Für die aktuelle Ausgabe der Salzkörner – Materialien für die Diskussion in Kirche und Gesellschaft habe ich einen Artikel zum Thema Netzneutralität geschrieben (der Titel ist nicht von mir). Der Zielgruppe geschuldet, deren fachlichen Schwerpunkte eher nicht im Bereich Netzpolitik liegen, ist er sehr grundsätzlich geworden. Die Schwerpunkte liegen wieder auf den Aspekten Ordnungspolitik und Teilhabegerechtigkeit – zwei Ansätze, mit denen man über die enge netzpolitisch ohnehin schon interessierte Klientel Gehör finden kann.
Schlagwort: Ordnungspolitik
Drumrum routen
Auf der Re:publica war ich bei der Session »Der digitale Dorfplatz: privat oder öffentlich?«, auf der recht schnell ein Regulierungsbedarf sozialer Netze Konsens war, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten. Bei Sascha Lobo war es die UNO, die einen Rechtsrahmen setzen soll, bei Martina Pickhardt eine Vergenossenschaftlichung Facebooks. Jedenfalls sei Facebook allein unter Regulierung der Betreiberfirma kein tragbarer Zustand. Auch recht schnell Konsens war, daß die Metapher vom digitalen Dorfplatz nur als Stabreim bestehen kann.
Was den Dorfplatz angeht, stimme ich zu – nur die Frage nach der Rolle privatwirtschaftlicher Akteure und deren Regulierungsbedarf finde ich so einfach nicht zu beantworten. Auf meine Frage hin, ob nicht in der Vergangenheit Öffentlichkeit auch schon unter privaten Regulierungsregime konstituiert wurde, und damit in dieser Hinsicht gar keine völlig neue Situation vorliege, wurde ich von Lobo recht knapp abgekanzelt, das sei überhaupt nicht zu vergleichen.
Meine Meinungsbildung ist noch nicht abgeschlossen, und daher hier ein paar teilweise unsortierte Gedanken zur Situationsbeschreibung – und auch der Versuch, ein paar unfertige Ideen zu einem möglichen ordnungspolitischen Rahmen.
Dafür braucht’s die FDP
Die Umfragen zeitigen Wirkung auf die FDP: Christian Lindner plant eine strategische Neuausrichtung und möchte soziale Akzente stärken.
Eine strategische Neuausrichtung halte ich auch für dringend nötig: Weg von der Klientelpolitik, hin zu einer liberalen Politik. Wenn »strategische Neuausrichtung« aber heißt, die Werkzeuge der anderen Parteien (weiterhin) verstärkt zu benutzen, kann das keine Zukunft haben. Das Ziel müßte eine FDP sein, die Milton Friedman hier glaubwürdig zustimmen könnte: »Ich bin nicht wirtschaftsfreundlich, ich bin für freie Marktwirtschaft, was etwas ganz anderes ist.«
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Dafür braucht’s die FDP nicht
Die Debatte um die Ausrichtung der FDP braucht es dringend. Für das, was die FDP zur Zeit abliefert, wird sie gerade zurecht abgestraft. Der Kern des Problems ist eine erratische Politik, an der sich kaum ablesen läßt, was eigentlich der Daseinszweck einer liberalen Partei ist.
Die Spitze des Eisbergs ist dabei die Bundespräsidentenfrage: Da gibt es einen Kandidaten, der mit liberaler Rhetorik zu begeistern weiß – und die FDP-Führung überläßt jegliche Entscheidung dem Koalitionspartner und unterstützt deren versicherungsvertreteresken Kandidaten. Schon an dieser Personalie kann man ablesen, daß die FDP ihre Zeit in der Opposition nicht genutzt hat, ihren CDU-Wurmfortsatzcharakter abzulegen zugunsten einer liberalen Akzentsetzung. Inhaltlich wird es noch fragwürdiger, gerade in der vorgeblichen Paradedisziplin Ordnungspolitik. Zwei Beispiele für viele: Das Steuersystem und das Sparpaket.
