Ich mag das Wort »Frauenquote« nicht. Von der »Frauenquote« ist es nicht weit bis zur »Quotenfrau«, und dann ist das Anliegen, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, schnell delegitiermit: Das alte Problem der Reifizierung; Probleme werden verstärkt, indem sie benannt werden.
Die Telekom hat jetzt eine Frauenquote eingeführt; und abgesehen von dem Begriff und der unnötig defensiven Pressemeldung, die (nochmal Reifizierung) offensiv vermeintliche Gegenargumente selbst auf den Tisch bringt, finde ich das sehr gut.
(Den kalauernden Titel bitte ich zu enschuldigen; die Alternative wäre »Neue F-Klasse für Team T« gewesen.)
Die Pressemeldung selbst ist eher durchwachsen; prominent an den Anfang gesetzte belastete Begriffe wie »Frauenquote« und »Frauenförderung«, wolkiges, aber nichtssagendes beschwören von »Geboten der gesellschaftlichen Fairness« rücken das Anliegen, den Frauenanteil in Führungspositionen zu steigern, in Richtung einer Aktion aus Mitleid; »Frauenförderung«, weil Frauen die Hilfe der Männer brauchten. Daß weiter unten beschworen wird, daß das auch wirtschaftliche sinnvoll sei, kann den ersten Eindruck nicht wieder wettmachen. (Eine starke Pressemeldung wäre eine gewesen, die sich nicht ständig rechtfertigt und nur die Gründe dafür benennt – die Einwände, die man zu entkräften versucht hat, kommen jetzt natürlich trotzdem.)
Ich halte es für eine Sackgasse, mit »Fairness« (oder noch gesteigert mit »gesellschaftlicher Fairness«) zu argumentieren. Damit kommt man niemals aus der Mitleidsecke heraus. Es geht auch nicht nur darum, mehr Frauen in Führungspositionen zu haben – es geht darum, einer gesellschaftlichen Realität Rechnung zu tragen: Daß homogene Gruppen homogene Ergebnisse produzieren, und daß unterschiedliche Menschen unterschiedliche Sichtweisen mitbringen – und da hilft es nichts, wenn die Gruppe mittelalter weißer heterosexueller Männer noch so kreativ brainstormt.
In der Piratinnendebatte hat ein Text gerade viel Zustimmung erfahren: Eine dekonstruktivistische Apologie des Status quo, der die Fiktion einer geschlechtslosen, sich »postgender« gerierenden Nichtbefassung mit dem Thema Geschlecht gerade als progressiv bezeichnet. (Antje Schrupps aktueller Artikel Warum ich nicht queer bin. Eine autobiografische Annäherung. läßt sich, obwohl er sich nicht darauf bezieht, als Antwort darauf lesen.) Das wird aber der Realität nicht gerecht.
Die Realität ist, daß Männer und Frauen unterschiedlich sind. (Und es eben nicht stimmt, daß »Nichtdiskriminierung« dasselbe ist wie – vorzugeben – Unterschiede zu ignorieren.) Woran das liegt, ob nun by nature oder by nurture, ist sekundär. Die Debatte Gleichheits- vs. Differenzfeminismus ist als theoretische Frage interessant. In der Praxis gehören Geschlechtlichkeit und Geschlechterrolle ganz grundsätzlich zur Identität von Menschen. Wer seine Geschlechtergrenzen – ob sie nun biologisch oder soziologisch konstruiert sind – sprengen möchte: Gerne! (Und auch gerne: Mehr davon!) Aber zur Realität gehört auch, daß es Menschen gibt, die ganz zufrieden damit sind, sich nicht als queer zu verstehen. Und in jedem Fall bringen alle auch ihre eigene individuelle Biographie und damit ihre eigene Sichtweise mit. »Frauenförderung« als Facette von Diversity management zielt also weniger darauf ab, vermeintliche oder tatsächliche individuelle Schwächen zu kompensieren, sondern darauf, die Organisation dadurch zu stärken, daß man institutionell die Nachteile kompensiert, die homogene Gruppen mit sich bringen. Nochmal Antje Schrupp:
Von daher: Quoten ja – aber nicht, um den Frauen zu helfen, sondern um denjenigen Institutionen zu helfen, die unter dem Mangel an Frauen, dem Mangel an weiblicher Dissidenz leiden. Institutionen, die Frauenquoten einführen, tun nicht den Frauen einen Gefallen damit, sondern sich selbst.
