Erschienen: Was ist konservativ?

Was ist konservativ
Markus Porsche-Ludwig & Jürgen Bellers (Hg.):
Was ist konservativ? Eine Spurensuche in Politik, Philosophie, Wissenschaft, Literatur. Nordhausen 2013.

Für das von Markus Porsche-Ludwig und Jürgen Bellert herausgegebene Buch »Was ist konservativ? – Eine Spurensuche«, das seit dieser Woche auf dem Markt  ist, habe ich die Frage »Was ist konservativ« (in illustrer Gesellschaft) beantwortet:

Der große Liberale Hayek beschreibt die konservative Einstellung in »Die Verfassung der Freiheit« als »Furcht vor Veränderungen, ein ängstliches Mißtrauen gegen das Neue als solches«. Hayeks Begriff des Konservativen ist auch meiner.

Inhaltlich, politisch vermag ich das Konservative nämlich nicht zu greifen. Unter dem breiten Mantel des Wortes »konservativ« ist völlig Verschiedenes vereint: Viele klassische (Wirtschafts-)Liberale sehen sich als konservativ, aber es gibt auch »Herz-Jesu-Sozialisten«; konservativ ist der distinguierte Frankfurter Bankier, aber auch die Schwarzwaldbäuerin, und konservativ in diesem Sinn sind auch viele »Linke«. Mit Hayek sind diese Menschen konservativ aus tiefem Mißtrauen gegenüber dem Wandel in dem Feld, aus dem sie ihre Kraft und Identität ziehen – und das schon, wenn es nur um Äußerlichkeiten geht, die nicht den eigentlichen Kern ihrer Werte betreffen.

Hayeks Bestimmung scheint mir das Konservative viel besser zu beschreiben als eine inhaltliche: Ein Denken innerhalb geschlossener Systeme – anstelle eines Nachdenkens über Systeme. Die Sehnsucht nach Geborgenheit und Vertrautheit, auch um den Preis eingeschränkter Freiheit und strikter sozialer Kontrolle. Das Hergebrachte bewahren, nicht weil es sich bewährt hat, sondern weil es das Hergebrachte ist. Die Furcht vor allem Ungeplanten, vor Kontingenz und Emergenz, und vor Fremdem. Sicher fühlt sich der Konservative nur dann, so Hayek, wenn eine Autorität über die Ordnung wacht.

Sicher: Es gibt Bestimmungen des Konservativen, die nicht so negativ klingen: Prüfet alles, das Gute aber behaltet – konservativ als das Bewahren des Guten, konservativ als Abwägen und Reflektieren, bevor blindlings alles Neue für gut befunden wird. Solchen Konservativismus, solche Konservative gibt es ohne Frage – ich kenne nur sehr wenige. Konservative, die aus Furcht vor dem Wandel allem Neuen ängstlich mißtrauen – die kenne ich umso mehr.

***

Zu diesem Thema weist Peter Aschoff, der einen ganz ähnlichen Eindruck hat (»Oft genug funktioniert die Logik des Konservativismus nach dem Motto: ›Prüft das Gute, aber behaltet alles.‹«), auf ein schönes Zitat von Martin Buber hin:

Wir sollen es [ihr Werk] verehren, wir sollen davon lernen, aber wir sollen es nicht nachmachen. Was Großes und Heiliges getan worden ist, ist für uns beispielhaft, aber es ist kein Modell, das wir nachzuzeichnen hätten. Wie Geringes wir auch zustande zu bringen vermögen, wenn wir es an dem Maße der Taten der Väter messen, es hat seinen Wert darin, dass wir es aus eigner Art und eigner Kraft zustande bringen.

… Dieses Einzige und Einmalige ist es, was jedem vor allem auszubilden uns ins Werk zu setzen aufgetragen ist, nicht aber, noch einmal zu tun, was ein anderer, und sei es der größte, schon verwirklicht hat.

Bevor ich meinen Artikel geschrieben hatte, hat Jörg Blumtritt ähnliches geschrieben:

Konservativ ist heute meist eine Politik, in der Angst vor Veränderung den Rahmen steckt. Deshalb ist es auch kein Widerspruch, dass Konservative für Atomkraft – eine geradezu exemplarisch fortschrittliche Technologie – stimmen. Atomkraft ist ihnen kein Mittel, eine glorreiche, technikbeherrschte Zukunft zu gestalten, sondern die zentralistische Energieversorgung der Steinkohlezeit möglichst lange zu retten. Konservativ bedeutet leider in unserem aktuellen politischen Sprachgebrauch nicht “Werte erhalten”, sondern “Dinge erhalten, unverändert bestehen zu lassen, egal welchen Wert sie haben”.

… und bezeichnend, daß in diesem Artikel nur Männer zitiert werden – hätte ich noch mehr Zeichen zur Verfügung gehabt: Hannah Arendt und die Gebürtlichkeit hätten nicht gefehlt.

(Publikationen in klassischen Medien sind immer lehrreich: Kein Honorar bin ich gewöhnt, kein Belegexemplar und nur die Möglichkeit, zum Autorenpreis zu bestellen, ist neu.)

2 Gedanken zu „Erschienen: Was ist konservativ?“

  1. “Hayeks Begriff des Konservativen ist auch meiner.” & “Konservative, die aus Furcht vor dem Wandel allem Neuen ängstlich mißtrauen – die kenne ich umso mehr.”

    Dazu frei nach Markt Twain:
    Und wenn man ein Hammer ist, sieht alles aus wie ein Nagel.

  2. Spar dir das Geld für das Belegexemplar und kauf lieber antiquarisch für wenige Kröten: Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrsg.), Die Herausforderung der Konservativen (Herderbücherei Initiative Nr. 3), Herder, Freiburg/Br. 1974 (besonders S. 104-128: ein Aufsatz des jungen Rhonheimer). Empfiehlt ein alter Sozialdemokrat.

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