Nicht nur in der Gender-Debatte haben wir einen sehr rustikalen Diskussionsstil von Piratensympathisanten erlebt. Vor Monaten hieß es bereits bei f!xmbr:
Mein Gedanke: Das Heiseforum hat sich im realen Leben getroffen und die Piratenpartei gegründet. Ich stelle die Frage noch einmal: Wollen wir wirklich das Heiseforum ab September als politische Kraft im Bundestag sehen?
Nun ist die zugrundeliegende These (die bloße Gleichsetzung mit Heiseforentrollen) etwas zu unterkomplex für dieses gesittete geisteswissenschaftliche Blog (würde ich nie machen!). Daher die steile philosophiehauptseminargestählte These: Bei der nietzscheanisch überschäumenden Kritik der Klientel der Piraten sehen wir exemplarisch, wie sich – in der Terminologie Peter Sloterdijks – thymotische Energien Bahn brechen.
Sloterdijk stellt in »Zorn und Zeit« fest, daß es nicht nur den Eros als treibende Kraft gibt, sondern von alters her (beginnt doch die Ilias mit jenem geflügelten Wort vom Zorn des Peleussohns Achill) auch den – freilich neuzeitlich psychoanalysierend und von alters her christlich eben vom Eros unterdrückten – θυμός:
Das griechische Kennwort für das »Organ« in der Brust von Helden und Menschen, von dem die großen Aufwallungen ausgehen, lautet »thymos« – es bezeichnet den Regungsherd des stolzen Selbst, zugleich auch den rezeptiven »Sinn«, durch den die Appelle der Götter sich den Sterblichen kundgeben.
Wer den thymos (neuerdings in der Thymusdrüse verortet) sprechen läßt, der läßt sich nicht vom Ressentiment seiner Sklavenmoral unterdrücken, der erfährt die ganze Welt thymotisch: Heldenmut, Tapferkeit, Mannesmut, Zorn und Stolz, das testosteronschwangere Wissen um die Wucht und Weisheit der eigenen Position. Der thymos hat es schwer in unserer umhegten und ordentlichen Welt, wo selbst Carl Schmitts fundamentale politische Unterscheidung in Freund und Feind so irenisch gedeutet wird, daß der Staat den politischen Zustand gerade nicht kennte zugunsten der Ordnung (so etwa Böckenförde in »Der Begriff des Politischen als Schlüssel zum staatsrechtlichen Werk Carl Schmitts«), wo soft skills und Metrosexualität moschustriefende haarige Männerachseln als Paradigma verdrängen, wo allein Liebe, Eintracht und Kooperation Neues und Gutes hervorbringen sollten, wo Zivilisation verstanden wird als Befriedung und Zügelung.
Was wir in den Kommentarspalten von Danilola, Antje Schrupp, von f!xmbr und Spreeblick erleben, das ist ein Aufbäumen aus Freude am wiederentdeckten eigenen heiligen Zorn gegen ein weichgespültes, durchgegendertes, zornvergessenes Mainstreammeinungskartell; der Kult des Pragmatischen, des gesunden Menschenverstands ist nur zu erklären mit der rezeptiven Kraft des thymos, »durch den die Appelle der Götter sich den Sterblichen kundgeben«. (Man beachte auch das nicht nur homerische, sondern nachgerade exemplarisch thymotische Gelächter in diesem Video bei Sekunde 30, das die nur mit göttlicher Ansprache zu erklärende Überlegenheit hinauslacht.)
»Mit dem Hammer philosophieren« – das heißt heute: bashen und anderen bashing vorwerfen. Die Klientel der Piratenpartei: Ein virtuelles Zornkollektiv, heilige Heiseforenkrieger, digitale Dschihadisten.
Kein Wunder, daß die Piraten BFF mit Maskulisten sind.
(Was es sonst noch zu Sloterdijk zu sagen gibt, stand in der Zeit: Von Hilal Sezgin und Axel Honneth.)
Homers Helden waren bisweilen rechte Kindsköpfe, wenn ich da an Achill denke …
Ihre (kultur)philosophischen Gedanken adeln meiner Meinung nach zu Unrecht ein Phänomen, das ich selbst allerhöchstens als schlechtes Benehmen und mangelnde Selbstbeherrschung charakterisieren würde.
Ob genau diese engagierten „Groupies“ (oder „dieser Mob“) den nachhaltigen Erfolg der PIRATEN zu verhindern vermögen, darüber bin ich mit mir nicht einig. Daß sie die innerparteiliche Sacharbeit und die ungehinderte Sicht von außen deutlich erschweren, steht hingegen außer Zweifel.
Ich hoffe, dass sich die guten Ideen innerhalb der Piratenpartei durchsetzen werden. Die Forentrolle, die aus den maskulistischen Foren zu unser herüberdriften, stören die sachliche Arbeit und beschädigen unser Bild nach außen. Jedoch besteht noch Hoffnung, sie verhungern zu lassen. Und das ganz unphilosophisch.