Daß es weniger Frauen in Führungspositionen gibt, schreibt man allzu oft »den Frauen« als Schuld zu: Hätten sie sich mehr angestrengt, wären sie durchsetzungsstärker, denn wer Leistung bringt, kommt auch in den Vorstand. Das verkennt aber, daß es auch institutionelle, strukturelle Gründe dafür gibt. Eine Frauenquote ist dann, mit Kristina Schröder, ein Arbeiten an den Symptomen; und das kann so verkehrt nicht sein, solange man keine Behandlung an der Wurzel kennt – und eine solche Behandlung scheint mir noch keine Organisation gefunden zu haben.
Die Telekom geht also in die richtige Richtung mit ihren Quoten, auch wenn ihre Wortwahl so glücklich nicht ist. (Es kommt ja eigentlich nicht auf die Frauenquote an, sondern auf die Pluralität, auf die Diversität. Viel besser als Frauenquoten, wo immer die Frauenförderung und die Quotenfrau mitschwingt, finde ich es daher, entweder Mindestquoten für beide Geschlechter festzulegen oder gleich auf das belastete Wort »Quote« zu verzichten und von Parität zu sprechen.)
Und die Pressemeldung erwähnt auch, daß man weiterhin an den Wurzeln arbeiten will:
Mit der Entscheidung für einen systematischen Aufbau weiblicher Talente in Führungspositionen baut die Deutsche Telekom auch ihr Programm zur Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben aus. So werden Elternzeitmodelle, Teilzeitmodelle für Führungskräfte, flexible Arbeitszeitmodelle und Kinderbetreuungsangebote ausgeweitet sowie praktische Unterstützungsleistungen im Alltag angeboten.
Dabei hilft es sicherlich, wenn nicht nur Männer sich um diese Themen kümmern, die eben keine Frauenthemen sind.
(Da das hier ja ausweislich einiger Blogrolls auch ein liberales Blog ist noch ein wenig zur Frage nach gesetzlich verpflichtenden Quoten: Davon halte ich nichts. Gesellschaftliche Änderungen, die mit Zwang herbeigeführt werden sollen, halte ich für kontraproduktiv. Wenn die Politik in die Sphäre von gesellschaftlichem Handeln übergriffig wird, erzeugt das erst recht Abwehrhaltungen und Umgehungsverhalten. Erziehung ist nicht die Aufgabe des Staates, und sei es auch Erziehung zum Richtigen.)
Der wohl beste Beitrag zur Piratinnendebatte, meiner bescheidenen Meinung nach. Herzlichen Glückwunsch 🙂
Ich hoffe möglichst viele Piraten lesen diesen Beitrag und nehmen etwas Positives von der gesamten Debatte mit.
Dankeschön. Aber die Krone muß ich weitergeben: Rena Tangens‘ Androzentrismus und Netze« gebührt diese Ehre – und das schon lange vor der Debatte und der Piratenpartei.
Vielen Dank für diesen gewohnt gelungenen Artikel, insbesondere (aber nicht nur) für den Bezug zu Piratenthemen.
Auch ich wünsche mir, dass viele Piraten (männliche wie weibliche), diesen Artikel lesen – leider fürchte ich, dass diese Saat auf Felsen fallen wird; denn die Postintellektuellen sind viele und laut.
Wie wären denn finanzielle Anreize in Form von Subventionen als Alternative zu gesetzlich vorgeschriebenen Quoten? Dass freiwillige Selbstverpflichtungen nicht funktionieren sehen wir ja an jeder Ecke. Subventioniert wird hingegen alles Mögliche (auch von der liberalen FDP, warum also nicht auch (erfolgreiche) Frauenförderung?
P.S. Schöner Artikel! Und @ Erdferkel: postinellektuell wird sofort in den aktiven Wortschatz aufgenommen … 🙂
Ich bin ja dafür, daß sich staatliches Handeln auf seine Kernkompetenz beschränkt: Einen Ordnungsrahmen zu schaffen, der Grundrechte schützt, einen durchsetzbaren Rechtsrahmen schafft und den verschiedenen gesellschaftlichen Subsystemen ihre Freiheitsräume bewahrt. Das heißt auch, auf Subventionen zu verzichten – das Handeln der FDP ist leider allzu oft nicht klassisch liberal, sondern wirtschaftsfreundlich. Das halte ich für einen Unterschied.
Dennoch sehe ich einen Bedarf für das Geschlechterthema in der Politik: Staatliches Handeln, staatlich geschaffenene rechtliche Rahmen und Institutionen müssen auf ihre Auswirkungen und Nebenwirkungen hin überprüft werden – und das nicht nur im klassischen Bereich der Geschlechterpolitik, sondern überall, als Querschnittsaufgabe: Also das, was mit Gender Mainstreaming (und Gender Budgeting) gemeint ist. (Leider ist Gender Mainstreaming durch eine seltsame Medienkampagne von Spiegel bis FAZ als per Zwang gleichmachender queerfeministisch-dekonstruktivistischer Totalitarismus diffamiert worden. Dabei geht es eigentlich gerade nicht darum, alle gleichzumachen, sondern Unterschiede wahrzunehmen und ihnen auch institutionell Rechnung zu tragen.)
