Leserbrief Sonntagsarbeit

Im Konradsblatt tobt eine Debatte um angebliche Sonntagsarbeit bei der 72-Stunden-Aktion. Dazu habe ich mich auch zu Wort gemeldet:

in den letzten Wochen haben sich einige Leserbriefe mit dem Problem der »Sonntagsarbeit« bei der 72-Stunden-Aktion des BDKJ beschäftigt. Exemplarisch dafür ist der Brief von Leni Hauger in der Nr. 30: Da wird dem BDKJ pauschal vorgeworfen, dass keine Eucharistiefeier eingeplant gewesen sei — nachweislich falsch. Da wird dem BDKJ pauschal »Sonntagsarbeit« vorgeworfen — weder die ausdrückliche Unterstützung unseres Herrn Erzbischofs noch die Rahmenbedingungen des Ehrenamts noch ein Verweis auf den Unterschied von unentgeltlicher Hilfeleistung (Aspekte von Diakonia und Martyria!) und Erwerbsarbeit sollen gelten. Muss man erwähnen, dass solche Proteststürme zwar den BDKJ treffen, jedes Pfarrfest aber selbstverständlich am Sonntag mit viel ehrenamtlichem Engagement stattfindet? Dass der Diözesantag sogar undenkbar wäre ohne hauptamtliche Arbeit, also Erwerbsarbeit?

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Ich will sie gläubig hören

Wieder einmal ein Quergedacht aus dem Krokant:

Schön, dass es den Papst und die Kirche gibt – aber auf den wunderlichen alten Mann in Rom mit seinen altmodischen Einstellungen müssen wir ja nun wirklich nicht hören, heutzutage.
Wer so denkt, hat nicht verstanden, um was es geht.
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Wetter? Wir auch! Wir auch?

Die ungekürzte Version meines Quergedacht fürs Krokant:

Vor 40 Jahren war eines der erfolgreichsten politischen Plakate eine Parodie eines Bahnplakats mit dem Slogan »Alle reden vom Wetter. Wir nicht«.

Mit so einem Slogan kann man heute keine Politik mehr machen. Klimaschutz scheint das wichtigste politische Thema zu sein. Kein Wunder, lässt sich doch mittlerweile kaum mehr leugnen, dass es den vom Menschen beeinflussten Klimawandel gibt. Ist das aber ein Grund, jedes Handeln zuerst unter diesem Aspekt zu bewerten? Wetter? Wir auch! Wir auch? weiterlesen

Leserbrief StudiVZ

Es ist natürlich etwas albern, an eine Zeitschrift einen Leserbrief zu schreiben, die man selbst herausgibt: Ich habe es auf Wunsch der Redaktion dennoch getan:

Das neue Medium ist irgendwie nicht echt. Es kommt zwar ziemlich persönlich daher, ist es aber nicht. Und überhaupt kann man sich nicht darauf verlassen, dass man wirklich die Wahrheit präsentiert bekommt. Und an den persönlichen Kontakt kommt es sowieso nicht ran.

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Quergedacht: Herzlichen Glückwunsch!

Quergedacht für’s nächste Krokant:

Herzlichen Glückwunsch!

Wer dieses Krokant liest, hat mit großer Wahrscheinlichkeit Glück gehabt. Wer dieses Krokant liest, ist statistisch gesehen eher weiblich als männlich (etwas mehr KjG-Mitglieder sind weiblich, und Jungs sind Bildungsverlierer), Christ und aus Deutschland (und damit mit geringerer Wahrscheinlichkeit auf der Hauptschule), hat ein ordentliches Elternhaus (Pfarrgemeinderat statt Sozialamt) und engagiert sich (Gruppenleiterkurs statt an der Tanke rumhängen). Kurz: Aus Dir wird mal was. (Sozialpädagoge oder Juristin statt Hartz IV.)

Alles kein Problem, zumindest (wahrscheinlich) für Dich. Auf der Strecke bleibt dabei aber die Gerechtigkeit. Das ist offensichtlich.

