Staat, Kirchen, Rechtsform?

In Baden-Württemberg sollen die Zeugen Jehovas nach Willen der Landesregierung nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Privilegien einer offiziell anerkannten und verfaßten Religionsgemeinschaft bekommen. Daß sie damit nicht steuerlich bessergestellt werden, daß sie keine Rundfunk-Sendezeit eingeräumt bekommen, daß sie nicht in Rundfunkräte kommen, ist mir durchaus sympathisch – Sympathie ist aber im Verhältnis zum Staat keine gute Richtschnur.

Die Begründung der Landesregierung jedenfalls zeigt, daß das Konstrukt KdÖR im Staatskirchenrecht (und die damit verbundenen Privilegien) als Organisationsform grundsätzlich problematisch ist.
Staat, Kirchen, Rechtsform? weiterlesen

Die Freiheit der Sexistin

Meinen Vortrag zum Thema Bloggen und Gender habe ich im Rahmen einer Veranstaltung der spanischen EU-Ratspräsidentschaft gehalten. Wenn ich richtig aufgepaßt habe, war ich der einzige (nach den salbungsvollen Einführungsworten), der auch nur das Wort »freedom of speech« in den Mund genommen hat bei dieser EU-Tagung. Aus meiner handvoll Tweets kann man mein Fazit zusammenbasteln:

Mit dieser EU werde ich nicht warm: Die reden hier die ganze Zeit ueber Strafen und Regulierung und staatliche inhaltliche Kontrolle. (15.27 Uhr) Anscheinend sagt genau niemand etwas zum Thema Meinungs- und Pressefreiheit, von Selbstregulierung haelt auch niemand was. Creepy.(15.29 Uhr) Hier trifft frommer Regulierungsglaube auf Freiheitsrechte. (11.27 Uhr)

So wenig überraschend das für mich ist (über die EU-Regulierungsfrömmigkeit habe ich ja schon mal in Sachen Maultasche geschrieben), so schade finde ich das: Soll Geschlechtergerechtigkeit tatsächlich nur mit obrigkeitsstaatlichen Methoden erreicht werden, durch Umerziehung, Sanktion und Zwang? Wo sind die liberalen Ansätze?
Die Freiheit der Sexistin weiterlesen

Befriedung durch Neutralität?

Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, daß einem muslimischen Schüler das Beten in der Schule nicht gestattet werden darf, um die Neutralität der Schule zu gewährleisten, stellt einen staatlichen Übergriff dar: Nicht einfach nur in die Religionsfreiheit. Das Problem liegt tiefer: An die Stelle eines Staatsverständnisses, das Freiheiten auch im Konfliktfall zu sichern und zu ertragen weiß, der Staat dabei aber neutral ist, tritt ein Staatsverständnis, in dem der Staat seine Bürger zur Neutralität zwingt.
Befriedung durch Neutralität? weiterlesen

Wikipedias Vulvagate

Am Sonntag war der Artikel Vulva Artikel des Tages bei der Wikipedia – illustriert mit einem Foto des Sujets. Die Aufwallung, die das erzeugt hat, ist beachtlich. Die Diskussionsseite hat es ausgedruckt auf über hundert Seiten gebracht.

Bemerkenswert sind für mich zwei Aspekte: Die Emotion, die die naturalistische Darstellung einer Vulva immer noch hervorruft. Und die Auswirkungen auf das Neutralitäts-Postulat der Wikipedia.

Wikipedias Vulvagate weiterlesen

Relevanz ist irrelevant

MOGiS, der Verein von Mißbrauchsopfern gegen Internetsperren, bekommt keinen Wikipediaeintrag wegen angeblicher Irrelevanz. Das ist im Fall MOGiS reichlich bizarr, zeigt aber deutlich, wie es in der deutschen Wikipedia zugeht: Es gibt ein strenges Löschregime mit hochgradig kasuistischen und detaillierten Relevanzkriterien, die von Wikipedia-Benutzern mit besonderen Rechten exekutiert werden.

Das Löschen vorgeblich irrelevanter Artikel wird als Beitrag zur Qualitätssicherung verstanden. Mehr Information soll weniger Qualität bedeuten. Das glaube ich nicht: Relevanz ist irrelevant.
Relevanz ist irrelevant weiterlesen