Gleichgeschaltet im Miniwunderland

Das Miniaturwunderland in Hamburg hat eine wunderbare kleine Sonderausstellung: Utopia 2009 – Parteivisionen im Modell. Die in Fraktionsstärke im Bundestag vertretenen Parteien durften jeweils einen Quadratmeter nach ihren Vorstellungen gestalten lassen. Die Idee ist pfiffig, die Umsetzung nicht immer.

SPD, Grüne, CSU und FDP könnten ihre Modelle wunderbar zusammenstellen. Alle finden Mittelstand, Pluralismus, Kinder, Kultur, Behinderte und Arbeitsplätze gut. Entsprechend dröge sind dann auch die Vorstellungen durch Spitzenpolitiker der jeweiligen Parteien, teilweise unfreiwillig komisch. Die SPD, die ihr Modell länglich in über sieben Minuten beschreibt, fällt am Anfang damit auf, daß sie vom »Sonnendeck im Wunderland« redet – das könnte auch aus einer Rede Westerwelles stammen über Steinmeiers Chancen aufs Kanzleramt. Der »Karneval der Kulturen« der SPD kann ohne zu fremdeln wunderbar im ökopluralistischen und lodenromantischen Trachtenumzugsberlin der CSU tanzen.
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Netter Versuch, CDU Freiburg

Daniel Sander, Direktkandidat der CDU im WK Freiburg, hat bisher eher eine Mitleidskampagne gefahren: Die anderen Kinder dürfen auch in den Bundestag, bitte bitte wählt mich!

Die Grünen wollen diesmal auch ein Direktmandat, Kerstin Andreae will auch Stimmen aus dem konservativen Lager. Jetzt kommt der Gegenschlag via Amtsblatt: Netter Versuch, CDU Freiburg weiterlesen

Diskursverweigerung und Dummheitsvermutung

Politikverdrossenheit wundert mich überhaupt nicht. Wer sollte auch Politik noch ernstnehmen? Die Volksparteien, die wie das Kaninchen vor der Schlange ihrem eigenen Bedeutungsverlust zusehen, haben eine ernsthafte politische Auseinandersetzung anscheinend aufgegeben. Die CDU macht Präsidialwahlkampf und FUD-Populismus, die SPD dagegen haut dem politischen Gegner als Inhaltsersatz mit der Schippe auf den Kopf:
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Grüne Direktmandate in Baden-Württemberg

Die Volksparteien schrumpfen, und die große Koalition trägt auch nicht gerade zur Begeisterung bei. Das wäre eigentlich eine gute Gelegenheit, Direktmandate mal nicht nur an SPD und CDU zu verteilen.

Abgesehen von der Linken kommen wohl nur die Grünen in Frage. (Sowieso meine Prognose: In zwanzig Jahren sind die Grünen verläßlich gleichauf mit CDU und SPD. Wenn sich die beiden nicht notvereinigen müssen und die Linke die neue SPD wird.) In den Medien sind zur Zeit einige Interessierte: Krista Sager in Hamburg, Johannes Lichdi in Dresden, in Berlin düfte Ströbele weiterhin gesetzt sein, zwei weitere rechnen sich auch gute Chancen aus. (Die Auswirkungen für die Zusammensetzung der Grünen-Fraktion hat Till Westermayer schon ausgerechnet.)

Baden-Württemberg, Realo-Hochburg, hat auch einige potentielle grüne Direktkandidaten zu bieten. Freiburg, Stuttgart, Tübingen und Heidelberg scheinen zumindest möglich. Ich habe mir die Zahlen angesehen und bewertet: Grüne Direktmandate in Baden-Württemberg weiterlesen

Wahlprogramm? Nein danke.

Wir werden als Koalition an dem gemessen, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist. Das ist unfair. (Franz Müntefering)

Zu jeder Wahl bestelle ich mir die Wahlprogramme der im Bundestag vertretenen Parteien. Per Post. Nicht, weil mich deren Inhalt interessieren würde. Mich interessiert, wer wie schnell verschickt und wie’s aussieht. 2005 hatte die FDP in Sachen Geschwindigkeit die Nase vorn, dieses Jahr auch. Wesentlicher Unterschied: die SPD war diesmal reichlich hinten.
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Piraten: Metapartei statt Einthemenpartei?

Die Piratenpartei will sich nicht ins klassische Links-Rechts-Schema einsortieren. Gut so. Das Programm der Piraten beschränkt sich daher weitgehend auf Politikfelder, die sich im Bereich Freiheitsrechte und Urheberrecht bewegen, allein Bildung wird als weiteres klassisches Politikfeld behandelt. Ein gängiger Vorwurf ist so zwangsläufig, eine Einthemenpartei ohne Vollprogramm zu sein. Die Präambel des Parteiprogramms dazu:

Die Piratenpartei will sich auf die im Programm genannten Themen konzentrieren, da wir nur so die Möglichkeit sehen, diese wichtigen Forderungen in Zukunft durchzusetzen.

