Inkulturation oder Synkretismus?

Elsa präsentiert ein Video von einer »Missa Axé« in Brasilien. Ein liturgischer Tanz um den Altar, der Zelebrant tanzt mit, anscheinend findet das ganze kurz vor der Gabenbereitung statt. »Axé« ist nach Rorate Cæli, dem ursprünglichen Blog, ein Begriff aus einer Yoruba-Religion und dort ein Gruß. Laut Wikipedia kann man es mit »positive Energie« übersetzen.

Elsa mag keine liturgischen Tänze, und diesen besonders nicht. Sie spricht den Feiernden auch ab, überhaupt Christen zu sein:

Soweit ich informiert bin, ist es religionswissenschaftlich ein absolutes Novum, dass sich die Geburt einer neuen Weltreligion auf der Basis eines Ökumenischen Konzils der römisch-katholischen Kirche abspielt.
Gleichzeitig ist es spannend zu sehen, dass selbst nicht-christliche Religionen (hier vermutlich Yoruba)Vaticanum II akzeptieren, oder besser das, was sie darunter verstehen (in einer sogenannten Ashe-Messe)

Ich kann nach knapp über einer Minute nicht den Stab brechen über Axé-Messen. Daß es natürlich schwierig ist, Begriffe aus anderen Religionen zu übernehmen (noch dazu, wenn man glaubt, sie in ihrer religiösen Bedeutung einfach übernehmen und verwenden zu können – vgl. dazu die neue Arbeitshilfe der DBK zum Umgang mit muslimischen Taufbewerbern, S. 60f.), daß dadurch die Gefahr von Synkretismus besteht – geschenkt.

Religionen und Kulturen sind aber keine hermetisch abgeriegelten gesellschaftlichen Subsysteme, sondern wirken wechselweise aufeinander ein. (Oder prosaischer: Auch der bayerische Atheist sagt »Himmiherrgott«, »Zefix« und »Sackzement«.) Das ist eigentlich auch Lehre der Kirche:

Das Evangelium und somit die Evangelisierung identifizieren sich natürlich nicht mit der Kultur und sind unabhängig gegenüber allen Kulturen. Dennoch wird das Reich, das das Evangelium verkündet, von Menschen gelebt, die zutiefst an eine Kultur gebunden sind, und kann die Errichtung des Gottesreiches nicht darauf verzichten, sich gewisser Elemente der menschlichen Kultur und Kulturen zu bedienen. Unabhängig zwar gegenüber den Kulturen, sind Evangelium und Evangelisierung jedoch nicht notwendig unvereinbar mit ihnen, sondern fähig, sie alle zu durchdringen, ohne sich einer von ihnen zu unterwerfen. (Evangelii Nuntiandi, Nr. 20)

Liturgie wandelt sich und hat sich immer gewandelt. Unsere Art, Gottesdienst zu feiern, ist eine sehr römische – römisch hier durchaus auch als »im römischen Rechtskreis angesiedelt« verstanden: Liturgie ist für uns sehr stark regelbasiert, rubrizistisch (»Say the black, do the red«). Gefühle werden öffentlich nicht gezeigt. Mit Grabesstimme singen wir das alte »Singt dem Herrn ein neues Lied«, fröhliche Halleluja-Gesänge gehören in Kindergottesdienste. »Feierlich« heißt in unserem Kulturkreis allzu oft bierernst, wenn Theologen sich mit begeisterten Transzendenzerlebnissen beschäftigen wollen, betrachten sie Popkonzerte.

Das paßt für uns. (Im Gegensatz zu meiner deutschen Sonntagsmesse ist das auch nicht die Art, wie ich meine religiösen Gefühle auszudrücken vermag.) Gerade in anderen Kulturen gilt aber auch Lex orandi, lex credendi. Wir sind durch Christus erlöst. (Asfa-Wossen Asserate fragte einmal, warum man das den deutschen Christen nicht ansehe.) In einer körperlichen, expressiven Kultur wird das anders ausgedrückt: In dieser Axé-Messe sehe ich Menschen, die vor der Eucharistie das Erlösungshandeln, das gleich wiederholt wird, mit ganzer Seele verkünden und Beten: »In [der Volksfrömmigkeit] kommt ein Hunger nach Gott zum Ausdruck, wie ihn nur die Einfachen und Armen kennen.« (EN, Nr. 48)

Ich hätte gedacht, daß wir die Zeiten des Ritenstreits eigentlich hinter uns haben. Gerade in einer Weltkirche kann Liturgie nur in neccesariis einheitlich sein – die Kultur der Feiernden, des Zelebranten (»allen bin ich alles geworden«) fließt immer mit ein. (Selbst bei Papstmessen gibt es liturgische Tänze, regelmäßig wird sogar – horribile dictu! – geklatscht!)

Über Axé-Messen weiß ich nur, was ich in diesem Video sehe. Diese Messe wird verantwortet von einem Priester der Kirche – da unterstelle ich zunächst einmal, daß alles seine katechetische Korrektheit hat, wie es gefordert ist, und daß dann diese Art der Feier den Anforderungen Roms entspricht:

Die Aufgabe der Evangelisierung besteht eben darin, den Glauben so zu lehren, daß jeder Christ dahin geführt wird, die Sakramente – statt sie passiv zu empfangen oder über sich ergehen zu lassen – als wahrhafte Gnadenmittel des Glaubens zu leben. (Evangelii Nuntiandi, Nr. 47)

Sehr viel weiß ich übrigens davon, wie schwierig es hier ist, die Eucharistie als Mittelpunkt und Höhepunkt christlichen Lebens Jugendlichen nahezubringen. Auch dort gibt es viele angefeindete Versuche der Inkulturation. In einem Leserbrief habe ich vor kurzem das geschrieben:

Sieht man [daß Eucharistie Mittelpunkt und Höhepunkt des christlichen Lebens ist] in unseren Gemeinden? Feiern wir so Eucharistie, dass auch Jugendliche das erkennen können? Denken wir darüber nach, wie wir gemeinsam Gottesdienst feiern können, um nicht nur einen kleinen Kern zu erreichen, sondern auch andere mit der Frohen Botschaft Christi bekannt zu machen?

Und deshalb hat diese Axé-Messe erstmal meine Sympathie.

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