Geeks that breed. Das geheime Leitthema der #rp13

Viele Veranstaltungen haben ein Leitthema, das nicht offiziell verkündet wird, das einfach in der Luft liegt und sich so Bahn bricht. Vor zwei Jahen bei der re:publica war das Feminismus. Dieses Jahr kam es mir so vor, als sei das in der Luft liegende Thema Kinder. Plötzlich waren überall Babys, Zwei-, Dreijährige rannten durch die Gänge, immer wieder wurde auch der Wunsch nach Kinderbetreuung für die #rp14 getwittert. Auch bei den Vorträgen war einiges dabei.
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Weihnachtsgeschenke – Warum nicht mal was aus Kinderarbeit?

Kinderarbeit muss verboten werden. Diese Position ist einfach, moralisch einwandfrei – und falsch.

Wer so etwas fordert, macht es sich sehr bequem: Verbote haben zwar eine Auswirkung auf die Wirklichkeit – aber nicht unbedingt die, die damit erreicht werden soll. In den Ländern, in denen Kinderarbeit kein Luxusproblem ist wie bei uns (sollten 13jährige Zeitungen austragen dürfen, damit sie sich schickere Kleidung kaufen können?), arbeiten Kinder und Jugendliche sowieso. Egal, was das Gesetz sagt. Sie müssen es, damit sie und ihre Familien überleben können.
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Sorgerecht: Eltern vs. Staat

Laura Dekker, 13, will allein den Atlantik überqueren. Ihre Eltern wollen ihr das erlauben, der niederländische Staat in Gestalt u.a. des Utrechter Familiengerichts nicht. Dekkers Eltern wurde partiell das Sorgerecht entzogen, sie wird zwei Monate amtspsychologisch beobachtet, ob sie reif genug für ihr Vorhaben ist.

Heribert Prantl kommentiert das in der Süddeutschen: »Kinder brauchen Abenteuer«, aber bitte nicht dieses, das die Eltern vernünftigerweise zu verbieten hätten, im übrigen sorgt sich der Staat nur um das Kindeswohl – durchaus nachvollziehbar.

Prantl betont, daß er den Staat nicht an die Stelle der Eltern setzen will und plädiert für staatliche Eingriffe ins Sorgerecht mit Augenmaß und nur im äußersten Fall. Ein Satz paßt da aber nicht recht dazu:

Das Elternrecht, wie es in den Verfassungen fast aller Staaten garantiert wird, beruht auf dem Grundsatz, dass in aller Regel den Eltern das Wohl des Kindes mehr am Herzen liegt als irgendeiner anderen Person oder Institution.

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Gebärmaschinen

Eurostat meldet Geburtenzahlen. Deutschland schneidet nicht so gut ab, wie Ursula von der Leyen das gerne behauptet. (Etwas viel Pech in letzter Zeit mit Zahlen und Fakten.)

Wozu überhaupt eine Steigerung der Geburtenrate? Wir haben doch weiß Gott genug Menschen auf der Welt. Unser Volk stirbt aus? Deutschland wird überfremdet? Beides reichlich alarmistische Argumente, die man zwar auch wunderbar politisch nutzen kann (»Kinder statt Inder«), die aber nicht den Kern treffen. Der Kern: Kinder kriegen fürs Sozialsystem. Rente im Umlageverfahren braucht Kinder.

Das ist pervers: Sind es aus freiheitlicher Sicht schon die völkischen Argumente, weil sie Kollektive (die noch dazu reichlich kontingent sind) als Zweck und Ziel setzen, ist das rundweg menschenverachtend: Kinder nicht (wie jeder Mensch) als Zweck an sich, sondern instrumentalisiert für ein defektes politisches System. (»Strukturen der Sünde« heißt das in der Befreiungstheologie, wenn ein System die Instrumentalisierung von Menschen nicht nur begünstigt, sondern erzwingt.)

Traurig, daß eine Partei, die behauptet, christlich zu sein, die Verzweckung von Kindern zum Leitmotiv ihrer Kinder- und Familienpolitik macht. (Die populistische Internetsperrkampagne folgt natürlich ebenso diesem Muster.)

(Und ebenso natürlich: Die sich noch christlicher gerierenden Alarmisten (via Gay West) spießen nicht das auf, sondern nutzen es als eine willkommene Gelegenheit, ihre feuchten Tugendterrorträume zum n+1ten Mal aufzukochen.)

