»Das Urheberrecht muß teilen lernen«, habe ich beim Netzpolitik-Kongreß der Evangelischen Jugend gesagt. Wie schon im Frühjahr bei »Kirche im Web« ging es mir nicht nur um die Inhalte einer Urheberrechtsreform, die den Rahmenbedingungen einer Öffentlichkeit unter den Vorzeichen der Digitalisierung gerecht wird, sondern auch um die Frage, wie eine solche Weiterentwicklung realpolitisch zu erreichen wäre.
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Ein Vorschlag habe ich neulich schon vorgestellt: Den Kampfbegriff »geistiges Eigentum« positiv wenden und starken Eigentumsschutz mit der Sozialpflichtigkeit von Eigentum zu verbinden.
Der andere Vorschlag: Die verhärteten Fronten aufbrechen. Solange hier die böse Content-Mafia und dort die raubkopierende Gratiskultur ist und alle sich einem Lager anschließen müssen, wird das nichts.
Der Reformbedarf entsteht ja gerade dadurch, daß die klaren Rollenzuweisungen (hier die Urheber_innen, dort die Nutzer_innen) aufbrechen: Alle sind irgendwie Sender, handeln potentiell öffentlich und damit plötzlich im Einflußbereichs des B2B-Rechtsgebiets Urheberrecht. Die Gegenblende wird selten gemacht: Gerade die Urheber_innen sind auch Nutzer_innen – sie recherchieren, verwerten Quellen, zitieren, lassen sich inspirieren, sie fotografieren und filmen als Beiwerk anderer Leute Schöpfungen, die in der Öffentlichkeit herumstehen.
Lehrreich fand ich die Debatte um die Panoramafreiheit, die ein französischer EU-Abgeordneter anläßlich des Reda-Berichts für die ganze EU streichen wollte: Plötzlich erkannten die Fotojournalist_innen, die, wie so viele organisierte Urheber_innen, bisher eher im Lager eines »starken« Urheberrechtsschutzes waren, daß sie selbst ja auch von einem Urheberrecht profitieren, das nicht jede einzelne Nutzung lizenzpflichtig macht. (In anderem Kontext habe ich vor ein paar Jahren dazu schon einmal geschrieben.)
Lehrreich fand ich auch eine Podiumsdiskussion im Rahmen der Konferenz »Besser online« des DJV, die sich dem Titel nach mit Urheberrecht auf europäischer Ebene beschäftigen sollte. Pflichtschuldig wurde am Anfang auch kurz süffisant über den Reda-Bericht geredet – aber daß von Piratens nichts satisfaktionsfähiges kommt und dieses Lager ohnehin »die anderen« sind, das schien stillschweigend festzustehen. Und dann: Ging es eine Stunde lang gerade nicht um Urheberrecht, sondern fast ausschließlich um Urhebervertragsrecht – denn da liegt, vor allem für Freie, das große Problem. Natürlich ist es wohlfeil, über Facebook zu klagen, wenn der Verlag den eigenen Text, das eigene Foto honorarfrei dort zweitverwertet. Mit Facebook hat das aber nichts zu tun – und mit Urheberrecht nur am Rande: Es geht um einen Rechtsrahmen für Verträge zwischen Journalist_innen und Verlagen, die unter den Rahmenbedingungen eines enormen Machtgefälles geschlossen werden.
Für eine produktive Urheberrechtsreform kann diese Beobachtung hilfreich sein: Sie bricht die verhärteten Lager auf.
Urheberrecht in seiner jetzigen Form, als ein Recht, das einen Rahmen für die wirtschaftliche Verwertung von einzelnen Schöpfungen von Einzelpersonen schafft, deckt nur einen sehr kleinen Teil dessen ab, was eine Gesellschaft unter den Vorzeichen der Digitalisierung als Ordnungsrahmen für Kultur und Diskurs benötigt.
Eine lösungsorientierte, pragmatische Urheberrechtsreform muss dort ansetzen: neben dem Verkehrswert von Werken muß genauso der Wert des Teilens, Verarbeitens, Rezipierens, Kopierens, Diskutierens für die demokratische Öffentlichkeit Regelungsziel sein.