Natürlich werden die gestohlenen Daten ausländischer Bankkunden von der Bundesregierung gekauft, spätestens jetzt, da Angela Merkel sich dazu positioniert hat: »Jeder vernünftige Mensch wisse, dass Steuerhinterziehung geahndet werden müsse.« (Daß die Opposition sich dem populistischen Affekt hingibt, war ohnehin zu erwarten. Immerhin: Wolfgang Nescovic hat rechtsstaatliche Bedenken.)
Diese Argumentation kann nicht überraschen. Jeder vernünftige Mensch weiß ja auch, daß Terrorismus und Kinderpornographie bekämpft werden müssen. Und dabei kann man keine Rücksicht nehmen auf irgendwelche Verfahrensgrundsätze aus dem Wolkenkuckucksheim.
In der Tat ist man diese Argumentation gewohnt, aus der Politik wie aus dem Sonntags-Tatort: Im Prinzip ist man gerne Rechtsstaat, aber dieser Rechtsstaat ist bisweilen lästig: Daß man anwaltlichen Beistand gewähren muß, daß sich Beschuldigte nicht selbst belasten müssen, daß es eine Unschuldsvermutung gibt. Wer will schon das korrekte Verfahren einhalten, wo es doch (wahlweise) um unsere Kinder, um Anstand und Moral, gegen den Terrorismus, gegen den Sozialschmarotzer … geht. Sobald ein Feind konstruiert ist, muß das Recht zurückstecken. Inter arma silent leges. (Insofern erstaunt es, daß ausgerechnet Wolfgang Schäuble, Freund des Feindstrafrechts, zunächst Bedenken hatte. Aber er ist ja bisweilen selbst kreativ in Finanzdingen.)
Es geht bei der Ablehnung des Ankaufs nicht darum, Steuerhinterzieher zu decken oder zu entschuldigen, genausowenig, wie ein absolutes Folterverbot dazu da ist, Kindesentführer zu decken. Der Staat hat das Gewaltmonopol. Und wo Macht ist, ist die Korruption dieser Macht nicht weit: Ein Gewaltmonopol ist nur erträglich, wenn der Staat sich selbst an Recht und Ordnung bindet. Für den Staat gibt es daher schlicht keine Kavaliersdelikte. Er darf sich auch keine läßlichen Sünden erlauben (und nicht nur wegen des pädagogischen Arguments »wenn das jeder täte« – auch wenn die Einwürfe von Zettel und Spiegel, die auf diesen Aspekt abheben, sehr gelungen sind); insbesondere das korrekte Verfahren, und behindert es auch das, was die Ermittelnden noch so sehr für den richtigen Weg zum Ziel halten, ist essentiell: Erst ein Verfahren macht Rechte wirksam einklagbar, erst ein Verfahren macht staatliches Handeln nachvollziehbar und legitim. Das schönste Recht nutzt nichts, wenn der Staat sich nicht daran hält.
Und wenn es in diesem einen Fall (es geht ja um die bösen Kapitalisten!) doch ausnahmsweise erlaubt sein soll: Wo ist die Grenze? Wieviel ist zwischen dem Dieb aus der Schweiz, an den man die Steuerfahndung outsourcet, und dem Foltergeheimdienst aus dem befreundeten Ausland, an den man die nachrichtendienstliche Erkenntnisgewinnung outsourcet? (Weitere Beispiele beim Antibürokratieteam.) Möchte man diese Methode nur bei (behaupteten!) Steuerdelikten anwenden, oder möchte man generell den illegalen Erwerb von potentiell belastenden Daten nicht nur dulden, sondern auch belohnen? Dann gilt allgemein: Datenschutz ist Täterschutz. Wer nichts zu befürchten hat, braucht auch nichts zu verbergen.
Was hier geplant ist, ist fast (nur fast, der Strafttatbestand Hehlerei bezieht sich nur auf materielle Güter) lehrbuchmäßig ein Fall von Hehlerei: Der Staat als Hehler schafft eine wirtschaftliche Grundlage, die den Diebstahl lukrativ macht; auch im ordinären Unterweltsmilieu ist das – »der Hehler ist schlimmer als der Stehler« – die schlimmere Tat, ermöglicht sie doch erst kriminelle Strukturen: Welches Recht bindet noch den, der die Beschaffung für den Hehler Staat übernimmt?
Besonders unappetitlich ist dann, wenn die Hehlerei noch ein juristisches Deckmäntelchen umgehängt bekommt, wie Heribert Prantl es in der SZ tut. Läßt man die Beschimpfung der Schweiz beiseite (deren »raison d’etre [sic!]« nach ihm der »Profit der Schweizer Banken« sei – ich hatte immer eine andere schweizerische raison d’être im Kopf), so argumentiert er wie folgt:
Man kann das Geld, das der Staat für die Bankdaten bezahlt, als eine Belohnung betrachten. Belohnungen “für sachdienliche Hinweise”, juristisch handelt es sich um eine “Auslobung”, sind seit jeher ein anerkanntes Mittel der Aufklärung von Straftaten.
Sieht Prantl hier tatsächlich keine Rechtfertigung der Selbstjustiz? Eine herrschaftliche Legitimation von Straftaten? Einen Kaperbrief gegen andere souveräne Staaten? Was Prantl hier betreibt, ist eine Schönfärberei mafiösen Verhaltens: Auch der Don droht niemals. Er macht nur Angebote, die man nicht abschlagen kann.
Wenn man tatsächlich etwas gegen Steuerhinterziehung machen will, dann gibt es dazu genügend rechtsstaatliche Methoden, inklusive der Steuerfahnung. Oder man könnte ein einfacheres, gerechteres und niedrigeres Steuersystem entwickeln. War da nicht mal was?
(Und außerdem: Eine lobende Erwähnung von Wolfgang Ockenfels: – so kann man sich als Christ doch auch mal zu Wort melden!)
3 Gedanken zu „Stehler, Hehler und Befehler“