Es tickert heftig: Die Personalfragen der Bundesregierung werden entschieden. Zur Stunde meldet tagesschau.de Schäuble als Finanzminister, Guttenberg Verteidigung und de Maizière für Innen, spiegel.de sieht für Guttenberg noch eine Wahlmöglichkeit zwischen Verteidigung und Innen, rückt von Innen aber im Ticker schon ab. Ein paar Gedanken dazu vorab:
Daß Schäuble nicht mehr das Innenministerium bekommt, das er von 89 bis 91 und seit 2005 leitete, dürfte noch einiges an Analysen brauchen, gerade, da so viele Menschen mit Kompetenz in Finanz- und Haushaltspolitik bereitstanden (allerdings in der falschen Partei). Was Schäuble zu einem problematischen Innenminister gemacht hat, kann ihn zu einem guten Finanzminister machen: Seine Penibilität, sein übergenaues, überkorrektes, auf totale Sicherheit bedachtes Wesen kann im Finanzministerium nicht schaden. Daß seine Staatsgläubigkeit in der Innenpolitik auch eine Staatsgläubigkeit in der Finanzpolitik bedeutet, hoffe ich nicht. Erfahrung mit Geld hat er ja. Auf Schreibers Skandal-Aussage warten wir immer noch; immerhin bleibt Schäuble so auf dramatischer Fallhöhe.
Die interessantere Personalie ist Guttenberg, der auch fürs Finanzministerium (was der CSU gut gefallen hätte) gehandelt wurde, sich aber zierte. Das war für den Außenpolitiker noch weniger Fachgebiet als das Wirtschaftsministerium – ein klares Bekenntnis zur Ordnungspolitik wäre hier aber zu erwarten gewesen.
Was hieße Guttenberg im Innenminsterium? Eine andere Innenpolitik wäre natürlich – wie generell von der Union – nicht zu erwarten; Guttenbergs Frau ist bekanntlich Vorsitzende des Lobbyvereins »Innocence in Danger«, der sich stark für die Netzsperren eingesetzt hat, sein bisheriges Ministerium federführend beim Gesetz gewesen.
Die Tagesschau scheint sich reichlich sicher zu sein, daß es auf Verteidigung hinausläuft. Natürlich: Das ist mehr Außenpolitik als das Innenministerium. Die CSU könnte zudem, wenn sie kein wirkliches Schlüsselministerium hat, drei statt zwei Kabinettsposten fordern. Reicht dazu die Adelsethik des Freiherrn? Machtpolitisch wäre das für Guttenberg eine schlechte Entscheidung:
Guttenbergs Posten stellt nämlich auch ein machtarithmetisches Problem dar: Als Wirtschaftsminister hat Guttenberg innerhalb der Bundesministerien protokollarisch den fünften Rang; Verteidigung ist nur Rang 8, sogar noch nach der Landwirtschaft. Um aufzusteigen, bleiben nur (in dieser Reihenfolge) Außen, Innen, Justiz und Finanzen. Außen ist für die FDP gesetzt, Innen und Justiz gehen wohl nicht an dieselbe Partei (was, nebenbei, eine Gewaltenteilung innerhalb der Regierung befördert, über die wichtige Ressorttrennung hinaus), die Union kann ihrer Klientel keinen FDP-Innenminister zumuten. Für eine Verbesserung bleibt für Guttenberg also tatsächlich nur das Innenministerium, während das Verteidigungsministerium auch inhaltlich wegen Afghanistan eher unattraktiv ist. (Überraschend, konsequent, aber leider zu treffend und zynisch wäre wohl zur Gesichtswahrung ein Superministerium für Verteidigung und Entwicklungshilfe.)
Auch der andere Innenministerkandidat, Thomas de Maizière, wird nicht besser. Seine restriktive Position zur Netzpolitik ist bekannt, zudem ist er ein Mann der Macht: Sein Werdegang fing exekutivnahe an, er war Leiter der Staatskanzlei Sachsen, erst 2004 ein erstes Mandat im Sächsischen Landtag. 2001–2005 war er in Sachsen erst Finanz-, dann Justiz-, schließlich Innenminister, unter Merkel dann Leiter des Kanzleramts, und erst im neugewählten Bundestag hat er wieder ein parlamentarisches Mandat. Für eine freiheitliche Innenpolitik (nicht, daß das von der Union zu erwarten wäre) eine sehr ungesunde Nähe zur Exekutive. (In seiner bisherigen Stellung ist er auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Geheimdienste.)
So oder so: Die Innenpolitik muß von der FDP korrigiert werden, aus der Union kommt erwartungsgemäß nichts. Immerhin: Beide sind deutlich jünger als Schäuble.
Alles in allem wird hier sehr geschickt von der CDU taktiert: Die FDP scheint außer Außen keines der großen Ressorts bekommen zu haben, die CSU gar keins, wenn Guttenberg Verteidigung bekommt. Eine CSU-FDP-Intrige (Guttenberg Außen, FDP Innen) war zu jeder Zeit frommes Wunschdenken.
Auch Merkel hat sehr geschickt agiert, wenn Guttenberg Verteidigung bekommt: Er hat Afghanistan, was kaum Popularität bringen wird, von der Leyen Gesundheit, was auch kaum zu meistern ist gegen Ärzte- und Pharmalobby. Damit hat sie ihre beiden schärfsten Gegner bei einem eventuellen Putschversuch (ich habe das in einem vorigen Artikel ausführlich diskutiert, warum das wenn nicht wahrscheinlich, so doch möglich ist) kaltgestellt. Außer diesen beiden hat kein Unionsminister im Kabinett das Format, einen Putsch anzuführen.
Es bleibt spannend.
Der Verweis auf die CDU-Spendenaffäre — herrlich!
Auch sehr schön: wie Merkel keine Lust hat, Presseanfragen dazu zu beantworten.