Mittlerweile haben wir hier in Baden-Württemberg das Nachtalkoholverkaufsverbot für Tankstellen, das zum Exportschlager zu werden droht. Zum Schutz der Jugend vor Komasaufen und Alkoholexzessen, versteht sich. Tatsächlich ist es hauptsächlich Klientelpolitik für Gaststätten – und dennoch: Die Rhetorik vom Jugendschutz zieht. Und daran zeigt sich einiges darüber, was falsch läuft in der Politik.
Daß Jugendpolitik wieder einmal nur als Verbots- und Problematisierungs- und Stigmatisierungspolitik betrieben wird: Wie sollte es anders sein? Und dabei bringt das Gesetz in sich schon wenig (wie Jugendpolitik allzu oft nichts als Law-and-order-Profilierung für fachfremde Akteure bringt): Verbote sorgen nicht dafür, daß etwas aufhört zu existieren. Verbote erhöhen Transaktionskosten. Und wenn die Transaktionskosten nur die sind, daß man vor zehn Alkohol einkauft, gilt das umso stärker.
Es kommt aber weniger darauf an, ob das Konzept durchdacht ist, ob es überhaupt etwas bringt, ob es sein Ziel (zumindest das offiziell behauptete) erreicht. Die Geisteshaltung (und die ist zu kritisieren) hinter solchen Gesetzen ist der Glaube, daß gesellschaftliche Mißstände per Gesetz wegdefiniert werden könnten und der Staat sich so als Erzieher geriert. Der Kollateralschaden des »Jugendschutzes« ist auch hier wieder Bevormundung von Erwachsenen. (Ein Kollateralschaden, bei dem ich immer mehr den Eindruck bekomme, daß er sogar das eigentlich gewünschte Ergebnis ist: Sei es die Indizierung »jugendgefährdender« Schriften, sei es der Unsinn aus dem Jugendschutzmedienstaatsvertrag: Mit derart künstlich erhöhten Transaktionskosten hält man bestimmt nicht diejenigen zuerst ab, die die eigentliche Zielgruppe sind; stattdessen setzt man seine eigenen Moralvorstellungen eben durch die Hintertür durch und bürdet anderen die Kosten ihrer Durchsetzung auf.)
Der Staat als Erzieher ist immer gefährlich: Erziehung ist ihrem Wesen nach ein Verhältnis unter Ungleichen. Nicht ohne Grund ist Erziehung »das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht«, über die der Staat nur subsidiär »wacht« (GG Art. 6 (2)). Sorgerecht ist auch ein Abwehrrecht gegen den Staat, der sich eben nicht paternalistisch gerieren darf, will er freiheitlich sein. Hier soll aber die Politik etwas bewirken, wozu sie nicht in der Lage ist und nicht in der Lage sein darf: Erziehung, die Aufgabe von Eltern wäre, derart outzusourcen, daß damit nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern eben auch Erwachsene bevormundet und zum Objekt von Erziehung werden.
(Wie man staatliche Erziehung mit Klientelpolitik verbindet und dabei keinen Flurschaden anrichtet, zeigt übrigens Frankreich.)
Ergänzung, 25. März 2010: Und wieder zeigt sich, daß Verbote hauptsächlich dazu dienen, Kreativität in Umgehungsverfahren zu stecken. Aral installiert ein Alkoholgutscheinsystem:
[D]en Kunden [wird] eine Sammelmappe angeboten. Damit können sie nach dem Motto „Zuerst kaufen und bezahlen. Später abholen“ tagsüber Waren, egal ob Alkohol oder Süßigkeiten, erwerben. Der Kassenbon wird in die Mappe geklebt. Mit dem Abholschein kann die Ware dann jederzeit abgeholt werden. Ein Sprecher des Aral-Konzerns bestätigte dem Blatt die Aktion und wies darauf hin, im Gesetz sei „ein Verkaufsverbot, nicht aber ein Abholverbot“ festgeschrieben.
Gut, dass das mal jemand auf den Punkt bringt. So eine schwachsinnige Regelung gehört abgeschafft und die zuständigen Politiker angemessen abgestraft.
Ein Alkoholverbot ändert nichts an dem Problem an sich. Es wird auch nichts daran ändern, dass immer wieder Autofahrer schon mal, ausversehen oder nicht sei einmal dahingestellt, über der 0,5 Promillegrenze ihr Auto fahren. Dann droht eine Strafe Trunkenheit im Verkehr. Ein Alkoholverbot wird dieses Dilemma nicht verhindern können.