Una Voce Quad Cities fährt eine Anzeigenkampagne mit dem klugen Slogan »Altar your view« (via Catholicism Wow). Das drückt aus, warum ich nicht in die liberale Mainstream-Meinung einstimmen kann, daß die Messe im außerordentlichen Ritus angeblich priesterzentriert sei und ein falsches Gottes- und Kirchenbild vermittle.
Ich selber habe einmal eine alte Messe mitgefeiert, die erste (damals noch ad experimentum) in Freiburg in der Adelhauser Kirche, im Gepäck meinen alten Schott. Auch wenn es kein weltbewegendes Erlebnis war (dazu war schon das Latein des Pfarrers zu stockend), war es doch faszinierend: Eine Liturgie, die zwar unverständlich ist, dafür aber (im nicht-esoterischen Sinn) mystisch und theozentrisch ist.
Der Priester steht eben nicht mit dem Rücken zum Volk, sondern vielmehr: gemeinsam mit dem Volk in Richtung des Herrn. Daß Prediger und Lektoren sich zum Volk wenden, ist schlicht höflich – man schaut die Leute an, mit denen man redet. Daß der Priester aber versus deum Eucharistie feiert und damit in der gleichen Richtung wie die Gemeinde, drückt ein Bild aus, das im zweiten Vatikanum betont wurde: Die Kirche als wanderndes Volk Gottes. Da die Kirche nun einmal eine apostolische ist, finde ich es auch nicht anstößig, wenn der Priester vorangeht.
Daß das alles lateinisch ist, daß es liturgisch undurchsichtig ist: Das stört mich nicht. Die alte Messe betont für mich den Gebetscharakter der Eucharistiefeier; indem sie sich nicht ständig selbst erklärt (was ohnehin die schlimmste Unsitte aktueller Gottesdienste ist), wird das Erleben in den Mittelpunkt gestellt, das einem Verstehen (soweit das möglich ist) vorgeht. Gerade für die Theologie gebe ich Schiller viel Kredit, der im 23. Brief über die ästhetische Erziehung des Menschen schreibt:
Es gibt keinen andern Weg, den sinnlichen Menschen vernünftig zu machen, als dass man denselben zuvor ästhetisch macht.
Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, daß eine rein natürliche Theologie ohne Offenbarung, also die Erfahrung des sich selbst offenbarenden Gottes, nicht funktionieren kann.
Es würde unserer Kirche guttun, wenn sie die ideologische Aufgeregtheit aus der alten Messe nehmen würde. Karl Rahners Diktum über den Frommen von morgen (d. i. heute), der entweder Mystiker oder eben kein Christ sein wird, trifft meines Erachtens zu: Wo es keine volkskirchlich-selbstverständliche Sozialisation mehr gibt (mithin: wo Glaube tatsächlich frei sein kann), da braucht es Orte, die die Möglichkeit von Gotteserfahrung eröffnen. Die alte Messe gehört dazu. Altar your view!
Tja da könnte man in der Tat eine längere Debatte führen. Ich stimme zu, dass in einem Gottesdienst ein gewisse Mystik herrschen darf/soll und hier eine für viele fremde Sprache einzusetzen ist sicherlich ein Instrument dazu, wenn beileibe nicht das einzig mögliche. Viele Anhänger einer lateinischen Messe argumentieren aber nicht mit Mystik, sondern mit der besonderen Heiligkeit der lateinischen Sprache. Da ist es dann bei mit mit dem Veständnis aus.
Zum anderen Thema: Natürlich wenden sich Gläubige und Priester zu Gott. Aber warum heißt das analog, der Priester müsse sich umdrehen? Ist Gott denn dort am Hochaltar? Gibt es in der Kirche einen Ort wo Gott mehr ist als an einem anderen und zu dem man sich wenden muss? Ich glaube nein. Das sich zu Gott wenden von Gemeinde und Priester ist aus meiner Sicht eine Frage des innerlichen Wendens. Dazu bedarf es meiner Meinung keines Umdrehens des Priesters. Wenn man allerdings eine Symbolische Handlung möchte sollte sich die Gemeinde einander zuwenden. Ist Gott nämlich nicht da wo sich Menschen einander zuwenden? Für mich ein klarer Grund, den Prister nicht mit dem Rücken zu Gemeinde stehen zu lassen.
Auf die Sprache kommt es mir gar nicht an; der alte Ritus würde auch in der Volkssprache »funktionieren«.
In einer klassischen Kirchenarchitektur wenden sich die meisten Menschen auch nicht einander zu, selbst wenn der Priester in Richtung des Volkes zelebriert. Stattdessen ist gerade diese Form sehr priesterzentriert dadurch, daß der Altarraum wie eine weltliche Bühne benutzt wird. Auf dem Bild oben kann man sehr schön sehen, daß die alte Liturgie den Priester gerade bei der Wandlung vor der Eucharistie zurücktreten läßt: Vor einem barocken Hochaltar geht der Priester in seiner Baßgeige optisch in den Gesamteindruck ein, die schlichte Hostie sticht heraus aus dem ganzen Prunk und ist doch das Zentrum.
Ästhetisch ist das natürlich alles reichlich barock – aber auch, weil man die alte Messe den Traditionalisten überläßt. (In einer schlichten modernen Betonkirche wäre wohl eine ebenso schlichte Albe angemessen.) Es wäre interessant, neue Formen der Architektur auszuprobieren, um den symbolischen Gehalt der gleichen Ausrichtung von Priester und Volk und das Einander-Zuwenden gleichermaßen aufzugreifen: Im Kreis angeordnete Bänke etwa (St. Teresa in Heidelberg-Ziegelhausen hat ein ähnliches Konzept). Eine andere Möglichkeit wäre auch, den Hochaltar so weit ins Kirchenschiff zu ziehen, daß der Charakter der gemeinsamen Richtung bei einer Zelebration versus deum deutlicher wird.
Für die Zelebrationsrichtung mit dem Rücken zum Volk spricht aber noch etwas anderes: Kirchen sind traditionell nach Osten ausgerichtet, der aufgehenden Sonne entgegen. Damit wird die Bewegung des wandernden Gottesvolks zum auferstandenen Christus hin, angeführt vom Priester, ausgedrückt.
Diesen Ausführungen muss ich nicht wiedersprechen. Mein Heimatpfarrei St. Franziskus Kempten ist eine rund gebaute Zelt-Kirche. Darin werden alle von dir angesprochene Aspekte umgesetzt. Die Gläubigen sitzen im Kreis; Auch Priester und Ministranten sind teil des Kreises. Mittelpuntk des Kreises ist der Altar. Man versammlet sich gemeinsam um den Tisch und blickt sich an. Eine schönere Symbolik gibt es für mich nicht. Und wenn sich der Prister umdrehen würde, dann würde er die Wand anschauen… Also lassen wir das…