Einige Semester habe ich mich in der Hochschulpolitik engagiert; bewußt immer nur als Mitglied der u-Fachschaft Philosophie, nie auf höherer Ebene: Mein Grundsatz ist, keine Ämter mit imperativem Mandat anzunehmen, und darauf baut das Freiburger alternative Hochschulpolitikmodell, das u-Modell, auf. Ein Kritikpapier, das dieser Tage im u-asta diskutiert wird, bestätigt mich darin.
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Schlagwort: Demokratietheorie
Jugendschutz, Familie und Paternalismus
Kann man seinen Willen nicht direkt anderen aufzwingen, weil die Einmischung in anderer Leute Angelegenheiten gar zu unverfroren wirkt, gibt es ein Patentrezept: Die Familie und ihr Schutz. Ein besonders apartes Beispiel gab es vor 30 Jahren im Spiegel zu bewundern anläßlich der Diskussion um die Genehmigung von Privatfernsehen:
Justizminister Vogel hat eine mögliche Verfassungsänderung schon vorbedacht. Seiner Ansicht nach ist die nach Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Informationsfreiheit “eingeschränkt” durch den Artikel 6, der die Familie schützt. Vogel: “Wir können doch nicht zulassen, daß durch Informationsüberflutung die Privatheit der Familie zerstört wird.” (Der Spiegel 40/1979 vom 1. 10. 1979, Seite 21, via Holgi)
Diese Argumentation ist freilich besonders perfide: Um die Privatheit der Familie zu schützen, mischt man sich in ihre Angelegenheit ein.
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Wahlgeheimniskrämerei
Die Bundestagswahl findet auch bei Twitter statt. Leute fotografieren ihren Wahlzettel (ausgefüllt, noch nicht ausgefüllt in der Wahlkabine), und natürlich kommt die Frage nach dem Wahlgeheimnis auf. Viele behaupten, daß mit den veröffentlichten Stimmen das Wahlgeheimnis abgeschafft werde. Das stimmt natürlich nicht. Problematisch sind die Wahlkabinenfotos trotzdem.
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Schäuble in schlechter Verfassung
Weil die SPD nicht den Koalitionsvertrag brechen wollte, hat sie sich dem Grünen-Antrag auf eine Wahlrechtsreform, die die Problematik des negativen Stimmgewichts beheben sollte, noch vor der Bundestagswahl nicht zugestimmt. Nachdem Angela Merkel auch ohne Stimmenmehrheit bei Mandatsmehrheit Schwarz-Gelb will, dämmert der SPD, was das bedeutet: Eine illegitime Mehrheit sei das. Schlechte Verlierer im voraus seien das, meint Schäuble in der Leipziger Volkszeitung, und obendrein sei »die Demokratie gefährdet«, wenn man die Legitimität der Bundestagswahl anzweifle. Schäuble irrt.
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Sorgerecht: Eltern vs. Staat
Laura Dekker, 13, will allein den Atlantik überqueren. Ihre Eltern wollen ihr das erlauben, der niederländische Staat in Gestalt u.a. des Utrechter Familiengerichts nicht. Dekkers Eltern wurde partiell das Sorgerecht entzogen, sie wird zwei Monate amtspsychologisch beobachtet, ob sie reif genug für ihr Vorhaben ist.
Heribert Prantl kommentiert das in der Süddeutschen: »Kinder brauchen Abenteuer«, aber bitte nicht dieses, das die Eltern vernünftigerweise zu verbieten hätten, im übrigen sorgt sich der Staat nur um das Kindeswohl – durchaus nachvollziehbar.
Prantl betont, daß er den Staat nicht an die Stelle der Eltern setzen will und plädiert für staatliche Eingriffe ins Sorgerecht mit Augenmaß und nur im äußersten Fall. Ein Satz paßt da aber nicht recht dazu:
Das Elternrecht, wie es in den Verfassungen fast aller Staaten garantiert wird, beruht auf dem Grundsatz, dass in aller Regel den Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution.