Weniger offensichlich ist, was Gerechtigkeit eigentlich bedeutet. Ungerecht ist nicht, dass es Dir besser geht als anderen. Wenn heute von Gerechtigkeit gesprochen ist, dann wird aber meistens so gedacht: Da werden Mindestlöhne und ein Recht auf Arbeit gefordert, höhere Steuern, um höhere Sozialleistungen finanzieren zu können. Das sieht gerecht aus: Politik machen, die von den Erfolgreichen umverteilt zu den weniger Erfolgreichen. Das hilft kurzfristig natürlich den weniger Erfolgreichen. Wenn sich aber sonst nichts ändert, außer dass umverteilt wird, dann werden immer die gleichen nicht aus eigener Kraft leben können.

Eine Sozialpolitik, die nur ans Umverteilen denkt, zementiert die Verhältnisse: Wer einen Job, die richtige Herkunft, das richtige Elternhaus hat, ist im System — wer nicht, fällt durch das Raster und landet im Sozialsystem. Das war’s dann mit Selbstverwirklichung. Keine Chance, selbst zu den Erfolgreichen zu gehören.

Der Gegenentwurf zu dieser Art »Gerechtigkeit« ist, nicht die Armut zu verwalten, sondern daran zu arbeiten, möglichst vielen Leuten ein Leben aus eigener Kraft zu ermöglichen. Das heißt einerseits, das Bildungssystem so zu gestalten, dass der schulische Erfolg von Motivation und Fähigkeiten und nicht von der Herkunft abhängt. Das heißt aber vor allem, die Menschen ernstzunehmen, ihnen ermöglichen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.

Wer dieses Krokant liest, kann das mit großer Wahrscheinlichkeit. Auch die männlichen Hauptschüler mit Migrationshintergrund und bildungsferner Herkunft könnten das. Alle anderen nur mit Almosen abzuspeisen, und seien sie auch noch so gut gemeint, nimmt diese anderen nicht ernst. Eine gerechte Gesellschaft traut auch den Schlechtergestellten viel zu. Auch wenn das auf den ersten Blick ungerecht aussieht.

Warum KjG?

Für unser Kinder-Krokant wurde die Frage gestellt, wie wir zur KjG kamen und warum wir geblieben sind. Mein Beitrag (Zielgruppe Kinder):

Als ich in der dritten Klasse war, stellten sich im Religionsunterricht zwei KjG-Gruppenleiterinnen vor. Ich fand das erstmal komisch, die anderen waren alle ziemlich begeistert. Am Ende der Stunde habe ich dann doch noch den Zettel mit den Terminen mitgenommen.

Und so kam ich in die Gruppenstunde. Zuerst bei diesen Gruppenleiterinnen, schließlich in Nadins Gruppe – eigentlich eine Mädchengruppenstunde. Mir gefiel’s trotzdem (oder deswegen). Klopapierralley, Filme drehen, Gruppenraum streichen, Wochenenden im Schwarzwald mit Müllsackrodeln: Langweilig wurde es da nie.

So wußte ich ziemlich früh: Ich will auch mal Gruppenleiter werden. Meine ersten Gruppenleiterinnen nervte ich damit noch regelmäßig (»Wann darf ich endlich auch in die Leiterrunde?«), bei Nadin war klar, daß sie bald zum Studieren wegziehen würde. Und weil Nadin damals die einzige Gruppenleiterin in meiner Heimatpfarrei war, mußten wir aus meiner Gruppenstunde bald ran. Unsere Gruppenstunde ging gemeinsam zum Gruppenleiterkurs, wir hatten unsere ersten Gruppen, unser erstes Lager.

Ganz spannend fand ich immer, daß es die KjG nicht nur bei uns gibt: Überall ist die KjG, und überall gibt’s ähnlich coole Leute wie meine Gruppenleiterin Nadin. So habe ich dann in vielen verschiedenen Ämtern Verantwortung für die KjG übernommen: Mir ist nämlich wichtig, daß auch andere Kinder in ihren Gruppenstunden so viel erleben können.