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Taxikartelle
Ein besonders drängendes Thema in Dachau scheinen zur Zeit Taxigebühren zu sein: »Debatte um höhere Gebühren: Taxifahrer fordern mehr Geld« Der ganze Artikel dreht sich im wesentlichen darum, wie feinziseliert das Taxi-Kartell aufgebaut ist, wie viele Entscheidungsinstanzen es gibt – die Dachauer Taxivereinigung, die Taxi-Genossenschaft München (und weitere Taxikartelle aus dem Umland), Landratsämter und ein Kreisverwaltungsreferat – und wie die Preisbildung in Kartellen funktioniert:
Die Antragsteller aus München, Freising und Erding wollen für eine normale Fahrt in der Stadt durchschnittlich zwölf Prozent mehr, fordern für Fahrten vom und zum Flughafen jedoch ein Plus von 16 Prozent. Zusätzlich sind Gebühren für Gruppen von mehr als vier Personen (bisher erst beim sechsten Passagier) sowie für die Zahlung mit EC- und Kreditkarte vorgesehen.
Brachos hält Erhöhungen von mehr als 15 Prozent für unrealistisch […]. Außerdem würde ein solcher Vorschlag an der Zustimmung der Behörden scheitern. Auch die Genossenschaft Taxi München kritisierte die Forderungen ihrer Kollegen als überzogen: Sie will sich lieber an der Inflationsrate von sieben bis zehn Prozent seit der letzten Tariferhöhung orientieren.
Der ganze Artikel, die ganze Aufregung wäre völlig unnötig, würde man hier einfach nur Ordnungspolitik betreiben: Für einen funktionierenden Taximarkt braucht es höchstens einen Personenbeförderungsführerschein, eine TÜV-Plakette für Autos, mit denen man Personen befördern kann, und geeichte Taxameter. So hat man nur groteske Bürokratie und groteske Markteintrittshürden. (Zum Thema öffentlicher Verkehr gab’s vor zwei Jahren eine sehr interessante Folge EconTalk: Mike Munger on the Political Economy of Public Transportation.)
Ach, FDP …
Guido Westerwelle hat mir eine Postkarte geschickt. Danke, Guido, wäre nicht nötig gewesen, ich wähle euch ohnehin. (Gründe dafür findet man bei Jan Filter im Blog.) Aber wieder habe ich mir gedacht: Ach, FDP, so doch nicht!
Warum muß die FDP schon optisch wie aus den tiefsten 80ern auftreten? Wen will man denn mit dem Mantra »Arbeit muß sich wieder lohnen« hinter dem Ofen herholen? Überhaupt, die Außenwirkung. Der lieblose Auftritt meines Kreisverbandes (»mein« ist hier ein exklusives wir – ich bin in keiner Partei Mitglied) spricht für sich. Warum wirkt das alles so bräsig? Wo ist denn da die Begeisterung für die Freiheit? 15 % hält man nicht mit schwäbischen Honoratioren allein.
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Netzneutralität aus ordnungspolitischer Sicht
Die Debatte um Netzneutralität, also die unterschiedslose, ungefilterte Weiterleitung des Netzverkehrs durch die Provider, konzentriert sich auf technische und normative Fragen.
Die technischen Aspekte interessieren mich weniger: Deep Packet Inspection funktioniert, entsprechende Infrastrukturen sind aufgebaut und von den Providern und Lobbyisten gewollt.
Die normativen Aspekte greifen oft reichlich kurz und beschränken sich darauf, einerseits den Nutzen für die Kunden zu betonen oder andererseits die Notwendigkeit eines ungefilterten Internetzugangs zu betonen. Die Befürworter von Netzneutralität betonen die Notwendigkeit staatlicher Regulierung, die Gegner wollen filterndes Routing erlauben. Die erste Position geht von einer verbreiteten, aber zu wenig hinterfragten Grundlage aus: Daß der Staat hier eine legitime Regelungskompetenz hat. Nicht diskutiert wird, mit welcher Legitimation, auf welcher Ermächtigungsgrundlage der Staat so etwas regeln kann. Hinterfragt man das nicht, muß als unausgesprochene Annahme stehen, daß der Staat grundsätzlich umfassende Regelungskompetenz hat. Das ist aus einer ordnungspolitischen Sicht nicht tragbar, in der dem Staat klare Grenzen für Eingriffe in die freien Vertragsverhandlungen der Bürger gesetzt sind.
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