Heute findet in Karlsruhe die zweite Runde der Diözesanversammlung statt, das Freiburger Dialog-Format. Über 41 Empfehlungen, die aus der Themensammlung des vorigen Jahres entstanden sind, wird abgestimmt, bei für wichtig erachteten Themen gibt es die Möglichkeit, sich für 90 Sekunden zu Wort zu melden, dann wird ohne Änderungsmöglichkeit abgestimmt. Die Wortmeldungen mußten vorher eingereicht werden, ich wurde bei Empfehlung 25 im Themenbereich »Dialog Kirche – Kulturen der Gegenwart« gezogen. Meine geplante Vorrednerin hat zurückgezogen, ihr war das Konzept zu eng, die »Beteiligung« zu aufgesetzt. Daher habe ich mich in meinem Redebeitrag darauf bezogen – und meinen ursprünglichen nicht gehalten.
Die Empfehlung Nr. 25
Die Erzdiözese Freiburg entwickelt eine neue Kommunikations- und Entscheidungskultur: Räte und Gremien werden repräsentativ gestaltet und höher gewichtet als bisher (Verteilung jung – alt, Männer – Frauen, Hauptberufliche und Ehrenamtliche, Kleriker – Laien). Demokratische Strukturen werden auf allen Ebenen kirchlichen Lebens angestrebt und eine entsprechende Haltung eingeübt.
Mein Redebeitrag
Vor mir hätte Frau Dr. Barbara Henze sprechen sollen. »Ohne mich!«, hat sie in einer E-Mail an mich geschrieben. Sie hat ihren Redebeitrag zurückgezogen und ist nicht zur Diözesanversammlung gekommen, weil sie keinen Sinn darin sieht, in dieser festen Tagungsregie in 90-Sekunden-Blöcken über fertige Empfehlungen abzustimmen – und was die Abstimmungsergebnisse bedeuten, ist völlig unklar.
Gerne hätte ich Frau Henze gesagt: Kommen Sie, reden Sie! Es kommt auf Sie an! Wir brauchen Sie!
Aber leider kann ich sie verstehen. Dialog in der Kirche, das kommt mir heute, das kam mir letztes Jahr vor wie die Echternacher Springprozession: Zwei Schritte vor, einer zurück – oder ist es umgekehrt? Da sind wir mutig und machen eine Diözesanversammlung, aber bloß kein offenes Verfahren riskieren, bloß alles unter Kontrolle halten!
Die Ängstlichkeit und Enge einer, dieser, Tagungsregie vertragen sich nicht mit der »demokratischen Haltung«, von der in der Empfehlung die Rede ist. Was wir brauchen, ist eine demokratische und synodale Haltung. Eine Haltung, die Räume für konstruktive Kontroversen schafft und sie nicht vorher einzuhegen versucht. Eine Haltung, die das Unkalkulierbare als Bereicherung, nicht als Bedrohung sieht.
Ein bißchen Dialog geht nicht. Die meisten von uns hier machen noch brav mit. Aber wie lange noch? Wie viele müssen noch sagen »ohne mich!«?
Was ich nicht gesagt habe
(Die erste Fassung, die noch etwas auf 90 Sekunden hätte getrimmt werden müssen.)
Zu einer neuen Kommunikationskultur und zu einer demokratischen Haltung gehört auch das Aushalten von Widersprüchen, das offene Wort, Rede und Gegenrede im Ringen um die Wahrheit.
Allzu oft komme ich mir in der Kirche vor wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern. Alle wissen, welche Teile der Lehre der Kirche nur auf dem Papier stehen – aber wehe, es wird gesagt. Dann sind alle überrascht und entsetzt. Die Diskrepanz zwischen unserem alltäglichen Handeln, aber auch der kirchenamtlich verantworteten Pastoral und der Lehre der Kirche ist oft groß. Viel mehr ist Praxis und wird geduldet, als zugegeben wird – in der Liturgie, in der persönlichen Lebensführung. Und wenn doch etwas an die Öffentlichkeit kommt, wird dementiert und sich distanziert. (Ich denke etwa an die Handreichung zur Pastoral mit wiederverheirateten Geschiedenen.)
Das ist kein gutes Klima in einer Kirche, die in den Augen einer Öffentlichkeit bestehen will, die auf Wahrhaftigkeit, Ehrlichkeit und Transparenz setzt. Wenn wir eine demokratische Haltung einüben wollen, dann heißt das auch: Selbstbewusst vertreten, daß Katholikinnen und Katholiken sich nicht in allem einig sein. Daß es nicht die eine katholische Position gibt, selbst da, wo das Lehramt Debatten für beendet erklärt hat. Daß Diskussion und Widerspruch nicht frech und Majestätsbeleidigung sind, sondern gerade das Gegenüber, ob Priester, Bischof oder Laie, ernst nehmen.
Die vorliegende Empfehlung ist gut. Sie darf aber nicht an der Oberfläche bleiben, wie Frau Dr. Henze zurecht anmahnt. Es genügt nicht, nur dann und wann und in sekundären Fragen schöne Beteiligungsverfahren zu haben. Wir alle, Laien und Kleriker, tragen durch unsere Taufe und Firmung Verantwortung für unsere Kirche, und wir tragen sie klug und verantwortlich mit, in und für die Kirche. Wir alle haben Teil am Glaubenssinn der Gläubigen, und nicht nur an der Entscheidung über Würstchenpreise beim Pfarrfest.
»Demokratische Haltung einüben«, das ist keine oberflächliche Stilfrage. Das bedeutet, daß die, die in unserer Kirche Macht haben, umsichtig, höflich und klug mit ihrer Macht umgehen. Das bedeutet, daß wir alle mutig, offen und reflektiert unsere Lebenserfahrung und unser Wissen einbringen. Vieles muß die Kirche noch lernen. Aber vieles hat die Kirche auch schon gelernt, in den Räten, in den Verbänden, in den Orden. Gehen wir sie an, die demokratische Haltung: Das wird unser Zeugnis für Christus nur stärker und glaubwürdiger machen!