Dennoch: Wie man an der Bildung sieht, können weitere Themen jederzeit aufgnenommen werden. Im Piratenwiki herrscht eine rege Diskussion dazu. Wenn man ein wenig die Vorschläge durchblättert, sieht man, wie sinnvoll die Beschränkung ist: Da gibt es sehr liberale Positionen (Abschaffung der Landwirtschaftspolitik, Legalisierung aller Drogen), paternalistische (Rauchverbot), linke (Kostenloser öffentlicher Nahverkehr) und so weiter. Jeder Vorschlag wird kontrovers diskutiert – die Piratenpartei ist in ihrem Wiki eine sehr plurale Partei (wenn mir auch bei vielem ein linksliberaler Generalbaß durchzuklingen scheint). Wirtschaftliche Konzepte sind von bieder-liberal bis hin zu grenzgenialer Do-it-your-self-Welterklärung.
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Brief an Gernot Erler wg. #zensursula

An meinen SPD-Wahlkreisabgeordneten Gernot Erler habe ich einen Brief wg. #zensursula geschrieben:

Sehr geehrter Herr Erler,

mit großer Besorgnis sehe ich, daß die SPD sich von der Union in Sachen Einrichtung einer Internet-Filter-Infrastruktur so vorführen läßt. Als meinen Wahlkreisabgebordneten frage ich Sie:
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Projekt Zukunft

Wo soll ich mich hinwenden in dieser schlechten Zeit? Antworten sollten doch zumindest die Wahlprogramme geben. Also: Mail an die fünf großen. Erster Punktsieg FDP: am nächsten Tag eine Bestätigungsmail. Die anderen antworten nicht per Mail, schicken aber nach und nach ihre Programme. Zuerst SPD und FDP, als letztes die CDU.

Gleich am Anfang spannend: die SPD macht betont auf sachlich mit Zeitungspapier und dem vielbeschworenen Umbra, was alles aber sehr gewollt sachlich aussieht. Noch ein Punkt für die FDP: Statt Zeitung oder Hochglanzbroschüren (wie alle anderen) bekomme ich einen Stapel kopiertes und links oben geheftetes Papier. Meine Wahlentscheidung wächst.

Wahlverwandtschaften

Überhaupt ist es doch traurig, wie wenig in der Welt gedacht wird. Man verändert die Regierungsform, alles, alles – und das einzige, was man keinem Zweifel unterwirft, das einzig Feste ist der Glaube an die Art Entscheidung, die durch Ballotage bestimmt ist.

Søren Kierkegaard, X-4 A 65

Heute berät der Bundestag über den Antrag Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an. Das klingt erstmal nett und brand(t)neu, ist aber leider alles andere als begrüßenswert. Heißt es im Antrag noch pathetisch Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Wahlrechts ab Geburt durch Änderung des Artikel 38 des Grundgesetzes und erforderlicher weiterer gesetzlicher Änderungen vorzulegen, nur leider kommt das Stellvertreterwahlrecht gleich danach durch die Vordertür: Dabei ist ein Wahlrecht ab Geburt dergestalt vorzusehen, dass die Kinder zwar Inhaber des Wahlrechtes werden, dieses aber treuhänderisch von den Eltern bzw. Sorgeberechtigten als den gesetzlichen Vertretern ausgeübt wird.

Fazit: Etikettenschwindel. Diese Lösung ist nämlich gerade kein Mehr an Demokratie, sondern vielmehr Wahltaktik. Ich behaupte: Vom Stellvertreterwahlrecht profitieren Volksparteien und hier besonders Konservative, von wählenden Kindern und Jugendlichen alternative und fortschrittliche Parteien. Mit Stellvertreterwahlrecht wird nämlich das Stimmgewicht der Wähler über 25 erhöht, während das Menschen unter 25 gleich bleibt. Menschen, die in alternativen Lebensformen wohnen (ich denke an Homosexuelle)werden mit dieser Regelung politisch noch mehr marginalisiert. (Obwohl: Adoption zum Stimmenkauf wäre eine interessante Sache.)

Interessant dürfte die statistische Verteilung sein: Es profitieren nämlich nur Eltern mit minderjährigen Kindern, also Menschen zwischen ganz grob 25 und 60 mit einem Hochplateau irgendwo in der Mitte. Das ist in einer überalterten Gesellschaft besonders fatal, da die besonders Alten schon jetzt im Bundestag (beispielsweise) prozentual deutlich unterrepräsentiert sind bei gleichzeitiger komplett fehlender Legitimation durch Minderjährige.

Als abschließendes Bonbon (mehr argumentieren möchte ich nicht, das tun die Kinderrechtszänker sehr gut) noch die Verteilung der Parteien der Antragsteller. (Hier kann man auch ablesen, wer statistisch gesehen profitieren wird.)

SPD Union Grüne FDP
11 13+1 3 19