Mannheimer Kodex

Der Mannheimer Gemeinderat hat sich, zusätzlich zur Geschäftsordnung, einen Verhaltenskodex gegeben. (Die BZ berichtete.) In acht Punkten werden Selbstverständlichkeiten geregelt: Auf die Sitzungen vorbereiten, pünktlich sein, aufmerksam zuhören. Alle Fraktionen haben den Kodex unterschrieben, nur die Mannheimer Liste (die als politischer Arm des Féuerio gilt) nicht, die sich mit markigen Worten dagegen wendet:

Derartige Selbstverpflichtungen sind uns nur aus Glaubensgemeinschaften, bei Schneeballsystemen und aus der DDR bekannt.

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Heimat, du bist wieder mein …

Kaum ist man drei Wochen nicht in der alten Heimat, ist alles anders. Nicht nur, daß die ständige Vertretung des Kienholzclubs bei der KiKaGe plötzlich gelb (quittegeel) gestrichen, dafür aber die Post geschlossen ist, nein: wir haben auch schicke neue 425er zwischen Karlsruhe und Mannheim. Mit Ansage. Automatisch. Ein Graus. Mannheim—Waghäusel ist, zugegeben, schwierig. Aber bis auf die korrekte Anfangsbetonung von Waghäusel läuft alles falsch: Neckarau mit Nebenbetonung und Glottisschlag, und, ganz verheerend, Neu-Lúßheim statt Neúlußheim.

Die Ästhetik des Widerstandes

Mannheim ist schön. Mannheim ist wie Irland: Klein, übersichtlich und stellenweise gefährlich. Guinness heißt Eichbaum, Clonmacnois Jesuitenkirche, der Shannon Rhein und Donegal Ludwigshafen.

Die IRA heißt in Mannheim Feuerio und macht statt in Bombenterror in Fastnacht. Wie die IRA hat auch der Feuerio einen politischen Arm, der aber nicht, wie man denken könnte, Sinn Féuerio, sondern ML heißt (nota bene: hier Mannheimer Liste und nicht Marxistisch-Leninistisch) und ähnlich nationalistisch (und dazu pleonastisch: Für uns zählt nur Mannheim. Aus Liebe zu Mannheim) ist. (Die obligatorischen – und gerechtfertigten – Prügel von links gehören auch dazu.)

Eines aber spricht für die ML (neben dem Hund): die Ästhetik. Nicht die stadthygienische (wg. Sozialhilfempfänger-Putzkolonnen) sondern die der Frisuren. Meine politischen Wurzeln sind bekannt – aber nie könnte ich eine Partei wählen, deren männlicher Spitzenkandidat Vokuhila und Schnauzer trägt.

Fun fact you didn’t know: Der Autor der Ästhetik des Widerstandes heißt wie der Bundestagsabgeordnete von Emmendingen-Lahr.

Kino und Kanon

Gestern abend nach dem sehr zu empfehlenden Film »Lost in Translation« ging’s, wie so oft, noch ins ebenfalls sehr zu empfehlende »Königin von Saba«, um die aktuelle Bildungsmisere zu bejammern. Thema unter anderem: Welche drei Texte sollte jeder gelesen haben? Meine Antwort:

  1. Epikur, »Brief an Menoikeus«
  2. Immanuel Kant, »Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?«
  3. Heinrich Böll, »Brief an einen jungen Katholiken«

Die Schauburg hat übrigens die verdienstvolle Einrichtung der »14-Tickets-Regel«, die nicht nur ab und an zu einer Freikarte führt, sondern durchaus auch der Gedächtnisstütze über das vergangene (Kino-)Jahr dient:

Die Unbarmherzigen Schwestern, Casablanca, Good Bye, Lenin, Berlin Babylon, Frida, Metropolis, La Strada, City of God, Lichter, Das Gesetz der Begierde, Herr Lehmann, Sonnenallee, Kill Bill Vol. 1, Dogville, Die Träumer, Lost in Translation, Kalendergirls.

Was ich in der Kinemathek, dem Cinema Quadrat und anderen Kinos gesehen habe, läßt sich nicht so einfach rekonstruieren:

Matrix I, Matrix II, Herr der Ringe I–III, Seom, Ich kenn‘ keinen, Best of shorts (Lesbisch-Schwule Filmtage Karlsruhe), Findet Nemo, Das Fliegende Klassenzimmer, Ten.

Zuvieldienst

Bei einem sozialen Schulpraktikum hat Felix Neumann die Bahnhofsmission kennen gelernt. Dem Gymnasiasten aus Waghäusl hat es an dem besonderen Knotenpunkt des Lebens so gut gefallen, dass er sich nach dem Abitur um eine Zivistelle am Gleis 1 des Mannheimer Hauptbahnhofs bewarb.

