein philosophisches (oder wenn’s im Rahmen der Philosophie gefaßt werden soll: ich denke über politische Theorie nach und nicht über Ontologie). Das Männer und Frauen unterschiedlich sind (hirnphysiologisch zumal), unterschiedlich behandelt werden und unterschiedlich handeln, ist erstmal eine Tatsache. (Auch wenn das natürlich sehr holzschnittartig argumentiert ist und Fragen nach sozialen und kulturellen Rollen und Rollenzuweisungen ausklammert.) Woran das liegt, halte ich erstmal für zweitranig für eine politische Diskussion; idealtypisch ist es entweder Biologie oder Sozialisierung (und weniger idealtypisch eine Mischung, und dann ist noch die Henne-Ei-Frage, ob das Gehirn gesellschaftliche Strukturen adaptiert oder umgekehrt). Beides, Natur und Erziehung, läßt sich nicht einfach wegprogrammieren, und schon gar nicht zwangsweise. Die gesellschaftliche Frage ist: Wie gehen wir damit um? Das interessiert mich.
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Gender Mainstreaming

Ich habe einen Studienteil mit der Referentin für Geschlechtergerechtigkeit unseres Bundesverbandes zum Thema Gender Mainstreaming besucht, und das erste Mal habe ich den Eindruck, daß das Konzept sogar etwas taugen könnte, sogar diesen elenden Schwanz-ab-Feminismus der 70er abschaffen könnte. Das Problem ist nur, daß sich alle Leute »Gender Mainstreaming« auf die Fahnen schreiben und trotzdem genau die Arbeit machen, die sie vorher schon gemacht haben und sie das nun eben nicht mehr Frauen- und Männerarbeit (oder gar -förderung) nennen, sondern eben GM.

Der Ansatz, sich explizit überall anzuschauen (und eben nicht nur in speziellen Männer- und Frauen-Biotopen), wie Geschlechtergerechtigkeit verwirklicht wird und dabei zu versuchen zu verstehen, woran es liegt und ob und wie man eine Verbesserung der Situation erreichen kann (und ob das überhaupt notwendig ist), ist aber leider viel zu vernünftig und zu undogmatisch, um je eine Chance in Gremien zu bekommen, in denen bisher schon die Bereitschaft besteht, Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen – und in anderen sowieso nicht. (Andererseits: Gerade eine Kanzlerin Merkel wäre die ideale Person, um in ihrem Kabinett mal wirklich was zu bewegen. So wie Reformen der Sozialsysteme von der Linken kommen müßte, weil die Rechte sie nie durchsetzen könnte, müßten Initiativen zur Liberalisierung der Gesellschaft von der bürgerlichen Rechten kommen.)

Emanzipation bizarr.

Mit unserer Bundesebene haben wir Freiburger schon so manchen Strauß ausgefochten. Auch die diesjährige Bundeskonferenz war spannend: Neben einem inoffiziellen Studienteil zum Thema Heterogetucke (ausgerichtet von der neu gegründeten Kooperation Fulda–Freiburg) wurde auch geschlechtergetrenntes Fußballspielen in Vierteln beschlossen. Ein alberner Unsinn, der mich zu einer persönlichen Erklärung motivierte:

Die KjG ist ein Verband, in dem die Geschlechtergerechtigkeit in weiten Teilen in vorbildlicher Weise verwirklicht ist. Unsere Strukturen und unsere Traditionen ermöglichen die Partizipation aller Geschlechter. Nun haben wir ein sogenanntes »Gender-Mainstreaming-Leitbild« verabschiedet, das nichts neues sagen muß, weil wir bereits jetzt mehr verwirklicht haben, als gesamtgesellschaftlicher Stand ist. Die KjG ist in bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit unbedingt ein Vorbild.

Dennoch verweigert sich unser Verband der Auseinandersetzung mit dem Konzept »Gender« als soziales Geschlecht – in den geschlechtergetrennten Konferenzen, aber auch im Antrag »KönigIn Fußball« wird bloßes »sex mainstreaming«, also die völlige Fokussierung auf das biologische Geschlecht, betrieben.

Kritik an den bestehenden, allein das biologische Geschlecht betonenden, Strukturen wird abqualifiziert, die soziologische Theorie eines sozialen Geschlechts tauchte und taucht zu keiner Zeit auf.

Die Behauptung, die Methode »Gender Mainstreaming« werde in der KjG angewandt, ist schlicht und ergreifend falsch. Wenn wir unsere eigenen Beschlüsse ernstnehmen, müssen wir weg von der reinen Betrachtung des biologischen Geschlechts hin zu einer ernsthaften Beschäftigung mit dem sozialen Geschlecht.