Für die aktuelle Ausgabe der Salzkörner – Materialien für die Diskussion in Kirche und Gesellschaft habe ich einen Artikel zum Thema Netzneutralität geschrieben (der Titel ist nicht von mir). Der Zielgruppe geschuldet, deren fachlichen Schwerpunkte eher nicht im Bereich Netzpolitik liegen, ist er sehr grundsätzlich geworden. Die Schwerpunkte liegen wieder auf den Aspekten Ordnungspolitik und Teilhabegerechtigkeit – zwei Ansätze, mit denen man über die enge netzpolitisch ohnehin schon interessierte Klientel Gehör finden kann.
Schlagwort: Partizipation
Mehr als mal eben meßbar. Politische Kommunikation in Facebook
Stephan Eisel attestiert bei der Konrad-Adenauer-Stiftung Facebook »vor allem im politischen Bereich nur eine relativ begrenzte Reichweite«. (Erstveröffentlichtung in seinem Blog.) Dazu nimmt er die Zahl der Facebook-Nutzenden auseinander und relativiert sie deutlich; die Zahl wird künstlich durch Nutzung auf mehreren Geräten und an mehreren Orten sowie durch Fake-Profile und tote Accounts hochgetrieben. Sein eigentliches Argument ist es, daß die verbleibenden echten, aktiven Leute wenig über Politik reden.
Anhand von drei eindeutig bestimmbaren, nach Commitment und Aussagekraft aufsteigend sortiertenKennzahlen macht Eisel politisches Interesse fest: Verbindungen über »Gefällt mir«, Verbindungen über Freundschaften und die von Facebook berechnete Zahl der »Personen, die darüber sprechen«. Mit der Analyse dieser Zahlen sieht er seine These belegt: Facebook biete nicht genügend Reichweite für die Nutzung in der politischen Kommunikation, die Nutzenden seien in der Breite politisch desinteressiert:
In der Ansprache von Bürgern durch zentrale Angebote ist die Reichweite von Facebook also außerordentlich begrenzt. Innerhalb der dort überhaupt erreichbaren politisch interessierten Minderheit liegen die interessanteren Möglichkeiten im dezentralen Bereich. Hier kann es beispielsweise der einzelne Bundestagsabgeordnete auf durchaus beachtliche „Fan-Zahlen“ bringen.
Ich halte Eisels Schlußfolgerungen nicht für zutreffend – weil schon die Kriterien der Analyse nicht zutreffen, und zwar sowohl technisch wie inhaltlich. Das sagt viel über das zugrundeliegende Bild von Politik und politischer Kommunikation und Politik überhaupt aus.
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Vom Parlament zur Agora
Dieser Tage ist viel über Kontrollverlust die Rede.
Ich halte ja das Vorgehen der Beteiligten (den schwarzen Peter schiebe ich aber doch der FAZ zu) für eine Überreaktion; selbst eine betuliche hessische Online-Redaktion könnte sich auf die Tugenden des ehrlichen Kaufmanns besinnen: man vertraut auf die Integrität des Geschäftspartners, Fehler passieren eben, die klärt man, und dann hat man wieder eine Geschäftsgrundlage. Eigentlich interessant finde ich, daß sich hier ein Aspekt von Kontrollverlust ganz praktisch sehen läßt: Die öffentliche Privatheit, die das Netz ermöglicht, ist nicht kompatibel mit der hergebrachten Auffassung von Diskretion. Wir sehen die Ausläufer eines Paradigmenwechsels: Von »Die Gedanken sind frei« (»doch alles in der Still’/und wie es sich schicket.«) zur Nudistenkolonie, in der niemand nackt ist.
Ungeklärt ist, was das für gesellschaftliche wie politische Institutionen heißt.
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Gegen eine biologische Theorie des Politischen
In meinem Artikel zu Bloggen und Gender wurde eine interessante Frage gestellt, die ich etwas ausführlicher beantworten möchte. Christian fragt dort:
Könntest du dir vorstellen, dass ein Teil der Geschlechterunterschiede auch biologisch verankert ist?
Simon Cohen Baren, der an Autismus forscht, meint, dass sich Gehirne von typischen Männern und typischen Frauen stark unterscheiden (wobei Mischformen möglich sind).