So fängt der Artikel »Wird die Truppe an der Sozialfront zurückgepfiffen, müssen neue Konzepte her« im auch sonst nicht zu empfehlenden Mannheimer Morgen heute an. (Erstens bin ich genausowenig »Gymnasiast« wie »Grundschüler«, zweitens heißt es Waghäusel, drittens habe ich mich dort schon weit früher beworben – all das sollte ein sorgfältig arbeitender Journalist aber selbst korrekt recherchieren.)

Anderen Medien, namentlich dem Usenet, entnimmt man besser Recherchiertes:

Drei Dinge, die sich für die Zivildienstleistenden ändern, sollte der Dienst bis 2008 wirklich abgeschafft werden:

  1. Sie müssen in Zukunft den Geldbeutel der *eigenen* Oma klauen.
  2. Sie müssen sich in Zukunft von jemand anders erzählen lassen, wer die Autobahnen gebaut hat.
  3. Sie können in Zukunft die Rollstuhlrennen nur noch in den eigenen vier Wänden veranstalten.

Die taz findet noch einen Nachteil: Nichts mehr mit rechts husten.

Ich weiß, wo man's kriegen kann!

Bei uns in der BM arbeitet ehrenamtlich eine Mitarbeiterin des Frauenbüros der Uni Mannheim, so daß wir immer gut versorgt sind mit der verdienstvollen Postille »Femme totale«. In langen Nachtschichten löst man darin durchaus auch das Preisrätsel und nimmt sogar teil – Ergebnis: Sie haben einen Büchergutschein in Höhe von 20,– Euro gewonnen. Die Mail schließt mit den Worten Bitte teile Sie mir mit, wie Sie es gerne hätten. Wäre ich erstens nicht emanzipiert und zweitens nicht gebunden & monogam, würde ich sagen: Millemillemillemille.

Fahrradfahrer dieser Stadt …

Heute bin ich zum ersten Mal »Kids on Tour« gefahren. »Kids on Tour« (diese Bezeichnung wird seltsamerweise nie abgekürzt …) heißt: alleinreisende Kinder werden von der Bahnhofsmission betreut. Diesmal: Köln–Mannheim. Doch – bis ich erstmal dort war!

Der ICE war gestopft voll, hauptsächlich Soldaten auf Heimatfahrt und Geschäfsleute, ich bin dummerweise in den Raucherwagen eingestiegen (und es gab natürlich kein Durchkommen). Doch natürlich kommt es noch schlimmer.

Vielleicht hat der geneigte Leser es schon bemerkt: ich gebe mir zwar eine vorurteilsfreie links-alternativ-intellektuelle Anmutung (ich besitze sogar Yogi-Tee und diverse Werke von Heinrich Böll!), bin aber dennoch im tiefsten Herzen überzeugter Rassist. Ich verabscheue rheinischen Lebensstil; der Rheinländer an sich löst schon durch Dialekt und Gehabe Widerwillen in mir aus.

In meinem schönen Raucherabteil also saß eine köllsche Reisegruppe (mit Betonung auf dem Doppel-l von »köllsch«), bestehend aus einer Handvoll Ehepaaren im sogenannten »besten Alter«, die jedes Klischee erfüllten: die Damen in einer Weise elegant, die bestenfalls abgeschmackt zu nennen ist, die Herren in rot-braun-blauen Pullovern und mit Otto-Schily-Frisuren (und Joschka-Fischer-prä-Jogging- Bäuchen), und, natürlich, ein Fäßken (sic!) Köllsch (sic!), aus dem man dann und wann ein Gläsken (sic!) zapfte. Die Damen sprachen ihre Gesponse mit – natürlich! – »Daddy« an. Dabei allfällige Analysen über die deutsche Bahn im speziellen und die Lage der Nation im allgemeinen.

Entsprechend anti-rheno-guestphalisch kam ich also zum Rhein (zum Rhein, zum deutschen Rhein), ging auch gleich in die Bahnhofsmission (obgleich ich eigentlich noch eine Stunde gehabt hätte; doch innerhalb dieser Stunde hätte ich nur den Dom geschafft, und in meiner Situation auch noch an Card. Meisner erinnert zu werden …), wo mich der Leiter empfing. Eine ausgesprochen rheinische Frohnatur, die mir begeistert erzählt, daß sie in E-Mails an Mannheim immer »Mann, und dann Leerzeichen, heim« schreibe, »wie wenn da ein Mann heim müsse« – »Spaß« müsse ja »schließlich sein«, und das sei ja ein Wortspiel, »verstehen Sie?«, nudge nudge, knick knack.

Ansonsten war es doch ein recht nettes Erlebnis.