So geht das Internet kaputt

Zensursula-Filtertüte
Auch nach Jahren immer noch so: Filtern ist keine Lösung. (Zensursula-Filter von Karsten Suehring, CC by-sa 2.0)

Es klingt verlockend: Filter ein, und die Jugend ist geschützt. Einfach, sauber und effektiv. Allein: Entweder es funktioniert zu schlecht (dann kann man den Filter auch gleich weglassen) oder es funktioniert zu umfassend – was dabei dann entsteht, hat mit Internet nicht mehr viel zu tun.

Ein Debattenbeitrag für die Verbandszeitschrift der KjG, moxie. Zum Pro-Filter-Beitrag von Birgit Braml von der Kommission für Jugendmedienschutz der Landesmedienanstalten.
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Versuch über Materie und Leiblichkeit

Zeichnung von Descartes
Descartes entwirft einen holographischen Arzt.
Descartes diagram” by René Descartes(?) – Scanned from Dagfinn Døhl Dybvig & Magne Dybvig (2003). Det tenkende mennesket. Oslo: Tapir akademisk forlag. ISBN 8251918642. Page 173. Which had it from Descartes: The World and Other Writings. Cambridge U.P. 1998.. Licensed under Public Domain via Wikimedia Commons.

Star Trek hat – im Rahmen der Erfordernisse des Plots – eine post-scarcity economy: Grundsätzlich gibt es dank Warp-Antrieb und Replikator weder Energie- noch Materie-Knappheit (außer wenn man die Ferengi als sekundärantisemitische Karikaturen aufbauen, Bajoraner in die Minen schicken oder Handelsverhandlungen führen will).

Weniger futuristisch dagegen: Die Materialität von Information. Wenn Voyager Briefe aus der Heimat empfängt, verteilt Neelix die Briefe einzeln per Padd an die Crew, und besonders frappierend: Es gibt ein virtuelles, missionskritisches Crewmitglied, den holographischen Arzt, und niemand macht eine Sicherungskopie, selbst wenn man ihn über dubiose Relays kurzzeitig in den Alphaquadranten schickt.

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Ba©h ist Bach: Das offene Wohltemperierte Klavier ist erschienen

Cover: Kimiko Ishizaka: Open Welltempered Clavier
Nicht nur im Netz, auch klassisch auf Trägermaterial zu erhalten.

Kimiko Ishizakas freie Aufnahme des ersten Buchs des Wohltemperierten Klaviers ist erschienen – und sie ist großartig geworden. Vor anderthalb Jahren habe ich zum crowdfunden aufgefordert, jetzt ist alles da: die freien Aufnahmen unter einer CC0-Lizenz, vom Urheberrecht befreite digitalisierte Notenblätter, die damit auch einen wichtigen Schritt in Richtung Barrierefreiheit machen.
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Mehr Rechte als die Wand

Kruzifix an einer Wand
Foto: Kolumba Crucifix von 010lab, CC BY-NC-ND 2.0.

Der Göttinger Staatsrechtler Hans Michael Heinig nennt es »widersprüchlich, wenn das Kreuz auf Wunsch von Schülern und Eltern zu weichen hat, aber das Kopftuch nicht«. Für solche grundrechtsblinden, dafür interessegeleiteten Positionen, zumal von Jurist_innen, habe ich kein Verständnis – wie kann ein Staatsrechtler, zumal einer, dem qua Profession und Konfession (er ist Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD) Religionsfreiheit wichtig sein sollte, so etwas vertreten?

