Zur Zeit tagt in Altenberg die Bundeskonferenz der Katholischen jungen Gemeinde (KjG). Auf dem Zeitplan stehen viele Anträge, in einigen wird auch das Thema Geschlechtergerechtigkeit in den Verbandsstrukturen verhandelt, das bei der KjG traditionell einen hohen Stellenwert hat. Die KjG ist 1970 aus einem Zusammenschluß aus der Katholischen Jungmännergemeinschaft und der Katholischen Frauenjugendgemeinschaft entstanden; daher auch der bisher strenge Grundsatz, Gremien geschlechterparitätisch zu besetzen. Dieser Grundsatz bröckelt: Geschlechtergerechtigkeit wird weiterhin hochgehalten, nur die alten Instrumente (Parität, geschlechtsgetrennte Konferenzen im Rahmen der allgemeinen Konferenz) werden immer mehr hinterfragt.
Bereits im letzten Jahr habe ich in der Verbandszeitschrift Moxie einen Kommentar zum Thema geschrieben – ich glaube, daß die Entwicklung damit zusammenhängt, daß die erreichte Gleichberechtigung zu einer Generation an jungen Leuten geführt hat, die die Gleichberechtigung insgesamt für erreicht halten und daher explizite Instrumente gegen immer noch wirkmächtige patriarchale Strukturen und für eine Einbeziehung möglichst diverser Sichtweisen (das ist der positive Sinn von Parität) ablehnen – das, was bei den Piraten »postgender« heißt und bei der CDU Kristina Schröder.
Mein Kommentar aus dem letzten Jahr paßt zu den aktuellen Debatten (soweit ich sie über Twitter verfolgen kann) immer noch sehr gut:
WOZU PARITÄT? Geschlechtergerechtigkeit. Sind unsere Instrumente noch zeitgemäß? Das debattiert die BuKo
Parität, geschlechtergetrennte Konferenzen, BuKo-Verkürzung – mit dem Verbandsentwicklungsprozess wurde plötzlich das verhandelbar, was vorher unantastbar schien, was bisher heilige Kuh war, konnte geschäftsmäßig verhandelt und verändert werden. Überraschend reibungslos wurde eine sehr grundsätzliche Strukturfragen entschieden: Die Abschaffung des von der BuKo gewählten Bundesausschusses zugunsten des neuen Bundesrates, in dem jeder Diözesanverband Sitz und Stimme hat. Der Bundesrat sollte zunächst nur aus einer Person pro DV bestehen, damit wäre eine paritätische Besetzung nicht mehr zu regeln gewesen.
Parität ist – das wurde auch in der Diskussion immer wieder betont – selbst kein Wert. Der zugehörige Wert ist Geschlechtergerechtigkeit. Parität ist ein Instrument zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit – und so wurde auch argumentiert, man könne zugunsten anderer Instrumente auf die Parität im Bundesrat verzichten. Gefunden wurde keines. (Bis hin zur Beteuerung, dass ja Männer wie Frauen auch für das andere Geschlecht sprechen könnten – dabei reagiert Parität gerade auf die Einsicht, dass das Erleben und die Perspektive der Geschlechtlichkeit gerade nicht vertretbar sind.)
Parität ist nichts mehr Selbstverständliches: Es brauchte sehr deutliche emotionale Worte, um die paritätische Zwei-Personen-Lösung durchzusetzen; die Konfliktlinien schienen zwischen Neuen (über 50 Delegierte waren zum ersten Mal auf einer BuKo) und Alten zu verlaufen. Überraschend ist das nicht: Auch die KjG vollzieht nach, was in der Gesellschaft immer stärker deutlich wird: Gleichberechtigung ist erreicht, das eigene Selbstverständnis ist ein emanzipiertes – und damit auch Geschlechtergerechtigkeit erreicht und kein besonderes Thema mehr. Das ständige Thematisieren von Geschlechterfragen wirkt aus der Zeit, riecht nach Alice Schwarzer und 80ern, während im 21. Jahrhundert Kristina Schröder dran ist. Geschlechtergerechtigkeit als Thema geht an ihrem eigenen vordergründigen Erfolg zugrunde.
Wo die Selbstverständlichkeit das Grundanliegen zu überdecken droht, braucht es weiterhin Störelemente wie die Parität. Es braucht aber auch eine deutlichere Diskussion, eine deutlichere Betonung, wozu es dieses Störelement eigentlich braucht und was es bewirkt.