Episkopales Basta oder synodales Miteinander

Die Diözesanversammlung des Bistums Limburg hat gemeinsam mit der Hrabanus-Maurus-Akademie heute eine Tagung zum Thema »Unser gemeinsamer Weg – 40 Jahre synodale Gremien im Bistum Limburg« veranstaltet. Nach einem interessanten Vortrag über die Geschichte der synodalen Gremien und einem brillanten Vortrag von P. Medard Kehl SJ folgte eine Podiumsdiskussion, u.a. mit Medard Kehl und Bischof Tebartz-van Elst.

Die Podiumsdiskussion war eine Enttäuschung auf ganzer Linie; völlig am Thema vorbei, nicht zuletzt wegen einem ausweichenden Bischof.

Medard Kehl erinnerte an die Geschichte der synodalen Mitverantwortung, die am Anfang der Kirchengeschichte stand und die mit dem zweiten vatikanischen Konzil in seinem Kirchenbild des wandernden Gottesvolkes, das gemeinsam unterwegs ist, wieder neu betont wurde. Er erinnerte an die Würzburger Synode, wo Bischöfe, »einfache« Priester und Laien gemeinsam mit Sitz und Stimme die Anliegen der Zeit bearbeiteten.

Die Kirche kann keine Demokratie sein – weil die Kirche kein weltliches Herrschaftsmodell annehmen kann. Die Kirche kann deshalb auch keine Monarchie, keine Aristokratie sein – und dennoch hat man monarchische und aristokratische Elemente in die Struktur der Kirche übernommen. Es spricht also nichts dagegen, auch demokratische Elemente zu übernehmen – gerade dann, wenn man das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen als Konsequenz aus Taufe und Firmung hochhält.

Kehl empfahl, die Spannung aus hierarchischem Amt und synodalem Mandat wie in der Würzbuger Synode aufzulösen: Die erste Tugend der Laien ist das Vertrauen in ihre Bischöfe, daß sie ihr Amt zum Wohl der Kirche und der Gläubigen einsetzen. Im Gegenzug üben sich die Bischöfe in der Tugend der »Machtabstinenz«, suchen ernsthaft den Rat der Laien, und handeln gemeinsam mit ihnen. Kehl bekräftigte den Wunsch, synodale Elemente in der Kirche zu stärken, am Schluß deutlich: »Geb’s Gott!«

Was den Vortrag von Kehl stark machte, war sein Plädoyer für eine synodale Struktur aus einer ekklesiologischen Frömmigkeit heraus: Es geht nicht darum, die sakramentale Struktur der Kirche zu schwächen, indem jeder sein eigener kleiner Bischof ist: Es geht gerade darum, sie zu stärken im Vertrauen, daß wir in Taufe und Firmung alle dazu berufen sind, die Kirche mitzugestalten, Priester und Bischöfe mit ihrem besonderen Priestertum wie Laien mit ihrer Teilhabe am gemeinsamen Priestertum.

Intellektuell wie inhaltlich fiel die Podiumsdiskussion dagegen deutlich ab. Bischof Tebartz-van Elst war nicht recht zu klaren Antworten zu bewegen, die etwas hilflose Moderation tat das Ihre dazu. Die Position des Bischofs blieb schwammig: Es gebe die Debattenkultur der 60er und 70er Jahre, und heute brauche man (von ihm nicht näher beschriebene) Spiritualität.

Auch wenn der Bischof betonte, daß er die synodalen Gremien für »wichtig« halte – zwischen den Zeilen der alte Vorwurf: Die synodalen Gremien, die »Funktionärskatholiken« braucht man eigentlich nicht, für die Leitung genügt der Bischof und der Pfarrer als sein Arm vor Ort, die Leute sollten lieber mehr beten. Keinerlei Rezeption des Kehl-Vortrages.

Dabei hätte eine ernsthafte Auseinandersetzung damit viel geraderücken können.

Eine grundlegende These Tebartz-van Elsts ist das angebliche Unzeitgemäße der »Debattenkultur« der 60er und 70er; natürlich. Wir haben keine kettenrauchenden Honoratiorenrunden mehr im Fernsehen, das Enzensbergers Kursbuch ist Geschichte, und die intellektuellen Titanen der SPD vom Kaliber Eppler und Bahr wollen nicht nachwachsen. In diesem Sinne haben wir keine »Debattenkultur« mehr, und das ist eine triviale Feststellung.

