Gestern hat das Zentralkomitee der deutschen Katholiken einen medien- und netzpolitischen Beschluß veröffentlicht: »Partizipationsmöglichkeiten und Beteiligungsgerechtigkeit in der digital vernetzten Gesellschaft«. Ich habe in der Redaktionsgruppe mitgearbeitet und bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis: Gut, daß aus einer Ecke, aus der man es nicht erwartet, eine grundsätzlich optimistische, informierte Stellungnahme zu netzpolitischen Themen kommt – es schadet nicht, wenn aus einer (meist zurecht) als konservativ konnotierten Ecke progressive Netzpolitik unterstützt wird (ich hoffe, das Papier wird viel in den Unionsparteien gelesen), und es ist wichtig, daß aus der Position der katholischen Soziallehre das Thema Beteiligungsgerechtigkeit in den netzpolitischen Diskurs eingebracht wird.
In sechs Abschnitten werden die Themen technische und materielle Zugangsvoraussetzungen, Netzneutralität, Medienmündigkeit, Beteiligung und Soziale Online-Netzwerke, Herausforderungen für Organisationen und Strukturen und Kirchen in der digital vernetzten Gesellschaft behandelt. Besonders erfreulich ist, daß als Risiken und Grenzen nicht zuerst die üblichen technikpessimistischen Bedenken aufgerufen werden, sondern die Gefahr der Einschränkung von Grundrechten von staatlicher Seite – das ist vom ZdK, das zwar überparteilich ist, aber von vielen Unionspolitiker_innen mitgeprägt wird, nicht selbstverständlich, ebenso wie das deutliche Plädoyer für Netzneutralität.
Ich konnte einige Punkte einbringen, die mir im netzpolitischen Zusammenhang besonders wichtig sind:
- Netz als zentrale Infrastruktur und damit Netzneutralität als ordnungspolitische Frage, um mit dieser Formulierung des Problems auch im liberal-konservativen Bereich anschlußfähig zu werden. (Abschnitt 2.)
- Die Fragen der Medienmündigkeit nicht aus einer paternalistischen Sicht, sondern zur Kenntnis nehmen, daß momentan noch niemand die Patentlösung hat. Meinen auch hier im Blog und in meinen Vorträgen zum Thema ständig bemühten Grundsatz konnte ich quasi wörtlich unterbringen: »Normen und Regeln für den Umgang miteinander und mit der Technik müssen sich ausbilden und etablieren.« (Abschnitt 3.)
- Es wird ernstgenommen, daß Soziale Netze in erster Linie Kommunikation und Gemeinschaftsbildung ermöglichen und damit weder etwas der Natur nach Gutes oder Schlechtes sind, sondern (wieder meine Formulierung im Papier): »Sie sind Orte der Gemeinschaftsbildung und Teil der Lebenswelt.«
- Für den Abschnitt 5, Herausforderungen für Organisationen und Strukturen, habe ich die Vorlage geschrieben, wie Lesende meines Blogs an den Formulierungen bemerken könnten:
Gesellschaftliche Organisationsformen haben sich über lange Zeiträume entwickelt und bewährt; Netzkommunikation als Massenphänomen ist hingegen recht jung. Es gilt, mit neuen Beteiligungsformen zu experimentieren, um den Anforderungen und Anfragen von Menschen zu begegnen, für die das Netz in allen Lebensbereichen immer wichtiger wird. Vorzüge der repräsentativen Demokratie wie klare Verantwortung für politisches Handeln durch eindeutige Zurechenbarkeit, Bündelung und Einordnung von komplexen Entscheidungsalternativen sowie der Möglichkeit einer arbeitsteiligen Beteiligung am öffentlichen Leben sind es wert, bewahrt zu werden. Zugleich bringen mehr direkte Beteiligung und größere Transparenz neue Impulse und neues Leben in als erstarrt wahrgenommene Prozesse und Strukturen von Organisationen.
Auch wenn das Schlagwort nicht auftaucht, wird hier auch Open data gefordert. »Öffentliche Daten sind im Sinne einer erhöhten Transparenz in offenen und freien Formaten zur Verfügung zu stellen.«
Natürlich ist nicht alles ins Papier gekommen, was wir in der Redaktionsgruppe beschlossen haben. Über mehrere Rückmeldeschleifen über Präsidium, Redaktionsgruppe (begleitet von der Referatsleiterin Sabine Schößler und geleitet durch die Sprecherin des ZdK für den Sachbereich Medien, Beate Schneiderwind) wurde es schließlich vom Hauptausschuss beschlossen – das alles aber mit großer Offenheit und Aufgeschlossenheit, die Rückmeldungen waren für den weiteren Redaktionsprozeß sehr hilfreich, und am Ende fiel nur eine größere Sache raus, nämlich eine angemessene Berücksichtigung der Kosten für den Netzzugang im Regelbedarf des Arbeitslosengelds II, in den Pfändungsgrenzen und im Asylbewerberleistungsgesetz. Das ist zwar gestrichen, aber es steht auch nichts Gegenteiliges drin, und es ist nur konsequent, das dann wieder ins Gespräch zu bringen, wenn konkret über technische und materielle Zugangsvoraussetzungen gesprochen wird.
Ich hoffe, das Papier findet viele Interessierte – auch und gerade da, wo Netzpolitik nicht den höchsten Stellenwert hat.
Die ersten Reaktionen aus der Netzszene – bei netzpolitik.org und Kirche 2.0 sind schon mal gut.
(Im BDKJ-Blog habe ich über das Papier aus Sicht von Kinder- und Jugendpolitik geschrieben.)
3 Gedanken zu „Partizipation und Beteiligung. Netzpolitisches Papier des ZdK“