Sind die Piraten eine dauerhaft ernstzunehmende Partei? – pro

Für die Heidelberger Studierendenzeitung ruprecht wurde ich gebeten, die pro-Seite der Frage »Sind die Piraten eine dauerhaft ernstzunehmende Partei?« zu beantworten: In der Ausgabe 137 auf Seite 2 oder hier. (Wie ich dort allerdings zum Journalisten geworden bin, weiß ich nicht. Immerhin: Alles besser als Social-Media-Berater.)

»Die Piratenpartei ist in vier Landtagen vertreten, bald wohl auch im Bundestag. Da wäre es fahrlässig, sie nicht ernst zu nehmen. Ende Artikel.

Und langfristig? Die Piratenpartei ist keine bloße Modeerscheinung des Parteiensystems, wie es immer wieder kleinere Protestparteien waren. Erfolgreiche Parteien greifen die großen Konflikte ihrer Zeit auf: Bei den Piraten ist das der enorme gesellschaftliche Wandel der politischen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit durch das Netz.
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Spaß und Protest

Wird die Piratenpartei diskutiert, dann geht es meistens um das Programm: Wofür steht die Partei, hat sie ein Programm, hat sie Themen (und hat sie mehr als eins), wie ist sie ins politische Spektrum einzuordnen? Es geht auch um strukturelle Fragen: Wer ist Mitglied, wer wählt sie – und warum? Ist es Protest, ist es Spaß?

Protestpartei und Spaßpartei – in diesen Frame wollen die etablierten Parteien die Piraten einpassen. Das ist korrekt. Die Piraten sind eine Protestpartei und eine Spaßpartei – aber nicht in dem Sinn, wie diese Begriffe gemeinhin benutzt werden. Protest und Spaß: Das macht die Piraten aus, und das ist ihre Stärke und ihr Beitrag zum Parteiensystem.
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Die Piratenpartei. Entstehung und Perspektive

Schon länger liegt meine Magisterarbeit auf Halde; heute habe ich sie endlich von den formalen Beschränkungen der Prüfungsordnung befreit und in einen halbwegs präsentablen Satz gebracht: Die Piratenpartei: Entstehung und Perspektive (PDF, 1046 kB)

Die Arbeit ist zwar schon im letzten Sommer fertiggestellt worden, ist aber – trotz völlig unvorhersehbarer Entwicklungen – immer noch halbwegs aktuell und hoffentlich mit Gewinn zu lesen.

Interessant aus meiner Sicht ist besonders die Analyse der Wählerstruktur und die Einordnung ins politische Spektrum anhand programmatischer Texte, auch im Vergleich mit der schwedischen Mutterpartei.

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Aggressive Politikverweigerung

Sehr viel über das Politikverständnis von Parteien kann man dieser Tage aus einer Pressemitteilung der SPD Rheinland-Pfalz lernen: Im Wahlkreis Bitburg-Prüm wurde Michael Billen wieder als Kandidat für die Landtagswahlen nominiert – gegen den ausdrücklichen Einsatz der CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner. Michael Billen, das ist der mit der Kommissarin als Tochter, die »nur aus Neugierde« für die SPD belastendes Material aus der Polizeidatenbank geladen hatte, das der Vater dann »zufällig« auf dem Rechner daheim fand.
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Mehr als Autofahrerpartei auf der Datenautobahn

Außer dem Zitat von den Piraten als Autofahrerpartei der Netze wurde (mit Ausnahme einer kurzen Einschätzung bei netzpolitik.org) bisher wenig zur Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Piratenpartei gesagt. Ich habe mir die Studie etwas genauer angesehen.

Das Fazit vorab: Deskriptiv ganz in Ordnung, politikwissenschaftlich und soziologisch zu wenig ausgeführt. Das größte Versäumnis der Studie ist es, zu sehr auf der Inhaltsdimension zu beharren – und ein völlig fehlendes Verständnis für die Besonderheit der Struktur der Piratenpartei.
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Anti-Parteien-Partei 2.0

Heute lagen drei Belegexemplare der »Berliner Republik« im Briefkasten. Eigentlich bereits für die letzte Ausgabe (doch dann kam überraschend das niederschmetternde SPD-Ergebnis bei der Bundestagswahl dazwischen) hatte ich einen Artikel über die Piratenpartei geschrieben, der nun unter dem Titel »Die digitale Opposition« erschienen ist.

Die Redaktion hat meinen Artikel massiv redigiert; aus meinem mäandernden hypotaktischen Stil wurde so – wie ich finde – ein fast unerträgliches Stakkato aus unverbunden aneinandergereihten Hauptsätzen – daher veröffentliche ich hier nochmal den Artikel in seiner Rohform.

Für Leser meines Blogs steht nicht viel neues drin; er faßt im wesentlichen die Artikel »Danke, Piratenpartei. Was bleibt?«, »Politische Geographie«, »Piraten, Gender und Pragmatik«, »Wahl-o-mat: Piraten als radikale Zentristen« und »Gekommen um zu bleiben? Piraten politikwissenschaftlich.« zusammen.
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Das Netz integriert Öffentlichkeiten. Gegen Precht

Richard David Prechts vieldiskutierte Rede zur Fragmentierung der Öffentlichkeit wurde als Gegenargument zu meinem Artikel »Das Ende der digitalen Politik«, der auf Carta zweitveröffentlicht wurde, angeführt:

Die Analyse greift allerdings zu kurz. Denn der digitale Strukturwandel bringt auch eine extreme Fragementierung der Öffentlichkeit mit sich. Richard David Precht hat bei seiner Keynote zu den Münchner Medientagen von einem »individualisierten Kollektiv vereinzelter Masseneremiten« gesprochen. Und hier sehe ich das Grundproblem.