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Mehr Beiträge zum »Geistigen Eigentum«

Titelseite von Fichtes Essay
Idealistisch über’s Urheberrecht reden: Johann Gottlieb Fichte: Beweis der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks. In: Berliner Monatsschrift. 21, 1793, S. 443–483

Wir stehen auf den Schultern von Giganten, und so ist es keine Überraschung, daß mein gestriges Plädoyer, den Begriff »geistiges Eigentum« fruchtbar zu machen, kein neuer Gedanke ist. Nochmal formuliert habe ich das, weil ich mich gerade in verschiedenen Kontexten bewege (die Journalistenverbände DJV und GKP, im Umfeld der publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz), die relevante Player für eine Reform des Urheberrechts sind oder sein könnten, bei denen aber mit technolibertären Urheberrechtsabschaffereien kein Blumentopf zu gewinnen ist. Ich beschäftige mich also mit Strategien, wie überhaupt in einer verfahrenen Diskussion wieder miteinander geredet werden kann.

Dankenswerterweise haben mich in den Kommentaren und auf Twitter David Pachali, Thomas Stadler und Wolfgang Michal auf Texte hingewiesen, die meine Position noch einmal gut illustrieren und deutlich mehr Tiefe beigeben.
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Den Kampfbegriff »Geistiges Eigentum« fruchtbar machen

„St-thomas-aquinas“ von Carlo Crivelli (etwa 1435–etwa 1495) - http://www.nationalgallery.org.uk/paintings/carlo-crivelli-saint-thomas-aquinas. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.
St-thomas-aquinas“ von Carlo Crivelli (etwa 1435–etwa 1495) – http://www.nationalgallery.org.uk/paintings/carlo-crivelli-saint-thomas-aquinas. Lizenziert unter Gemeinfrei über Wikimedia Commons.

Wer »Geistiges Eigentum« sagt, hat sich in netzpolitischen Kreisen fast schon disqualifiziert. Dumm nur, daß wer nicht »geistiges Eigentum« sagt, sich unmöglich macht auf der anderen Seite des Grabens der Diskussion um die Zukunft des Urheberrechts.

Ich glaube: dieser Kampfbegriff läßt sich fruchtbar machen für eine urheberrechtspolitische Diskussion, die dringend von beiden Seiten zustimmungsfähige Beiträge benötigt.
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Netzpolitik. Herausforderungen und Baustellen für Jugendverbände

Für die Zeitschrift Jugendpolitik des Deutschen Bundesjugendrings habe ich einen Artikel zu netzpolitische Handlungsoptionen für Jugendverbände geschrieben, die in der Ausgabe zum Thema »Digitale Agenda« erschienen ist. Der Artikel basiert auf einem Workshop für den BDKJ Bayern, zu dem die Folien auch online sind.
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Hölderlins Roboterrobbe

Roboterrobbe Paro
Paro robot“ von Aaron Biggs, Flickr user ehjaybhttp://www.flickr.com/photos/ehjayb/21826369/. Lizenziert unter CC BY-SA 2.0 über Wikimedia Commons.

In der aktuellen Ausgabe des fiph-Journals ist ein lesenswertes Pro und Contra zur Frage des Einsatzes von Robotern in der Pflege: “Eine Therapie-Robbe für demenzkranke Menschen?”. Das Pro argumentiert vorsichtig mit dem Werkzeugcharakter der Robbe: Sie scheint zu helfen, Demenzkranke zu berühren und zu erreichen.
Das Contra schreibt der Hannoveraner Philosoph Jürgen Manemann. Er konzediert auch die positiven Effekte, deutet die Robbe dann aber als Verfallserscheinung einer fühllosen Gesellschaft, nicht »neue Form von Kommunikation«, sondern »Verlust von Kommunikation«, und er schließt: »Trost spenden können nur Menschen, Tiere und die übrige Natur.«
Ich finde es traurig, wie hier ein kulturpessimistischer Überbau und digitaler Dualismus (oder besser: »natürlicher« Dualismus oder, weniger sachlich: idealistischer Eigentlichkeitsfimmel) konkrete Pflege und Zuwendung entwerten.
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Abbé Franz Stock – „Weder Franzosen noch Deutsche“

Heute vor 70 Jahren landeten die allierten Truppen in der Normandie: Ein entscheidender Schritt zur Befreiung Europas und Deutschlands. Am 6. Juni 1944 ist der deutsche Priester Franz Stock fast auf den Tag genau seit drei Jahren Standortpfarrer in Paris. Er betreut die französischen Kriegsgefangenen. In seinem Tagebuch notiert er die Hinrichtungen der Widerstandskämpfer, die er als Seelsorger begleitet. Über 2000 davon musste er ansehen, sagt er kurz vor seinem Tod.

