Piraten: Metapartei statt Einthemenpartei?

Die Piratenpartei will sich nicht ins klassische Links-Rechts-Schema einsortieren. Gut so. Das Programm der Piraten beschränkt sich daher weitgehend auf Politikfelder, die sich im Bereich Freiheitsrechte und Urheberrecht bewegen, allein Bildung wird als weiteres klassisches Politikfeld behandelt. Ein gängiger Vorwurf ist so zwangsläufig, eine Einthemenpartei ohne Vollprogramm zu sein. Die Präambel des Parteiprogramms dazu:

Die Piratenpartei will sich auf die im Programm genannten Themen konzentrieren, da wir nur so die Möglichkeit sehen, diese wichtigen Forderungen in Zukunft durchzusetzen.

Dennoch: Wie man an der Bildung sieht, können weitere Themen jederzeit aufgnenommen werden. Im Piratenwiki herrscht eine rege Diskussion dazu. Wenn man ein wenig die Vorschläge durchblättert, sieht man, wie sinnvoll die Beschränkung ist: Da gibt es sehr liberale Positionen (Abschaffung der Landwirtschaftspolitik, Legalisierung aller Drogen), paternalistische (Rauchverbot), linke (Kostenloser öffentlicher Nahverkehr) und so weiter. Jeder Vorschlag wird kontrovers diskutiert – die Piratenpartei ist in ihrem Wiki eine sehr plurale Partei (wenn mir auch bei vielem ein linksliberaler Generalbaß durchzuklingen scheint). Wirtschaftliche Konzepte sind von bieder-liberal bis hin zu grenzgenialer Do-it-your-self-Welterklärung.

Keine Chance, alle Mitglieder mitzunehmen; auch wenn die Piraten auf einer gesellschaftlichen Dimension liberal sind und insofern mit den Grünen (wie in Thüringen), der FDP und den Linken gut arbeiten könnten – spätestens bei einer Koalition müßten sie die Karten auf den Tisch legen: Tragen sie einen Mindestlohn, eine Gesundheitsreform, einen Kriegseinsatz mit?

Eine Lösung kann eine Art Meta-Politik sein. Kristian Köhntopp diskutiert die Frage Einthemenpartei in einem ausführlichern Artikel, der die Themen der Piratenpartei zu einem breiten Themennetz auffächert. Eine solche Auffächerung wäre prinzipiell für alle Politikfelder möglich: auch Hartz IV kann unter einem bürgerrechtlichen Aspekt betrachtet werden.

Eine Metapolitik würde sich tatsächlich darauf beschränken, als Filter zu wirken: Jegliches politische Projekt wird anhand der Grundsätze der Partei überprüft. Wie werden Datenschutz und -sparsamkeit gewährleistet, wie Kommunikations- und Wissenschaftsfreiheit? Die Piratenpartei als Metapartei stimmt also in der einen Koalition für einen Mindestlohn, in der anderen für Hartz IV, solange hier keine zentrale Lohnerfassungsbehörde eingerichtet wird und da die Unverletzlichkeit der Wohnung gewahrt bleibt.

Das Problem bei einem solchen Ansatz ist, daß eine derartige Filterfunktion in ein Parteisystem nicht paßt. Ähnliche Funktionen nehmen NGOs (wie der Bund der Steuerzahler und Greenpeace) war, auch die Kirchen (ein gutes Beispiel ist die kath. Soziallehre, die kein System, sondern Sozialprinzipien zur Verfügung stellt). Das Problem: Ich kann durchaus Mitglied beim Bund der Steuerzahler und bei Greenpeace sein – die beiden Organisationen können sich auf ihren Kernbereich konzentrieren und müssen im Parlament nicht Rücksicht darauf nehmen, daß ihre Mitglieder bzw. Wähler zwar gemeinsame Ziele in Steuer- oder Umweltpolitik haben, der Bund der Steuerzahler aber notwendig einen Teil seiner Klientel verprellt, wenn er über Umweltfragen abstimmt (und vice versa). Im Europaparlament versuchen die Piraten diese Strategie – ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis die erste Sachfrage die schwedischen Piraten spaltet.

Parlamentarisch filtern geht nicht – das höchste der Gefühle dürfte sein, daß passende Parteien ein Wählerpotential von zwei, drei Prozent, das durch die Digital natives noch wächst, gerne selbst abschöpfen würden und mit entsprechender Politik potentielle Piratenwähler zu gewinnen versuchen.

Die Alternative Vollprogramm ist zu gefährlich: Wie die kontroversen Diskussionen im Piraten-Wiki zeigen, könnte man sehr schnell sehr viele Mitglieder mit einer Festlegung verprellen. Auch daher sehe ich keine große Zukunft für die Piratenpartei – irgendwann müssen sie sich positionieren, und dann sind sie nur noch die besseren Grünen oder die bessere FDP. Der einzige Ausweg ist, daß ihre zentrale Konfliktlinie stark genug ist: Die Schas wird ja auch nicht wegen ihrer Wirtschaftspolitik gewählt.

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