Piraten: Metapartei statt Einthemenpartei?

Die Piratenpartei will sich nicht ins klassische Links-Rechts-Schema einsortieren. Gut so. Das Programm der Piraten beschränkt sich daher weitgehend auf Politikfelder, die sich im Bereich Freiheitsrechte und Urheberrecht bewegen, allein Bildung wird als weiteres klassisches Politikfeld behandelt. Ein gängiger Vorwurf ist so zwangsläufig, eine Einthemenpartei ohne Vollprogramm zu sein. Die Präambel des Parteiprogramms dazu:

Die Piratenpartei will sich auf die im Programm genannten Themen konzentrieren, da wir nur so die Möglichkeit sehen, diese wichtigen Forderungen in Zukunft durchzusetzen.

Dennoch: Wie man an der Bildung sieht, können weitere Themen jederzeit aufgnenommen werden. Im Piratenwiki herrscht eine rege Diskussion dazu. Wenn man ein wenig die Vorschläge durchblättert, sieht man, wie sinnvoll die Beschränkung ist: Da gibt es sehr liberale Positionen (Abschaffung der Landwirtschaftspolitik, Legalisierung aller Drogen), paternalistische (Rauchverbot), linke (Kostenloser öffentlicher Nahverkehr) und so weiter. Jeder Vorschlag wird kontrovers diskutiert – die Piratenpartei ist in ihrem Wiki eine sehr plurale Partei (wenn mir auch bei vielem ein linksliberaler Generalbaß durchzuklingen scheint). Wirtschaftliche Konzepte sind von bieder-liberal bis hin zu grenzgenialer Do-it-your-self-Welterklärung.
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Schwampel

Das war’s dann wohl. In Sachen Schwampel ist mir noch etwas aufgefallen: Gesundheitspolitisch müßten sich die Grünen nur daran erinnern, daß ihr 5-Mark-pro-Liter-Beschluß auch nichts anderes als eine einkommensblinde Kopfsteuer ist. Ganz ohne Abfederung durch Steuermittel. Und schwupps könnte man die ohnehin alberne Bürgerversicherung in die Tonne kippen und mit der Württemberg-Koalition zusammenarbeiten. (Das fehlt übrigens noch im Feuilleton: eine Auflistung aller möglichen Kombinationen nach Landesfahnen. Nur die rote Schwuchtel – große Koalition unter der Fuchtel der Union mit FDP – müßte man wenig intuitiv Belgien statt Deutschland nennen, der Chancengleichheit willen.)

Große Koalition finde ich nach wie vor gruselig. Klar könnte es zu einem »Kabinett der Besten« kommen, aber das ist ein wohl allzu frommer Wunsch. Man stelle sich ein Tandem Koch-Steinbrück vor, assistiert von Stoiber und Kurt Beck (warum haben eigentlich nur die Grünen mehrere ernstzunehmende weibliche Politiker, die nicht irgendwann abserviert wurden? Und warum sehe ich rosige Möglichkeiten für den Föderalismus und Finanzen, aber schwarz – harhar – für Gesellschaftspolitik?) – und das sind nur die realistischen Möglichkeiten. Stünden (Zwangs-)Abgehalfterte wie Däubler-Gmelin und Süßmuth oder gar Heiner Geisler und (man verzeihe mir meinen wenig evidenzbasierten Personenkult; aber seit der Papst-Begrüßungsrede bin ich noch mehr Fanboy als je) Horscht Köhler zur Verfügung: Was könnte das für eine Regierung sein!

Aber ich sehe nur Mittelmaß mit sich verbündenden Sozialflügeln vor mir.

Sprachliches, Allzusprachliches

Die Grüne Jugend gibt eine Pressemeldung heraus. Ich habe nur den ersten Absatz der Version gelesen, die über den Presseverteiler ging. (Online sind die gröbsten Fehler schon korrigiert.)

“Schön das es ein Novum zu sein scheint, morgens um 5.30Uhr ein Interview zu geben, aber inhaltlich bringen die Aussagen von Böhning und Mißfelder den jungen Menschen wenig. Auf einem völlig neuen Kurs, versucht sich Philipp Mißfelder als Sozialstaatsreformierer. Das er als elementaren Bestandteil eines wie auch immer gearteten Generationenpaktes, eine höhere Zahl von HochschulabsolventInnen sieht, dann ist dies der andere Pol der aktuellen Unionspolitik.

Ist man schon konservativ, wenn man seine Texte vor Veröffentlichung korrekturliest?

Projekt Zukunft

Wo soll ich mich hinwenden in dieser schlechten Zeit? Antworten sollten doch zumindest die Wahlprogramme geben. Also: Mail an die fünf großen. Erster Punktsieg FDP: am nächsten Tag eine Bestätigungsmail. Die anderen antworten nicht per Mail, schicken aber nach und nach ihre Programme. Zuerst SPD und FDP, als letztes die CDU.

Gleich am Anfang spannend: die SPD macht betont auf sachlich mit Zeitungspapier und dem vielbeschworenen Umbra, was alles aber sehr gewollt sachlich aussieht. Noch ein Punkt für die FDP: Statt Zeitung oder Hochglanzbroschüren (wie alle anderen) bekomme ich einen Stapel kopiertes und links oben geheftetes Papier. Meine Wahlentscheidung wächst.

