Netzneutralität aus ordnungspolitischer Sicht

Die Debatte um Netzneutralität, also die unterschiedslose, ungefilterte Weiterleitung des Netzverkehrs durch die Provider, konzentriert sich auf technische und normative Fragen.

Die technischen Aspekte interessieren mich weniger: Deep Packet Inspection funktioniert, entsprechende Infrastrukturen sind aufgebaut und von den Providern und Lobbyisten gewollt.

Die normativen Aspekte greifen oft reichlich kurz und beschränken sich darauf, einerseits den Nutzen für die Kunden zu betonen oder andererseits die Notwendigkeit eines ungefilterten Internetzugangs zu betonen. Die Befürworter von Netzneutralität betonen die Notwendigkeit staatlicher Regulierung, die Gegner wollen filterndes Routing erlauben. Die erste Position geht von einer verbreiteten, aber zu wenig hinterfragten Grundlage aus: Daß der Staat hier eine legitime Regelungskompetenz hat. Nicht diskutiert wird, mit welcher Legitimation, auf welcher Ermächtigungsgrundlage der Staat so etwas regeln kann. Hinterfragt man das nicht, muß als unausgesprochene Annahme stehen, daß der Staat grundsätzlich umfassende Regelungskompetenz hat. Das ist aus einer ordnungspolitischen Sicht nicht tragbar, in der dem Staat klare Grenzen für Eingriffe in die freien Vertragsverhandlungen der Bürger gesetzt sind.
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Vegetarier sein – Philosophisch.

Ich wurde gefragt, ob mein Philosophiestudium einen Einfluß darauf hatte, daß ich Vegetarier bin. Ethik, und noch dazu angewandte, war nie mein Fachgebiet. Ein bißchen was habe ich aber doch mitgenommen, auch auf Umwegen. Im wesentlichen waren das Kant, Peter Singer und Aristoteles.
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Schafft ein, zwei, viele Usenets

Heute war Twitter down. Twitter selbst spricht von einem DoS-Angriff, zur Stunde ist noch nicht bekannt, wer daran schuld ist. Spekulationen blühen auf, so etwa bei Claudia Sommer:

Beide Dienste [sc. Twitter und Facebook] ermöglichen Gegenöffentlichkeit und Protest. Etwas was manche etablierten Institutionen nicht gerne sehen… Stichwort: Iran
[…]
Dies ist der wahre Kampf der Kulturen und nicht der Westen gegen den Islam.

Mir kommt es (noch) etwas paranoid vor, ein freiheitsfeindliches, staatsgesteuertes Cyber-SEK dahinter zu vermuten. Ich habe eine ganz andere Befürchtung: Natürlich haben wir mit Twitter, Facebook und dem ganzen Social web eine nie dagewesene Möglichkeit, Gegenöffentlichkeit zu erzeugen. Das ganze ist aber ein erschreckend monolithischer Block. In Sachen Iran wurde Twitter wegen seiner API gelobt: Man konnte twitter.com zwar sperren, nicht aber die vielen Mashups und Anwendungen, die darauf zugreifen.

Das offensichtliche Problem: Solange es einen Single point of failure gibt, nützt die schönste API nichts. Das hat sich (unter anderem) heute gezeigt. John Gilmore konnte 1993 noch sagen: The Net interprets censorship as damage and routes around it. (Auf seiner dezidiert Web-1.0-igen Seite erklärt er, daß es dabei ursprünglich um das Usenet ging.) Um ein kaputtes twitter.com kann man nicht herumrouten.

Kulturell mögen wir uns als Netizens (sagt man heute noch so?) als Avantgarde verstehen können: Als Bürgerjournalisten, als Gegenöffentlichkeit, als Prosumer, als Sender und Empfänger, als kommunizierende Röhren. Technisch ist vieles im Web 2.0 gerade nicht avantgardistisch. Wenn dieser »Kampf der Kulturen« gegen Zensoren, Netzausdrucker und alte Herren mit Kugelschreibern gewonnen werden soll, müßte es eine Rolle rückwärts geben: Hin zu verteilten, dezentralen Systemen. Gilmore: That’s the kind of society I want to build. I want a guarantee – with physics and mathematics, not with laws – that we can give ourselves real privacy of personal communications.

Twitter muß mehr Usenet werden. Usenet in sexy.