Wahlrecht ab Geburt

Auf der Frühjahrsdiözesankonferez der KjG Freiburg habe ich einen Workshop zum Thema »Wahlrecht ab Geburt« geleitet. Hier gibt’s einiges Material und Ergebnisse daraus.

Texte

Links

Ergänzung: Mittlerweile ist Wahlrecht ab Geburt auch Beschlußlage des KjG-Diözesanverbandes Köln; in deren Politblog wird das gerade kontrovers diskutiert.

Pater patriae Papaque

Heiliger Vater, Sie kommen in ein Land, in dem die christlichen Kirchen eine lebendige Rolle spielen und ich bin froh darüber.

Ich denke zum Beispiel an die katholischen und evangelischen Jugendverbände. Viele werfen ja Jugendlichen heute mangelndes Engagement oder Fixierung aufs eigene Ego vor. Damit können aber die vielen tausend ehrenamtlichen Jugendgruppenleiter nicht gemeint sein, die bei den Pfadfindern, bei der Katholischen Jungen Gemeinde, beim CVJM oder anderswo Verantwortung für Kinder oder gleichaltrige Jugendliche übernehmen. Viele junge Menschen erfahren dort, wie wertvoll es ist, sich für andere einzusetzen.

Gerade in der kirchlichen Jugendarbeit erfahren junge Menschen, wie wichtig gemeinsame Werte für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft sind und sie lernen viel über Verantwortung. Orientierung, nach der heute mit Recht gefragt wird, kann nur von Orientierten kommen. Ich habe den Eindruck, dass in der Jugendarbeit der Kirchen hier sehr viel Gutes, ja Unverzichtbares geschieht.

(Horst Köhler)

Die volle Wahrheit aus dem Krokant

Fürs Krokant mußten meine Antworten gekürzt werden, hier in voller Länge.

1. Welche Rolle spielt der Papst für mich und mein Leben? Warum?

Ich halte nichts von unreflektiertem Personenkult, ich hätte nicht »Giovanni Paolo« skandiert und »Benedikt vom Herrn geschickt« rufe ich auch nicht im Ernst. Und trotzdem ist mir der Papst wichtig. Er ist ein wichtiger Teil unserer Kirche: Er garantiert die Einheit in der Vielfalt. Er ist das Oberhaupt aller Katholiken, egal ob traditionell oder progressiv, Europäer oder Afrikanerin. Durch den Papst kann die Kirche mit einer Stimme sprechen, und damit verschafft sich die Kirche weltweit Gehör. Das Amt jedoch nur als Symbol und Aushängeschild, als schickes Etikett zu verstehen, greift aber zu kurz: Er ist eben nicht nur die mehr oder weniger beliebige Heftklammer, sondern auch ganz bewußt Ordner.

Ich mag nicht in jeder Frage mit unserem Papst übereinstimmen. Aber ich bin fest davon überzeugt, daß wir einen Papst brauchen. Der Papst ist der Nachfolger des Felses, auf dem die Kirche gebaut ist. Aber so fest und unbeweglich dieser Felsen auch aussieht; wir Christen wissen ganz genau, daß Felsen sich auch bewegen.

2. Was heißt für mich Kirche? Warum?

Früher habe ich beim Credo immer geschwiegen bei der Zeile »ich glaube an die katholische Kirche«: Was soll diese Arroganz im Credo? Mittlerweile ist mir diese Zeile besonders wichtig geworden: Gerade das Katholische macht unsere Kirche aus. Kat-holisch, das heißt allumfassend. Wir sind keine Sekte, kein elitärer Kreis gegen den Rest der Welt. Kirche, das sind wir in Europa, in Deutschland, in der KjG, in unserer Pfarrei, in unserer Gruppenstunde. Und Kirche ist überall, wo wir Christen zusammenkommen. Dafür steht die katholische Kirche: Sie führt ganz unterschiedliche Spiritualitäten, Hintergründe und politische Einstellungen zusammen.