»Debattenkultur« als modische Erscheinung von vor 30 oder 40 Jahren abzutun, ist eine völlig unzulässige Verengung: Jede Zeit hat ihre Debatten. Wo – wie in der Kirche – mehrere Menschen mit mehreren Sichtweisen zusammenkommen, braucht es Debatten; die Alternative wäre ein kategorisches episkopales Basta zu jedem strittigen Thema. Das würde weder der Mitverantwortung aus Taufe und Firmung gerecht, noch nimmt es das subjektive Gewissen (übrigens seit mindestens Thomas v. Aquin auch und gerade das irrige!) ernst. Wir haben keine Debatten mehr wie in den 60ern. Wir haben die Debatten von heute.

Und wir haben auch keine volkskirchlichen Strukturen mehr. Die Entscheidung zum Christentum ist immer öfter eine bewußte. Katholiken sind immer pluraler, und unter den Vorzeichen der Postmoderne stehen viele verschiedene Modelle, wie man Christsein leben kann zur Debatte. Während der »Rekrutierungsschwerpunkt« der Priesteramtskandidaten sehr eng umgrenzte Milieus sind (was nicht an der Berufung liegen muß, sondern auch an der Kultur der Priesterseminare und -vorbilder) und Bischöfe noch homogenere Milieuzugehörigkeiten haben, stehen dem Menschen verschiedenster Herkunft gegenüber. Ein Bischof ist da gut beraten, wenn er sich synodal beraten läßt und den Menschen vertraut, daß sie ihre Lebenswelt und deren Bedürfnisse kennen. »Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst« nicht nur des Bischofs, sondern »der Jünger Christi« (GS 1); ein einzelner vermag es gar nicht, diesen Anspruch einzulösen. Diese Aufgabe der Kirche geht alle an, und: »Was alle angeht, muß von allen entschieden werden«, wußte schon Nikolaus von Kues (in De concordantia catholica, 1433/34).

Es stimmt, daß es ohne eine selbstverständliche volkskirchliche Sozialisation immer mehr auf die Mystik, auf die Spiritualität ankommt – aber im Sinne Karl Rahners, dessen Christ, der Mystiker sein wird oder nicht sein wird, Mystik nicht als Weltfremde und Weltabgewandtheit lebt, sondern sie als Quelle seines Glaubens und Handelns nimmt. Bei Christen sollte die Aktion immer aus der Kontemplation gespeist sein. Aus dieser Kontemplation sollte aber auch der Mut kommen, gerade Debatten zu führen, gerade unbequem zu sein und gerade Selbstverständlichkeiten zu widersprechen: In die Gesellschaft, in die Politik hinein, aber auch in die Kirche hinein. Taufe und Firmung heißt auch Mitverantwortung für die Kirche, und bisweilen die Pflicht zum Widerspruch aus dem Glauben heraus.

Gegen die Komplexität der Welt kann ein Bischof entweder eine gefährliche Vereinfachung setzen, wenn er glaubt, ein Bischof allein könnte die Ortskirche leiten. Einfache Antworten sind oft bestechend, klar – und falsch. Man kann aber auch den Reichtum der Menschen in der Kirche ernstnehmen und ihre Fähigkeiten, ihre Perspektiven, ihre Teilhabe am gemeinsamen Priestertum nutzen, um die synodale Verantwortung als Stütze und Unterstützung der hierarchischen Leitung anzunehmen – und umgekehrt die hierarchische Leitung als Stütze und Unterstützung der synodalen Verantwortung zu leben.

Augustinus wollte »für euch Bischof« sein. Vor allem aber wollte er »mit euch Christ« sein.

Ergänzung, 22. 11. 2009: In der von katholisch.de veröffentlichten Pressemeldung des Bistums Limburg steht das:

Ein klares Bekenntnis zum synodalen Weg, der Mitwirkung von Laien im Bistum Limburg hat der Limburger Bischof Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst abgelegt.

Das stimmt: Es war sein erstes Statement. Nur versteht er eben unter »synodaler Weg« gerade keinen synodalen Weg; was er wirklich meinte, blieb völlig diffus.

3 Gedanken zu „Episkopales Basta oder synodales Miteinander“

  1. Demokratische Elemente in der Kirche? Gott bewahre! Da käme ja Bewegung in die verkrusteten Strukturen und es könnte sich so etwas wie Lebendigkeit und Vielfalt einstellen.

    Ich lese daher die am Ende des Textes zitierte Pressemeldung anders: Der Bischof hat den Vorgang eines Bekenntnisses abgelegt, nämlich zu den Akten.

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