Wahlrecht ab Geburt

Auf der Frühjahrsdiözesankonferez der KjG Freiburg habe ich einen Workshop zum Thema »Wahlrecht ab Geburt« geleitet. Hier gibt’s einiges Material und Ergebnisse daraus.

Texte

Links

Ergänzung: Mittlerweile ist Wahlrecht ab Geburt auch Beschlußlage des KjG-Diözesanverbandes Köln; in deren Politblog wird das gerade kontrovers diskutiert.

Heilge Kunst … ein katholisch Kreuz zu schlagen

Mit catholicismwow teile ich zwar nicht unbedingt den Grad der Orthodoxie, dafür aber zumindest ein Kreuz: Sommerlagerkinder. Zumindest im katholischen Kontext könnte der vom Bistum Limburg herausgegebene Kirchenknigge helfen. Daß man als Katholik mit »Grüß Gott« zu grüßen habe, glaube ich zwar nicht und werde solch bajuwarisches Kulturgut sicher nicht übernehmen – »mir Kerrlocher saare Jou!« (Spraddlsänger) –, ansonsten werde ich den Text sicher noch häufiger kopieren und verteilen. Das nächste Mal beim Gruppenleitergrundkurs.

Wahlverwandtschaften

Überhaupt ist es doch traurig, wie wenig in der Welt gedacht wird. Man verändert die Regierungsform, alles, alles – und das einzige, was man keinem Zweifel unterwirft, das einzig Feste ist der Glaube an die Art Entscheidung, die durch Ballotage bestimmt ist.

Søren Kierkegaard, X-4 A 65

Heute berät der Bundestag über den Antrag Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an. Das klingt erstmal nett und brand(t)neu, ist aber leider alles andere als begrüßenswert. Heißt es im Antrag noch pathetisch Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Wahlrechts ab Geburt durch Änderung des Artikel 38 des Grundgesetzes und erforderlicher weiterer gesetzlicher Änderungen vorzulegen, nur leider kommt das Stellvertreterwahlrecht gleich danach durch die Vordertür: Dabei ist ein Wahlrecht ab Geburt dergestalt vorzusehen, dass die Kinder zwar Inhaber des Wahlrechtes werden, dieses aber treuhänderisch von den Eltern bzw. Sorgeberechtigten als den gesetzlichen Vertretern ausgeübt wird.

Fazit: Etikettenschwindel. Diese Lösung ist nämlich gerade kein Mehr an Demokratie, sondern vielmehr Wahltaktik. Ich behaupte: Vom Stellvertreterwahlrecht profitieren Volksparteien und hier besonders Konservative, von wählenden Kindern und Jugendlichen alternative und fortschrittliche Parteien. Mit Stellvertreterwahlrecht wird nämlich das Stimmgewicht der Wähler über 25 erhöht, während das Menschen unter 25 gleich bleibt. Menschen, die in alternativen Lebensformen wohnen (ich denke an Homosexuelle)werden mit dieser Regelung politisch noch mehr marginalisiert. (Obwohl: Adoption zum Stimmenkauf wäre eine interessante Sache.)

Interessant dürfte die statistische Verteilung sein: Es profitieren nämlich nur Eltern mit minderjährigen Kindern, also Menschen zwischen ganz grob 25 und 60 mit einem Hochplateau irgendwo in der Mitte. Das ist in einer überalterten Gesellschaft besonders fatal, da die besonders Alten schon jetzt im Bundestag (beispielsweise) prozentual deutlich unterrepräsentiert sind bei gleichzeitiger komplett fehlender Legitimation durch Minderjährige.

Als abschließendes Bonbon (mehr argumentieren möchte ich nicht, das tun die Kinderrechtszänker sehr gut) noch die Verteilung der Parteien der Antragsteller. (Hier kann man auch ablesen, wer statistisch gesehen profitieren wird.)

SPD Union Grüne FDP
11 13+1 3 19

Kinder, Kinder

Ich habe es ja schon mal erwähnt: Ich lese aug.

Dort wurde dieser Tage etwas Interessantes festgestellt:

In GB, some things are Royal, because they once belonged to or were done by the monarch, or now have her/him as Patron. Others are National because they cover the entire country.

[…]

I leave it as an exercise for the student to speculate why we have a Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals, but a National Society for the Prevention of Cruelty to Children.