„Die grundlegende Verschaltung des idealtypisch weiblichen Gehirns begünstigt empathische Analysen während im männlichen Gehirn die Netzwerke für das Verstehen und Bauen von Systemen die Fundamente bilden.”Da wären dann Themen wie Politik eher was für Männer und Themen wie Beziehungen zu Bekannten, die eher emphatisch sind, eher was für Frauen. Die Ansichten von Cohen-Baron würden demnach auch diese Verteilungen erklären
Natürlich kann ich mir das vorstellen. Die Debatte um »nature or nurture« finde ich aber so spannend nicht; in Geschlechterfragen ist mein Interesse eher ein sozialwissenschaftliches als ein philosophisches (oder wenn’s im Rahmen der Philosophie gefaßt werden soll: ich denke über politische Theorie nach und nicht über Ontologie). Das Männer und Frauen unterschiedlich sind (hirnphysiologisch zumal), unterschiedlich behandelt werden und unterschiedlich handeln, ist erstmal eine Tatsache. (Auch wenn das natürlich sehr holzschnittartig argumentiert ist und Fragen nach sozialen und kulturellen Rollen und Rollenzuweisungen ausklammert.) Woran das liegt, halte ich erstmal für zweitranig für eine politische Diskussion; idealtypisch ist es entweder Biologie oder Sozialisierung (und weniger idealtypisch eine Mischung, und dann ist noch die Henne-Ei-Frage, ob das Gehirn gesellschaftliche Strukturen adaptiert oder umgekehrt). Beides, Natur und Erziehung, läßt sich nicht einfach wegprogrammieren, und schon gar nicht zwangsweise. Die gesellschaftliche Frage ist: Wie gehen wir damit um? Das interessiert mich.
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Mehr als Autofahrerpartei auf der Datenautobahn
Außer dem Zitat von den Piraten als Autofahrerpartei der Netze wurde (mit Ausnahme einer kurzen Einschätzung bei netzpolitik.org) bisher wenig zur Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Piratenpartei gesagt. Ich habe mir die Studie etwas genauer angesehen.
Das Fazit vorab: Deskriptiv ganz in Ordnung, politikwissenschaftlich und soziologisch zu wenig ausgeführt. Das größte Versäumnis der Studie ist es, zu sehr auf der Inhaltsdimension zu beharren – und ein völlig fehlendes Verständnis für die Besonderheit der Struktur der Piratenpartei.
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Anti-Parteien-Partei 2.0
Heute lagen drei Belegexemplare der »Berliner Republik« im Briefkasten. Eigentlich bereits für die letzte Ausgabe (doch dann kam überraschend das niederschmetternde SPD-Ergebnis bei der Bundestagswahl dazwischen) hatte ich einen Artikel über die Piratenpartei geschrieben, der nun unter dem Titel »Die digitale Opposition« erschienen ist.
Die Redaktion hat meinen Artikel massiv redigiert; aus meinem mäandernden hypotaktischen Stil wurde so – wie ich finde – ein fast unerträgliches Stakkato aus unverbunden aneinandergereihten Hauptsätzen – daher veröffentliche ich hier nochmal den Artikel in seiner Rohform.
Für Leser meines Blogs steht nicht viel neues drin; er faßt im wesentlichen die Artikel »Danke, Piratenpartei. Was bleibt?«, »Politische Geographie«, »Piraten, Gender und Pragmatik«, »Wahl-o-mat: Piraten als radikale Zentristen« und »Gekommen um zu bleiben? Piraten politikwissenschaftlich.« zusammen.
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Basta zu Zensursula
Und wieder ein Basta: Olaf Scholz hat (nach einem halben Jahr und einer krachenden, aber verdienten Wahlniederlage) im Spiegel- und Heise-Interview die Argumente der Zensursula-Gegner übernommen. (via netzpolitik.org) Inhaltlich ist, was Olaf Scholz da verbreitet, natürlich korrekt; aber das wußte man auch vorher. Interessant daran ist, wie wenig die SPD gelernt hat, selbst wenn mal etwas gelernt wurde. Der Lernprozeß wurde wieder einmal per Basta umgesetzt.
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Blogtips: Wahlrecht und Dogmatik
In dieser Woche bin ich auf zwei großartige Blog-Projekte aufmerksam geworden. Sonst packe ich für lesenswert befundene Blogs kommentarlos in die Blogroll, diese beiden möchte ich dem geneigten Leser besonders ans Herz legen: Das KD-Projekt und Demokratie von unten.
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Das Netz integriert Öffentlichkeiten. Gegen Precht
Richard David Prechts vieldiskutierte Rede zur Fragmentierung der Öffentlichkeit wurde als Gegenargument zu meinem Artikel »Das Ende der digitalen Politik«, der auf Carta zweitveröffentlicht wurde, angeführt:
Die Analyse greift allerdings zu kurz. Denn der digitale Strukturwandel bringt auch eine extreme Fragementierung der Öffentlichkeit mit sich. Richard David Precht hat bei seiner Keynote zu den Münchner Medientagen von einem »individualisierten Kollektiv vereinzelter Masseneremiten« gesprochen. Und hier sehe ich das Grundproblem.
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Geht doch, SPD BW
Die SPD Baden-Württemberg hat eine Mitgliederbefragung durchgeführt, um einen neuen Vorsitzenden zu nominieren. Abgesehen davon, daß das ein zukunftsweisender Prozeß ist, den gerade die SPD nötig hat, ist das angewandte Verfahren bemerkenswert: Durchdacht, angemessen und gut kommuniziert.
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