Zu religiös für den Staat

Das Berliner Neutralitätsgesetz ist ein ausgesprochen kurzes Gesetz, das mit einer Lüge beginnt: „Alle Beschäftigten genießen Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses.“ Diese Freiheit wird mit dem Gesetz jenen Staatsbeschäftigten verwehrt, deren Glauben sich nicht auf einen unauffälligen, rein innerlichen Sonntagsglauben reduzieren lässt: Die Muslima, die das Kopftuch für eine religiöse Pflicht hält. Der Jude, der Kippa trägt. Und die Christin, der das Kreuz um den Hals per Dienstanweisung verboten wird.

Weiterlesen bei katholisch.de katholisch.de: Standpunkt: Zu religiös für den Staat

Auch lesenswert dazu: Malte Lehming im Tagesspiegel zu Abgrenzungsschwierigkeiten und Widerspruchsgeist, Franziska Holzfurtner bei den Salonkolumnisten zu protestantischer Innerlichkeit als Ideal freiheitsfeindlicher Religionspolitik.

Anderswo geschrieben: Burkinis, Religionsfreiheit und Alltagstechnik

Bei katholisch.dekatholisch.de kommentiere ich Burkinis – und Religionsfreiheit für alle Religionen: Was uns von Saudi-Arabien unterscheidet. Auf Facebook war das sehr betreuungsintensiv.

Im TechniktagebuchTechniktagebuch geht’s um französische Selbstscankassen, Facebook-vermittelte Fürbitten, Ausstellungstechnik im Museum, zentralisierte Hotelunterhaltung und einen DDOS-Angriff, der die Geographie des Netzes sichtbar macht.

Mehr Rechte als die Wand

Kruzifix an einer Wand
Foto: Kolumba Crucifix von 010lab, CC BY-NC-ND 2.0.

Der Göttinger Staatsrechtler Hans Michael Heinig nennt es »widersprüchlich, wenn das Kreuz auf Wunsch von Schülern und Eltern zu weichen hat, aber das Kopftuch nicht«. Für solche grundrechtsblinden, dafür interessegeleiteten Positionen, zumal von Jurist_innen, habe ich kein Verständnis – wie kann ein Staatsrechtler, zumal einer, dem qua Profession und Konfession (er ist Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD) Religionsfreiheit wichtig sein sollte, so etwas vertreten?

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Zwei Sorten symbolische Freiheit

Quelle: CC-by-sa 3.0, Pappnaas666
Quelle: CC-by-sa 3.0, Pappnaas666

Martin Schulz hat wohl etwas gesagt. Was genau, ist so klar nicht. Irgendwas mit religiösen Symbolen im öffentlichen Raum, die da nicht sein sollen, nur: Den genauen Wortlaut finde ich nicht.

Was Schulz gesagt hat, kann ganz verschiedenes sein — und wie ich finde, etwas sehr vernünftiges oder etwas sehr dummes. Zwei Sorten symbolische Freiheit weiterlesen

Jüdisch-christliche Zivilreligion

Ostern kommt, und wie Ostern nicht ohne Karfreitag geht, geht auch wieder die Frage nach den stillen Feiertagen um. Und es geht um alles:

»Unser christlich-jüdisch geprägtes Werteverständnis stellt das Fundament unserer abendländischen Gesellschaft in Deutschland dar […] Der Karfreitag ist als christlicher Feiertag dem Gedenken an das Leiden und die Kreuzigung Jesu Christi gewidmet, […] und dies verträgt sich nicht mit lautem Feiern«, so der Frankfurter Kirchendezernent Uwe Becker.

Was hier verteidigt wird, ist keineswegs ein solides Wertfundament. Als Trittbrettfahrer des Religiösen werden leitkulturelle Chiffren verhandelt: Wir und die, und »wir« sind ermächtigt, »unsere« Wertentscheidungen politisch durchzusetzen.

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Staat, Kirchen, Rechtsform?