Netzneutralität aus ordnungspolitischer Sicht
Die Debatte um Netzneutralität, also die unterschiedslose, ungefilterte Weiterleitung des Netzverkehrs durch die Provider, konzentriert sich auf technische und normative Fragen.
Die technischen Aspekte interessieren mich weniger: Deep Packet Inspection funktioniert, entsprechende Infrastrukturen sind aufgebaut und von den Providern und Lobbyisten gewollt.
Die normativen Aspekte greifen oft reichlich kurz und beschränken sich darauf, einerseits den Nutzen für die Kunden zu betonen oder andererseits die Notwendigkeit eines ungefilterten Internetzugangs zu betonen. Die Befürworter von Netzneutralität betonen die Notwendigkeit staatlicher Regulierung, die Gegner wollen filterndes Routing erlauben. Die erste Position geht von einer verbreiteten, aber zu wenig hinterfragten Grundlage aus: Daß der Staat hier eine legitime Regelungskompetenz hat. Nicht diskutiert wird, mit welcher Legitimation, auf welcher Ermächtigungsgrundlage der Staat so etwas regeln kann. Hinterfragt man das nicht, muß als unausgesprochene Annahme stehen, daß der Staat grundsätzlich umfassende Regelungskompetenz hat. Das ist aus einer ordnungspolitischen Sicht nicht tragbar, in der dem Staat klare Grenzen für Eingriffe in die freien Vertragsverhandlungen der Bürger gesetzt sind.
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Für’s Protokoll
Der Bundestag hat vor kurzem seine Geschäftsordnung in § 78 geändert: Reden dürfen nun auch offiziell zu Protokoll gegeben werden, ohne tatsächlich gehalten zu werden. Außer eines Kommentars in der Süddeutschen von Heribert Prantl habe ich kein großes Medienecho wahrgenommen.
Nun gibt es eine ePetition dagegen, die in ihrer Argumentation deutlich den Prantl-Artikel nachzeichnet: Der Grundsatz der Öffentlichkeit werde verletzt, es finde keine echte Debatte statt, im Laufe derer sich die Abgeordneten ihre Meinung bilden könnten. Durch ein Endorsement durch fefe hat die Petition einige Reaktionen hervorgerufen. Teilweise unkommentierte Empfehlungen, teilweise auch kommentiert. Gegenstimmen habe ich noch keine wahrgenommen.
Ich zeichne diese Petition nicht mit. Ihre Absicht, nämlich ein transparentes Verfahren, um eine Kontrolle durch den Bürger zu ermöglichen, sehr wohl. Meine Probleme mit der Petition:
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Wahlrecht ab Geburt
Auf der Frühjahrsdiözesankonferez der KjG Freiburg habe ich einen Workshop zum Thema »Wahlrecht ab Geburt« geleitet. Hier gibt’s einiges Material und Ergebnisse daraus.
Texte
- Präsentation Kinderwahlrecht, dazu die Tischvorlage
- Ergebnisse der Schreibdiskussion
- »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus« – Der Wahlgrundsatz der Allgemeinheit und das Kinderwahlrecht Ausformulierter Artikel zu den demokratietheoretischen Grundlagen des Kinderwahlrechts.
- Wahlrecht ab Geburt?! – Artikel aus dem Wahlpaket, der Arbeitshilfe der KjG Freiburg zur Landtagswahl 2006 in Baden-Württemberg.
Links
- Wahlrecht von Geburt an (PDF) – Beschluß des KjG-Bundesausschusses
- Wahlrecht für Kinder – eine Streitschrift (Ausschnitte und Inhaltsübersicht)
- Wahlrecht bei den KinderRÄchTsZÄnkern
Ergänzung: Mittlerweile ist Wahlrecht ab Geburt auch Beschlußlage des KjG-Diözesanverbandes Köln; in deren Politblog wird das gerade kontrovers diskutiert.