Portrait von Abbé Franz Stock
Foto: Franz-Stock-Komitee für Deutschland e.V., 59755 Arnsberg (Gemeinfrei via Wikimedia)

Stock, ein Deutscher, hat sich nicht gemein gemacht mit den Verbrechern, er war ganz für die zum Tode verurteilten Kämpfer der Résistance da. Gefangene besuchen, Tote bestatten: Werke der Barmherzigkeit inmitten des zynischen Unrechts, in dem die Erschießungen unter dem Codenamen “Sportfest” angekündigt wurden. Einer der Insassen war der Jesuitenpater Michael Riquet. Er sprach die Grabrede Stocks, der 1948 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft starb: “Er war mit brüderlicher Liebe bei den Verurteilten bis zum Hinrichtungspfahl. Das ist die Paradoxie, dass ein deutscher Priester sich mitten im Kriege zum Dienst und Freund derer machte, die seine Regierung als die ärgsten Feinde betrachtete.”

Während Stock Gefängnispfarrer ist, schreibt der Philosoph Theodor W. Adorno im amerikanischen Exil die “Minima Moralia”. “Reflexionen aus dem beschädigten Leben” ist der Untertitel, und einer der berühmtesten Aphorismen daraus ist das vielzitierte “Es gibt kein richtiges Leben im falschen.”

Franz Stock zeigte mit seinem Leben, und die Zeugnisse der Menschen die ihn kannten, beglaubigen es, dass es ein richtiges Leben gibt im falschen: Ein Leben mit der Liebe Christi.

Heute, am 70. Jahrestag der Landung in der Normandie, sollten wir an Franz Stock denken, der die Liebe Christi zu seiner machte und sich mit all seiner Kraft für die Völkerverständigung einsetzte.

Mit Franz Stock sollten wir Christen uns gegen den Nationalismus und die Fremdenfeindlichkeit wenden, die in Europa wieder erstarken: Gegen die Ablehnung von Roma, von Flüchtlingen, die übers Mittelmeer kommen, von Muslimen und Juden. In der Kathedrale von Bayeux, keine zehn Kilometer vom Strand entfernt, an dem die Allierten landeten, hängt das ganze Jahr über ein Zitat von Stock: “In den Augen Gottes gibt es weder Engländer, noch Franzosen, noch Deutsche, es gibt nur Christen oder ganz einfach Menschen.” Das ist Franz Stocks Vermächtnis für ein Europa, das sich christliche Werte auf die Fahnen schreiben will.

(Der Text erschien zuerst in der Rubrik Standpunkt bei katholisch.de)

»Ohne mich!« – Redebeiträge zur Dialog-Diözesanversammlung


Heute findet in Karlsruhe die zweite Runde der Diözesanversammlung statt, das Freiburger Dialog-Format. Über 41 Empfehlungen, die aus der Themensammlung des vorigen Jahres entstanden sind, wird abgestimmt, bei für wichtig erachteten Themen gibt es die Möglichkeit, sich für 90 Sekunden zu Wort zu melden, dann wird ohne Änderungsmöglichkeit abgestimmt. Die Wortmeldungen mußten vorher eingereicht werden, ich wurde bei Empfehlung 25 im Themenbereich »Dialog Kirche – Kulturen der Gegenwart« gezogen. Meine geplante Vorrednerin hat zurückgezogen, ihr war das Konzept zu eng, die »Beteiligung« zu aufgesetzt. Daher habe ich mich in meinem Redebeitrag darauf bezogen – und meinen ursprünglichen nicht gehalten.
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