Es bleibt für mich ganz allgemein die Frage, wie man es rechtfertigen kann, zwischen zwei „gleichqualifizierten“ Bewerben den einen aus nur dem Grund vorzuziehen, weil er eine Frau ist.
Ich kenne die konkrete Quotenregelung der Telekom nicht, halte aber alles, was über einer Überwachung der Chancengleichheit hinausgeht, für sehr fragwürdig.
Wenn sich auf 10 freie Stellen 30 Frauen und 70 Männer bewerben, ist es ganz bestimmt legitim zu erwarten, dass 3 von 10 dieser Stellen an Frauen vergeben werden. Was darüber hinausgeht, ist in meinen Augen kaum zu rechtfertigen, sofern es aufgrund von institutionalisierten Zwang geschieht.
Den Punkt mit dem Vorteil der Heterogenität halte ich für etwas weit hergeholt. Wenn es darum geht, Frauenmode zu bewerben, ist es sicherlich von Vorteil, Frauen beim Brainstorming mit am Tisch sitzen zu haben. Ansonsten gibt es aber Millionen von Themenfeldern, bei denen das Geschlecht eben keine Rolle spielt.
Der Einwand beruht auf der Annahme, daß das bestehende Verfahren zur Feststellung der Qualifikation neutral ist. Bereits das ist zu bezweifeln: Eigentlich sachfremde Aspekte wie Sympathie und gemeinsames kulturelles Kapital (sei es Geschlecht, soziale oder geographische Herkunft, Sprache und Dialekt, Hobby, Vereinszugehörigkeit, Religion …) spielen eine große Rolle bei der scheinbar »neutralen« Bewertung von Leistung. Gleiche Eigenschaften sind bei verschiedenen Geschlechtern unterschiedlich konnotiert: »Durchsetzungsstärke« und »Zickenterror«, »toller Hecht« und »Schlampe«, »Memme« und »Sensibilität« sind so verschiedene Konzepte nicht, aber werden völlig unterschiedlich bewertet.
Verfahren enstehen nicht im luftleeren Raum. Verfahren sind nicht unahängig von den institutionellen Rahmenbedingungen, und sie beschränken sich nicht auf den einen Moment, an dem sie angewandt werden. Die Frage ist nicht, ob man die Dimension Geschlecht (oder Kultur, Herkunft …) im Verfahren berücksichtigt oder nicht: Sie wird berücksichtigt – und wenn nicht explizit und geplant, dann implizit und ungeplant. Das Gegenstück zu »institutionalisiertem« (und damit kontrolliertem) Zwang ist hier eben nicht »kein Zwang«, sondern nichtinstitutionalisierter Zwang. Eine möglichst neutrale Personalauswahl (also nur anhand von Daten, ohne persönlichen Kontakt, der Rückschluß auf die Person gibt) wäre auch nur ein Aspekt. (Die Frage ist, ob das überhaupt gewünscht ist – persönlicher Kontakt dürfte für die meisten Bewerbungsverfahren als essentiell angesehen werden – und dann beeinflussen wieder eigentlich sachfremde Aspekte die neutrale Bewertung.) Dazu kommt eine Kultur, sei es in der Kommunikation, sei es in der Zuschreibung von Geschlechterrollen, sei es die Existenz von Rollenvorbildern. Verzichtet man auf eine bewußte Beschäftigung damit, erhält man nur einen Status quo. Wie der aussieht, kann man gut in Spielwarengeschäften, in Fernsehserien, bei der Sportberichterstattung und so weiter sehen.
Gerade die gewünschte Heterogenität ist also nicht weit hergeholt: Männer und Frauen sind unterschiedlich sozialisiert und haben unterschiedliche Kommunikations- und Verhaltensnormen beigebracht bekommen und verinnerlicht. Das Problem ist auch, daß bestimmte Bereiche als geschlechtlich konnotiert gelten: Die geschlechtsspezifische (oder vielleicht doch: Geschlechtlichkeit konstituierende?) Dimension, die »Frauenmode« hat, ist offensichtlich. Aber woran macht man fest, daß bei einem Themenfeld Geschlecht keine Rolle spielt? Und wenn das Thema selbst geschlechtsneutral, objektiv beschreibbar ist: Die an der Kommunikation Beteiligten bringen immer ihre eigene Persönlichkeit, ihre eigenen Wertvorstellungen mit, von denen sich nicht abstrahieren läßt. Eine schöne Auseinandersetzung mit diesem Thema findet sich bei Rena Tangens unter dem Titel Androzentrismus und Netze. Dort wird u.a. am Themenfeld Genetik, bei dem Geschlecht ja nun wirklich keine Rolle spielen sollte, gezeigt, wie Geschlecht eben doch eine Rolle spielt.