In Baden-Württemberg sollen die Zeugen Jehovas nach Willen der Landesregierung nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Privilegien einer offiziell anerkannten und verfaßten Religionsgemeinschaft bekommen. Daß sie damit nicht steuerlich bessergestellt werden, daß sie keine Rundfunk-Sendezeit eingeräumt bekommen, daß sie nicht in Rundfunkräte kommen, ist mir durchaus sympathisch – Sympathie ist aber im Verhältnis zum Staat keine gute Richtschnur.

Die Begründung der Landesregierung jedenfalls zeigt, daß das Konstrukt KdÖR im Staatskirchenrecht (und die damit verbundenen Privilegien) als Organisationsform grundsätzlich problematisch ist.
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Deutschland unterm Kreuz

Aygül Özkan, designierte Sozialministerin in Niedersachsen, steht für einen säkularen freiheitlichen Staat auf dem Boden des Grundgesetzes. Ganz im Gegensatz zu ihrer Partei, der CDU. Ich hoffe, daß es Rückgrat und nicht Naivität ist, daß sie sich so offen gegen den CDU-Mainstream stellt, indem sie sich gegen religiöse Symbole in Klassenräumen ausspricht. Die Süddeutsche kommentiert sehr treffend: »Keiner konnte ahnen, dass die 38-jährige Aygül Özkan einen eigenen Kopf hat, den sie dummerweise auch noch einschaltet.«

Die lebhafte Debatte spült den gerechten Volkszorn der christdemokratischen Alpenayatollas und Deichmullahs nach oben. Geprägt ist die Position weiter Teile der CDU von einem völlig verfehlten Verständnis von Öffentlichkeit und Religionsfreiheit – aber auch einer Geringschätzung des Glutkerns des christlichen, eben Christus und seinem Tod am Kreuz.
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Freiheit, Würde und Grenzüberschreitung

Bruder Paulus Terwitte OFMCap hat einen Text unter dem Titel »Karlsruher Ladenöffnungs-Urteil und Minarette« (Link auf die Startseite; einen Permalink scheint es nicht zu geben, mittlerweile ist er gar nicht mehr zu finden.) veröffentlicht: Er kreist darin um den Begriff »Grenze« und kommt zu einem seltsamen Schluß. Zentral ist dieser Satz, auf dem die gesamte Überlegung aufbaut:

Dass wir nicht Gott sind, ist der oberste Grundsatz aller Religionen. Deshalb haben Menschen für Gott sich selber Grenzen gesetzt.

Auf dieser Grundlage schafft es Bruder Paulus, aus christlicher Perspektive über »Grenzen« zu schreiben, ohne von Freiheit, Würde und dem Überschreiten von Grenzen zu handeln.
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Das Kreuz mit dem Minarett

Das in der Schweiz vom Volk beschlossene Minarett-Verbot ist illegitim. Nicht wegen der Religionsfreiheit, sondern weil ihm die Vorstellung zugrunde liegt, daß eine Mehrheit das Recht hätte, alles entscheiden zu können, und weil das Minarett-Verbot in dieser Form kein allgemeines Gesetz ist. Wenn die Herrschaft des Rechts aber bestehen soll, dann darf es keine uneingeschränkte Herrschaft der Mehrheit geben. Inhaltlich ist das Gesetz sowieso grober Unfug.
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Rückzugsgefecht gegen die Welt

Daß der europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegen Kreuze in italienischen Schulen entschieden hat, ist bekannt. Die unvermeidbaren Reaktionen folgten, gerne von Bischöfen. Der einhellige Tenor: So nicht. Vorhersehbar, aber kurzsichtig.

Die Argumente gegen das Urteil: Das Kreuz sei kulturelles Symbol, der christliche Glaube Wertfundament Europas, die Entscheidung sei undemokratisch, ein Ausdruck falschen Verständnisses von Religionsfreiheit. Keines dieser Argumente kann überzeugen; ein bloßes Rückzugsgefecht gegen die Welt – und ein intellektuelles Armutszeugnis unserer Bischöfe.
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