Parallele Deutschland: Gründung des Kinderschutzbundes 1953, Gründung des Tierschutzbundes 1883. (Bei den Briten in der gleichen Reihenfolge: Tiere 1824 und Kinder 1884.)

»Sie müssen ihm schon ein wenig mehr Angst machen!«

– sprach eine Mutter heute bei meiner alljährlichen KjG-Nikolaus-Tour. Überhaupt macht man sich erst als Nikolaus ein wirkliches Bild unserer Gesellschaft: Eltern, die ihren Kindern zu eben jenem Festtag Geschenke im dreistelligen Euro-Bereich schenken, ansonsten aber vollkommen mit ihrer Erziehung versagt haben und ihr Gewissen externalisieren, indem sie von Miet-Heiligen (wie mir) Rute, Kettengerassel, Sack und sonstige wilhelminische Pädagogik (oder, wie Werner Mezger es nennt, »gegenreformatorische Adventspädagogik«) einfordern. Ich halte es dann doch eher mit Manfred Becker-Huberti:

Auch heute noch kann man den Einkehrbrauch verantwortlich inszenieren, wenn man mit dem Brauch keine Angst auslöst und die Kinder die Güte des Heiligen erleben lässt.

Wenigstens das Bonifatiuswerk weiß noch, um was es geht (die Kölner sowieso) – und dort würde man auch sicher nicht die Mitra als Insignium des »Oberweihnachtsmannes« (Zitat eben jener Mutter) identifizieren.

Fahrradfahrer dieser Stadt …

Heute bin ich zum ersten Mal »Kids on Tour« gefahren. »Kids on Tour« (diese Bezeichnung wird seltsamerweise nie abgekürzt …) heißt: alleinreisende Kinder werden von der Bahnhofsmission betreut. Diesmal: Köln–Mannheim. Doch – bis ich erstmal dort war!

Der ICE war gestopft voll, hauptsächlich Soldaten auf Heimatfahrt und Geschäfsleute, ich bin dummerweise in den Raucherwagen eingestiegen (und es gab natürlich kein Durchkommen). Doch natürlich kommt es noch schlimmer.

Vielleicht hat der geneigte Leser es schon bemerkt: ich gebe mir zwar eine vorurteilsfreie links-alternativ-intellektuelle Anmutung (ich besitze sogar Yogi-Tee und diverse Werke von Heinrich Böll!), bin aber dennoch im tiefsten Herzen überzeugter Rassist. Ich verabscheue rheinischen Lebensstil; der Rheinländer an sich löst schon durch Dialekt und Gehabe Widerwillen in mir aus.

In meinem schönen Raucherabteil also saß eine köllsche Reisegruppe (mit Betonung auf dem Doppel-l von »köllsch«), bestehend aus einer Handvoll Ehepaaren im sogenannten »besten Alter«, die jedes Klischee erfüllten: die Damen in einer Weise elegant, die bestenfalls abgeschmackt zu nennen ist, die Herren in rot-braun-blauen Pullovern und mit Otto-Schily-Frisuren (und Joschka-Fischer-prä-Jogging- Bäuchen), und, natürlich, ein Fäßken (sic!) Köllsch (sic!), aus dem man dann und wann ein Gläsken (sic!) zapfte. Die Damen sprachen ihre Gesponse mit – natürlich! – »Daddy« an. Dabei allfällige Analysen über die deutsche Bahn im speziellen und die Lage der Nation im allgemeinen.

Entsprechend anti-rheno-guestphalisch kam ich also zum Rhein (zum Rhein, zum deutschen Rhein), ging auch gleich in die Bahnhofsmission (obgleich ich eigentlich noch eine Stunde gehabt hätte; doch innerhalb dieser Stunde hätte ich nur den Dom geschafft, und in meiner Situation auch noch an Card. Meisner erinnert zu werden …), wo mich der Leiter empfing. Eine ausgesprochen rheinische Frohnatur, die mir begeistert erzählt, daß sie in E-Mails an Mannheim immer »Mann, und dann Leerzeichen, heim« schreibe, »wie wenn da ein Mann heim müsse« – »Spaß« müsse ja »schließlich sein«, und das sei ja ein Wortspiel, »verstehen Sie?«, nudge nudge, knick knack.

Ansonsten war es doch ein recht nettes Erlebnis.