Die mathematische Argumentation wundert mich immer wieder, weil sie so punktuell eingesetzt wird: Wenn sich 30 % Frauen bewerben und hinterher der Frauenanteil 30 % beträgt, ist das eine Sache. (Und selbst das erfaßt das nicht ganz: Das geht nämlich davon aus, daß bei den weiblichen und männlichen Bewerbern die Qualifikation gleich verteilt ist. Daß es möglich wäre, daß Männer sich aufgrund ihrer Sozialisation auch bei geringerer Qualifikation bewerben, daß sich höher qualifiziertere Frauen bewerben, weil durchschnittlich qualifizierte Frauen andere Rückmeldungen erhalten als durchschnittlich qualifizierte Männer, weil Bescheidenheit und Zurückhaltung bei Frauen und Männern unterschiedlich konnotiert und Verhalten so anders internalisiert ist, wird in der dargestellten Rechnung nicht berücksichtigt. Ich sage nicht, daß es so ist: Aber das sind mögliche Einflüsse auf das Bewerbungsverhalten von Frauen und Männern.) Das Interessante ist aber doch, daß der Frauenanteil am Ende der Karriereleiter ganz anders aussieht als am Anfang. Auch wenn das in der Mikrodimension auch auf freiwillige Entscheidungen zurückgeht: Wenn’s statistisch signifikant wird, müßte es doch interessant sein, welche Rahmenbedingungen diese individuellen Entscheidungen so beeinflussen! (In bezug auf die Piratenpartei habe ich diese Verwunderung schon im Artikel »Soziale Systeme hacken« geäußert.)
Das mit der Möglichkeit, eine Gesellschaft durch Regeln progressiver zu machen, sehe ich natürlich anders (und die Debatte zwischen Differenzfeminismus und Queertheorie- und -praxis halte ich auch nicht für eine nur theoretische). Ansonsten viel Zustimmung.
Abgesehen davon muss ich noch drauf hinweisen, dass in der heutigen taz nicht nur Leitartikel und Schwerpunktthema die Telekom-Quote behandelt haben, sondern dass die Telekom auch eine Anzeige in der taz geschaltet hat, die mir gut gefallen hat. Die ist nämlich alles andere als defensiv, sondern titelt: „Wir trauen uns was. Die Deutsche Telekom wird weiblicher. Mit Quote.“
Aha, naja..
Mit antisexistischer Praxis hat das ganze dann aber nichts mehr zu tun, nurnoch mit Optimierung der Chefetage nach einem mir zweifelhaft erscheindedem Ansatz.
Einheitlichkeit und Vielfalt haben schließlich beide Vorteile. Das ich persönlich zuemlich Xenophil bin ist eine andere Geschickte..
Die Telekom kann sicher nach beliebig unsinnigen Kriterien diskriminieren, gefallen tut mir das trotzdem nicht..
Zumal ich der Telekom (aus völlig anderen Gründen) sowieso keinen Erfolg wünsche.
Den Unterschied zwischen Differenzfeminismus und der Queerbewegung ist für mich das das eine eine Lobbygruppe einer Klasse der sexistischen Gesellschaft ist und das andere die Zersetzung der sexistischen Gesellschaft zum Ziel hat.
Ist vielleicht vergleichbar mit dem Unterschied zwischen DGB und FAU.
@Till
Eine gesellschaftliche Regeln hat dann ihre Nutzlosigkeit (bzw Schädlichkeit) dann bewiesen, wenn sie gewaltsam erzwungen werden muss.
@sofias: „Eine gesellschaftliche Regeln hat dann ihre Nutzlosigkeit (bzw Schädlichkeit) dann bewiesen, wenn sie gewaltsam erzwungen werden muss.“
Ist ja wohl Quatsch. Kommt ein bißchen drauf an, ob Politik als Teil von Gesellschaft gesehen wird. Aber die Absage an jegliche mit Sanktionen versehene Regulation (oder was ist „gewaltsam erzwingen“ sonst) geht mir dann doch zu weit. Die Regel, keine Steuern zu hinterziehen; die Regel, im Verkehr auf andere Verkehrsteilnehmer zu achten; die Regel, Grenzwerte bei der Abgabe von Stoffen in die Umwelt einzuhalten — alle im Bereich der verlorenen Nützlichkeit?