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Piraten: Metapartei statt Einthemenpartei?

Die Piratenpartei will sich nicht ins klassische Links-Rechts-Schema einsortieren. Gut so. Das Programm der Piraten beschränkt sich daher weitgehend auf Politikfelder, die sich im Bereich Freiheitsrechte und Urheberrecht bewegen, allein Bildung wird als weiteres klassisches Politikfeld behandelt. Ein gängiger Vorwurf ist so zwangsläufig, eine Einthemenpartei ohne Vollprogramm zu sein. Die Präambel des Parteiprogramms dazu:

Die Piratenpartei will sich auf die im Programm genannten Themen konzentrieren, da wir nur so die Möglichkeit sehen, diese wichtigen Forderungen in Zukunft durchzusetzen.

Dennoch: Wie man an der Bildung sieht, können weitere Themen jederzeit aufgnenommen werden. Im Piratenwiki herrscht eine rege Diskussion dazu. Wenn man ein wenig die Vorschläge durchblättert, sieht man, wie sinnvoll die Beschränkung ist: Da gibt es sehr liberale Positionen (Abschaffung der Landwirtschaftspolitik, Legalisierung aller Drogen), paternalistische (Rauchverbot), linke (Kostenloser öffentlicher Nahverkehr) und so weiter. Jeder Vorschlag wird kontrovers diskutiert – die Piratenpartei ist in ihrem Wiki eine sehr plurale Partei (wenn mir auch bei vielem ein linksliberaler Generalbaß durchzuklingen scheint). Wirtschaftliche Konzepte sind von bieder-liberal bis hin zu grenzgenialer Do-it-your-self-Welterklärung.
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Gekommen um zu bleiben? Piraten politikwissenschaftlich.

Bleibt die Piratenpartei bestehen? Aus politikwissenschaftlicher Sicht sehe ich zwei Aspekte, die es zu bedenken gilt: Paradigmenwechsel und Konfliktlinien.

Die Digital-natives-These stützt die Annahme eines Paradigmenwechsels: Wer mit dem Netz großgeworden ist, hat einfach einen völlig anderen Erfahrungshintergrund und bewertet vieles völlig anders – so wie heute Platons Kritik an der Schriftlichkeit im Phaidros bestenfalls noch nachzuvollziehen ist, aber niemand die These auch nur ernsthaft erwägen würde.

Konfliktlinien nimmt man traditionell (Cleavage-Theorie nach Lipset und Rokkan), um Parteientstehungen zu erklären: Säkular–klerikal, Stadt–Land, Arbeit–Kapital, Zentrum–Peripherie. Die deutsche Parteienlandschaft kann man wunderbar anhand solcher Konfliktlinien erklären.

In Kombination heißt das dann: Die Piratenpartei hat dann keine Zukunft, wenn die Paradigmenwechselthese völlig zutrifft. Dann übernehmen die etablierten Parteien auch Piratenstandpunkte, sobald ihre Protagonisten jung genug sind. Die Piratenpartei bleibt ein Intermezzo.

Solche Effekte sieht man bei FDP und Grünen: die SPD mit ihrer Neuen Mitte und die CDU mit ihrem Leipziger Programm haben zu einer schwächeren FDP geführt, und wenn Umweltthemen Mainstream werden, führt das dazu, daß die Grünen nicht allein darauf setzen können. (Das führt dazu, daß FDP und Grüne verstärkt sich auf der Konfliktlinie Freiheit–Sicherheit profilieren, die nicht zum klassischen Set von Lipset und Rokkan gehört. Was passiert, wenn die für die Grünen postulierte Konfliktlinie postmaterielle vs. klassische Werte weniger wichtig wird, da die Postmateriellen ein im Rückgang begriffenes Leitmilieu sind, steht in den Sternen.)

Die Piratenpartei kann dann Erfolg haben, wenn sich eine Konfliktlinie findet, die für die Öffentlichkeit hinreichend interessant ist. Das kann Freiheit–Sicherheit sein (dort aber eben mit der großen Konkurrenz durch die etablierten kleineren Parteien), die etwa im Bereich Urheberrecht ausbuchstabiert werden muß: Wenn dieses Problemfeld geschickt transportiert ist, wenn die kulturelle Dimension von Remixes und Mashups transportiert wird, wenn die Relevanz für den Normalbürger deutlich gemacht wird, sehe ich hier eine Konfliktlinie, die erhalten bleibt. Das Interesse der Content-Verwertungsindustrie und die absolute Geltung geistigen Eigentums (Sicherheit) einerseits , die Interessen der Öffentlichkeit, Kunst und Wissenschaft (Freiheit) andererseits.

Dumm nur, daß die Kulturschaffenden das selbst noch nicht begriffen haben, wie der Heidelberger Appell zeigt. Denen müßte man klarmachen, daß Open access, Remix und Mashup kein neumodischer und gefährlicher Blödsinn ist, sondern in ihrem ureigensten Interesse ist. Goethes Faust (Manns Dr. Faustus), die Dreigroschenoper, Merz-Kunst, Kempowskis Echolot: Alles Remixes.

Nachtrag: War ja klar, daß andere die Idee auch schon hatten: Entern die Piraten die Parteienlandschaft? bei Blog ohne Namen und Piratenpartei: Träumt weiter! bei untergeek.