Die Ästhetik des Widerstandes

Mannheim ist schön. Mannheim ist wie Irland: Klein, übersichtlich und stellenweise gefährlich. Guinness heißt Eichbaum, Clonmacnois Jesuitenkirche, der Shannon Rhein und Donegal Ludwigshafen.

Die IRA heißt in Mannheim Feuerio und macht statt in Bombenterror in Fastnacht. Wie die IRA hat auch der Feuerio einen politischen Arm, der aber nicht, wie man denken könnte, Sinn Féuerio, sondern ML heißt (nota bene: hier Mannheimer Liste und nicht Marxistisch-Leninistisch) und ähnlich nationalistisch (und dazu pleonastisch: Für uns zählt nur Mannheim. Aus Liebe zu Mannheim) ist. (Die obligatorischen – und gerechtfertigten – Prügel von links gehören auch dazu.)

Eines aber spricht für die ML (neben dem Hund): die Ästhetik. Nicht die stadthygienische (wg. Sozialhilfempfänger-Putzkolonnen) sondern die der Frisuren. Meine politischen Wurzeln sind bekannt – aber nie könnte ich eine Partei wählen, deren männlicher Spitzenkandidat Vokuhila und Schnauzer trägt.

Fun fact you didn’t know: Der Autor der Ästhetik des Widerstandes heißt wie der Bundestagsabgeordnete von Emmendingen-Lahr.

Corpora sana

Die Schulzeit war eigentlich doch die schönste Zeit – außer donnerstags in der neunten und zehnten Stunde. Da stand Sport auf dem Stundenplan (ein Fach, in dem ich im Abizeugnis 15 Punkte hatte – in der Summe). Wie ich zu Schulsport stehe, wissen die Elefanten unter den Lesern dieser kleinen Kolumne sicher noch – umso ungewöhnlicher ist es, daß ich eine Initiative zu mehr Schulsport gutheiße: Die Grünen forderten in Stuttgart, Sport ab 16 Jahren freiwillig anzubieten und die freiwerdenden Lehrer (die oft »Diplomsportlehrer« heißen, aber nichts Ordentliches gelernt haben) dann für die unteren Klassen zu verwenden. Bitter nötig: In meiner Gruppenstunde habe ich oft genug Kinder erlebt, die keinen Ball fangen können und gleichzeitig von ihrer zwei in Sport erzählen.

Wahlverwandtschaften

Überhaupt ist es doch traurig, wie wenig in der Welt gedacht wird. Man verändert die Regierungsform, alles, alles – und das einzige, was man keinem Zweifel unterwirft, das einzig Feste ist der Glaube an die Art Entscheidung, die durch Ballotage bestimmt ist.

Søren Kierkegaard, X-4 A 65

Heute berät der Bundestag über den Antrag Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an. Das klingt erstmal nett und brand(t)neu, ist aber leider alles andere als begrüßenswert. Heißt es im Antrag noch pathetisch Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Wahlrechts ab Geburt durch Änderung des Artikel 38 des Grundgesetzes und erforderlicher weiterer gesetzlicher Änderungen vorzulegen, nur leider kommt das Stellvertreterwahlrecht gleich danach durch die Vordertür: Dabei ist ein Wahlrecht ab Geburt dergestalt vorzusehen, dass die Kinder zwar Inhaber des Wahlrechtes werden, dieses aber treuhänderisch von den Eltern bzw. Sorgeberechtigten als den gesetzlichen Vertretern ausgeübt wird.

Fazit: Etikettenschwindel. Diese Lösung ist nämlich gerade kein Mehr an Demokratie, sondern vielmehr Wahltaktik. Ich behaupte: Vom Stellvertreterwahlrecht profitieren Volksparteien und hier besonders Konservative, von wählenden Kindern und Jugendlichen alternative und fortschrittliche Parteien. Mit Stellvertreterwahlrecht wird nämlich das Stimmgewicht der Wähler über 25 erhöht, während das Menschen unter 25 gleich bleibt. Menschen, die in alternativen Lebensformen wohnen (ich denke an Homosexuelle)werden mit dieser Regelung politisch noch mehr marginalisiert. (Obwohl: Adoption zum Stimmenkauf wäre eine interessante Sache.)

Interessant dürfte die statistische Verteilung sein: Es profitieren nämlich nur Eltern mit minderjährigen Kindern, also Menschen zwischen ganz grob 25 und 60 mit einem Hochplateau irgendwo in der Mitte. Das ist in einer überalterten Gesellschaft besonders fatal, da die besonders Alten schon jetzt im Bundestag (beispielsweise) prozentual deutlich unterrepräsentiert sind bei gleichzeitiger komplett fehlender Legitimation durch Minderjährige.

Als abschließendes Bonbon (mehr argumentieren möchte ich nicht, das tun die Kinderrechtszänker sehr gut) noch die Verteilung der Parteien der Antragsteller. (Hier kann man auch ablesen, wer statistisch gesehen profitieren wird.)

SPD Union Grüne FDP
11 13+1 3 19