Klar: das geht nicht immer ohne Spannungen. Allen recht machen kann man es nie, und was uns skandalös erscheint, ist anderswo normal und umgekehrt. Die Kirche ist aber für alle da und besteht aus all diesen verschiedenen Meinungen, die im Kern doch alle dasselbe Ziel haben: das Reich Gottes.

Und deshalb kann ich mittlerweile stolz sagen: Ich glaube an die katholische Kirche.

Spitzenbildung braucht Breitenbildung

Im aktuellen Krokant habe ich einen Artikel zum Thema Bildung geschrieben:

Während ich diesen Artikel schreibe, laufen in Stuttgart gerade die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und FDP. Für uns in der KjG ist besonders der Bildungsbereich interessant. Ergebnisse sind noch keine bekannt – man ahnt aber, wohin es gehen wird. Baden-Württemberg leistet Beeindruckendes: Vordere Plätze in Deutschland bei der PISAStudie, unter den zehn von der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgewählten möglichen Elite-Universitäten sind vier in Baden-Württemberg. Beide Regierungsparteien wollen weiterhin Eliten fördern.

Das ist der gute Teil. Über der Elitenförderung geraten aber andere Themen aus dem Blick: Welche »Eliten« werden eigentlich gefördert? Viele Studien haben gezeigt: Bildung wird in Deutschland quasi vererbt. Kinder von vergleichsweise reichen und gebildeten Eltern haben eine weit größere Chance auf Bildung und damit Teilhabe an der Gesellschaft. In Baden- Württemberg ist es besonders schlimm: nur in Bremen gibt es einen noch stärkeren Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildung; nirgendwo sonst hängt die Grundschulempfehlung so stark damit zusammen, ob ein Kind deutsche Eltern hat. Bildungsforscher sprechen von »Reproduktion«: Getrennte Bildungswege festigen die Abgrenzung zwischen verschiedenen Schichten: Die Arbeitertochter wird Arbeiterin, der Sohn der Professorin studiert. Der wichtigste Grund ist, daß schon nach der vierten Klasse sortiert wird: hier die zukünftigen Ärzte und Anwältinnen, dort die Fliesenlegerinnen und Friseure. Eine Gesamtschule ist keine Gleichmacherei, eine um wenige Jahre verlängerte gemeinsame Schulzeit erst recht nicht; Länder wie Finnland machen es vor. CDU und FDP wollen dennoch beide die dreigliedrige Schule beibehalten. Auch wenn immer wieder betont wird, daß damit jeder einzelne ideal nach seinen Fähigkeiten gefördert wird – es führt dazu, daß alle Bildungswege entwertet werden: Für Ausbildungen, bei denen früher ein Hauptschulabschluß genügte, wird heute ein Realschulabschluß verlangt, gleiches gilt für das Abitur. Die Hauptschule droht zur Restschule zu werden, an der sich nur die Verlierer des Systems sammeln.

Erste Ansätze wurden gemacht, um etwas zu ändern, etwa im Bereich der frühkindlichen Bildung – aber es gibt noch viel zu tun. Im Sport hat sich der Grundsatz »Spitzensport braucht Breitensport« durchgesetzt. Genauso muß es in der Bildung sein: Von einem Bildungssystem, das allen, egal welcher Herkunft, die gleichen Chancen anbietet, profitiert die ganze Gesellschaft. Baden-Württemberg kann es sich nicht leisten, auf Kinder von Migranten und Arbeitslosen an den Universitäten zu verzichten.

Daran muß sich die neue Landesregierung messen lassen: Nicht, wie viele Eliteunis es in Baden-Württemberg gibt, sondern welche Bildungschancen sie benachteiligten Kindern und Jugendlichen bietet.